Organisation und Prozesse
Angesichts des volatilen Umfeldes überlegen viele Unternehmen, wie sie ihre Compliance-Funktion am besten organisieren. Dazu gehört die Auslagerung operativer Aufgaben wie Sanktionslisten-Screening und die exportkontrollrechtliche Einstufung von Gütern. Eine der strategischen Entscheidungen betrifft die Frage, ob die fachliche Sanktionsexpertise intern aufgebaut werden soll oder ob man mit einem externen Dritten zusammenarbeitet. Da viel mehr Unternehmen und Transaktionen von Sanktionsregimen betroffen sind als früher, steigt der Druck zur Automatisierung von Transaktionsprüfungen. Zusätzliche Compliance-Prozesse können erforderlich sein, um das Risiko indirekter Sanktionsverstöße, etwa durch Geschäftspartner, zu minimieren. Für Konzerngesellschaften mit Sitz außerhalb der EU müssen ebenfalls konzernweite Compliance-Standards definiert werden, da ein EU-Nexus ausreichen kann, um die Anwendbarkeit von EU-Sanktionen auszulösen. Im Rahmen des angekündigten elften Sanktionspakets soll ein besonderes Augenmerk auf die Vermeidung und Verfolgung von Sanktionsumgehungen gelegt werden.
Business-Partner-Due-Diligence
Es ist vergleichsweise einfach zu überprüfen, ob ein Geschäftspartner auf einer Sanktionsliste steht. Viel komplizierter ist es festzustellen, ob sich ein Unternehmen im Eigentum oder unter der Kontrolle von sanktionierten Eigentümern befindet. Gleichwohl besteht eine Sorgfaltspflicht, um das Risiko versehentlicher Sanktionsverstöße zu verringern. Als best practice lässt sich eine Kombination aus manuellen Prozessen und automatisiertem Screening beobachten, da Sanktionslisten nicht statisch sind und sich häufig ändern. Darüber hinaus können im Falle eines positiven Sanktionsabgleichs die Rechtsfolgen je nach den Umständen unterschiedlich sein und eine individuelle Beurteilung erforderlich machen.
Geld und Transport
Generell ist der Geldfluss für nicht sanktionierte Geschäfte mit Russland komplizierter geworden. Einige Banken haben den Zahlungsverkehr von und nach Russland ganz eingestellt. Um Compliance-Risiken zu mindern, bitten andere Banken ihre Kunden um umfangreiche Informationen und Unterlagen. Dies führt zu mehr Aufwand und Kosten. Gleiches gilt für Transporte und Sendungen von und nach Russland, nachdem russischen Transportunternehmen die Beförderung in der EU untersagt wurde.
IT und Dienstleistungen
Aufgrund von Beschränkungen für Verschlüsselungssoftware und -hardware (einschließlich Massenmarktprodukten) und damit verbundene Dienstleistungen ist es nahezu unmöglich geworden, die IT-Systeme russischer Tochtergesellschaften zu warten. Dies kann der Cybersicherheit des gesamten Konzerns schaden. In Bezug auf IT-Beratungsleistungen bleibt der Umfang der Einschränkungen unklar. Während der Gesetzestext der EU-Verordnung unter anderem Software-Implementierungsleistungen umfasst, verweisen die FAQ der EU-Kommission auf ein veraltetes Dokument der Vereinten Nationen von 1991, das auch IT-Wartungsleistungen für bestehende IT-Systeme abdeckt. Gleichzeitig unterscheidet die aktuellere Version des UN-Dokuments von 2015 klar zwischen IT-Support und IT-Beratung. Dieses Thema kann selbst für Unternehmen, die sich aus Russland zurückziehen, komplex sein, da dies oft eine Art Übergangsabkommen erfordert, damit das russische Geschäft zu einer eigenständigen Einheit wird. Risiken für das lokale Management aufgrund gegenteiliger russischer Gesetze oder Gerichtsentscheidungen kommen erschwerend hinzu.
Weitere Einschränkungen betreffen Dienstleistungen in den Bereichen Rechtsberatung, Architektur- und Ingenieurdienstleistungen, Buchhaltung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmens- und Managementberatung oder Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus sind Marktforschungs- und Meinungsforschungsdienste, technische Prüf- und Analysedienste sowie Marketing ebenfalls eingeschränkte Tätigkeiten.
Sanktionsdurchsetzungsgesetz II
Um die Schlagkraft der Sanktionsmaßnahmen in Deutschland zu stärken und darüber hinaus Finanzkriminalität und Geldwäsche effektiv zu bekämpfen, hat die Bundesregierung einen zweiten Teil des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes (SDG II) beschlossen, das am 28. Dezember 2022 in Kraft getreten ist. Insbesondere folgende Neuregelungen sind darin enthalten:
- Einführung einer Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung beim Bundesfinanzministerium
- Einführung eines Registers für sanktionierte Personen und Vermögenswerte und Schaffung eines Verfahrens zur Ermittlung inkriminierten Vermögens
- Einrichtung einer Stelle zur Annahme von (anonymen) Hinweisen über potenzielle oder tatsächliche Verstöße gegen die Überwachungsaufgabe der Zentralstelle betreffend Rechtsverordnungen, Gesetze etc.
- Anordnung von Überwachungsmaßnahmen bei Verstößen gegen das Bereitstellungs- und Verfügungsverbot, z. B. Möglichkeit der Bestellung eines externen Beauftragten (Monitors) durch die Zentralstelle
- Barzahlungsverbot bei Immobilientransaktionen
- Maßnahmen in Bezug auf das Transparenzregister, insbesondere
- Verknüpfung von Immobiliendaten mit dem Transparenzregister,
- Mitteilungspflicht von ausländischen Vereinigungen, die Immobilieneigentum in Deutschland halten und
- Schaffung von mehr Transparenz bei der Figur des fiktiven wirtschaftlich Berechtigten nach dem Geldwäschegesetz
Co-Autor: Rafik Ahmad