Blick auf den Hafen von St. Petersburg. Bestimmte Gueter und Technologien duerfen nicht mehr ohne weiteres aus der EU und anderen westlichen Laendern nach Russland gebracht werden.

Warum Unternehmen die Einhaltung von Sanktionspaketen fortlaufend prüfen sollten

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Die ergangenen Handelsbeschränkungen stellen hohe Anforderungen an die Compliance. Zudem schärft der Gesetzgeber die rechtliche Basis.


Überblick

  • Die EU hat seit Beginn des Krieges in der Ukraine zehn Sanktionspakete gegen Russland beschlossen.
  • Export- und Importbeschränkungen werden durch die Zollbehörden konsequent durchgesetzt und Verstöße werden strafrechtlich verfolgt.
  • Viele der Maßnahmen schaffen u.a. durch die Erweiterung von Mitteilungspflichten mehr Transparenz.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 hat die EU zehn Sanktionspakete gegen Russland beschlossen. Die Export- und Importbeschränkungen sind beispiellos, was Ausmaß, Umfang und zeitliche Abfolge betrifft. Sie werden durch die Zollbehörden konsequent durchgesetzt und Embargoverstöße werden strafrechtlich verfolgt, so dass für die Geschäftsleitung bzw. die Ausfuhrverantwortlichen auch individuelle Risiken entstehen. Die Compliance sollte daher höchste Priorität genießen. Da die unternehmensinternen Funktionen aber vielfach an personelle, organisatorische und fachliche Grenzen stoßen, rücken Automatisierung und Auslagerung operativer Aufgaben in den Fokus.

Strafrechtliche Verfolgung

Seit Inkrafttreten der neuen Sanktionspakete erhalten die Zollfahndungsämter zahlreiche Meldungen, die auf Verstöße gegen die in der EU-Verordnung 833/2014 festgelegten Verkaufs-, Import-, Ausfuhr- und Lieferverbote hinweisen. In vielen Fällen leiten die Zollfahndungsämter Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz (§ 18 AWG) ein. Dieser sehr umfassende Straftatbestand sanktioniert Embargoverstöße bei (bedingtem) Vorsatz mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Im Laufe eines Verfahrens entscheidet die zuständige Staatsanwaltschaft, ob Anklage erhoben wird oder ob es in anderer Weise beendet werden kann, z. B. durch Einstellung gegen (Geld-)Auflage. Selbst wenn sich der Verstoß als lediglich fahrlässig herausstellen sollte, kommt eine mit Geldbuße belegte Ordnungswidrigkeit in Betracht (§ 19 AWG). Ebenfalls denkbar ist die Einstufung als Aufsichtspflichtverletzung einer Leitungsperson nach § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). 

Kontrollmaßnahmen, auch nachträglich

Eine mildere Betrachtung oder gar die vollständige Einstellung eines Sanktionsverfahrens ist im Regelfall nur dann möglich, wenn sich der Verstoß als Arbeitsfehler im ansonsten funktionierenden Exportkontrollsystem darstellen lässt. Das bedeutet, dass Unternehmen – sofern noch nicht geschehen – dringend ihre Exportprozesse überarbeiten oder entsprechend nachschärfen sollten. Im Zweifel kann es ratsam sein, sämtliche Exporte nach Russland zunächst zu stoppen, bis entsprechende Kontrollmaßnahmen eingeführt sind. Sofern es bereits zu einem Verstoß gekommen ist, kann es sich auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung als vorteilhaft erweisen, auch nachträglich Compliance-Maßnahmen zu implementieren oder diese zu verbessern. Die aus unserer Sicht wichtigsten Compliance-Herausforderungen für Unternehmen lassen sich wie folgt zusammenfassen: 

Screening 

Die Beschränkungen des Handels der EU mit Russland bestehen inzwischen aus über einem Dutzend Listen von Waren, Software, Dienstleistungen und Technologien. Jede Sendung und Dienstleistung muss überprüft werden, ob die Artikel, Geschäftspartner oder Endverwendungen nicht unter die Beschränkungen fallen. Ein solches Transaktions-Screening ist mittlerweile sogar in Branchen erforderlich und empfehlenswert, die bisher nicht von Sanktionen betroffen waren (z. B. Lebensmittel, Life Sciences, Mode). Unternehmen mit einem guten Management von Materialstammdaten haben Vorteile bei der Bewältigung dieser Prüfungen. 

FAQ lassen zu wünschen übrig

Die verschiedenen Sanktionspakete enthalten Instrumente, die es in früheren Sanktionsregimen nicht gab. Darüber hinaus sind einige der verwendeten Rechtsbegriffe nicht selbsterklärend. Zwar hat die EU-Kommission ein ausführliches FAQ-Dokument zu den Russland-Sanktionen erstellt, doch führt dies nicht immer zur gewünschten Klarstellung. So haben einige der verwendeten Begriffe („deemed export“ oder „facilitation“) ihren Ursprung in US-Sanktionsregelungen und werden im Bereich der EU-Ausfuhrkontrollen und -sanktionen bisher nicht häufig verwendet. Hinzu kommt, dass die Leitlinien der EU-Kommission und der nationalen Behörden in einigen Aspekten unterschiedlich sind, z. B., ob das Eigentum verschiedener sanktionierter Anteilseigner zusammengerechnet werden muss, um festzustellen, ob ein nicht benanntes Unternehmen doch den Sanktionen unterliegt. Aufgrund der Arbeitsbelastung der nationalen Behörden kann die Klärung von Fragen nicht immer zeitnah erfolgen und die Erlangung behördlicher Genehmigungen kann langwierig sein.

Güterhandel der Europäischen Union (EU-27) mit Russland

Organisation und Prozesse

Angesichts des volatilen Umfeldes überlegen viele Unternehmen, wie sie ihre Compliance-Funktion am besten organisieren. Dazu gehört die Auslagerung operativer Aufgaben wie Sanktionslisten-Screening und die exportkontrollrechtliche Einstufung von Gütern. Eine der strategischen Entscheidungen betrifft die Frage, ob die fachliche Sanktionsexpertise intern aufgebaut werden soll oder ob man mit einem externen Dritten zusammenarbeitet. Da viel mehr Unternehmen und Transaktionen von Sanktionsregimen betroffen sind als früher, steigt der Druck zur Automatisierung von Transaktionsprüfungen. Zusätzliche Compliance-Prozesse können erforderlich sein, um das Risiko indirekter Sanktionsverstöße, etwa durch Geschäftspartner, zu minimieren. Für Konzerngesellschaften mit Sitz außerhalb der EU müssen ebenfalls konzernweite Compliance-Standards definiert werden, da ein EU-Nexus ausreichen kann, um die Anwendbarkeit von EU-Sanktionen auszulösen. Im Rahmen des angekündigten elften Sanktionspakets soll ein besonderes Augenmerk auf die Vermeidung und Verfolgung von Sanktionsumgehungen gelegt werden. 

Business-Partner-Due-Diligence 

Es ist vergleichsweise einfach zu überprüfen, ob ein Geschäftspartner auf einer Sanktionsliste steht. Viel komplizierter ist es festzustellen, ob sich ein Unternehmen im Eigentum oder unter der Kontrolle von sanktionierten Eigentümern befindet. Gleichwohl besteht eine Sorgfaltspflicht, um das Risiko versehentlicher Sanktionsverstöße zu verringern. Als best practice lässt sich eine Kombination aus manuellen Prozessen und automatisiertem Screening beobachten, da Sanktionslisten nicht statisch sind und sich häufig ändern. Darüber hinaus können im Falle eines positiven Sanktionsabgleichs die Rechtsfolgen je nach den Umständen unterschiedlich sein und eine individuelle Beurteilung erforderlich machen. 

Geld und Transport

Generell ist der Geldfluss für nicht sanktionierte Geschäfte mit Russland komplizierter geworden. Einige Banken haben den Zahlungsverkehr von und nach Russland ganz eingestellt. Um Compliance-Risiken zu mindern, bitten andere Banken ihre Kunden um umfangreiche Informationen und Unterlagen. Dies führt zu mehr Aufwand und Kosten. Gleiches gilt für Transporte und Sendungen von und nach Russland, nachdem russischen Transportunternehmen die Beförderung in der EU untersagt wurde.

IT und Dienstleistungen

Aufgrund von Beschränkungen für Verschlüsselungssoftware und -hardware (einschließlich Massenmarktprodukten) und damit verbundene Dienstleistungen ist es nahezu unmöglich geworden, die IT-Systeme russischer Tochtergesellschaften zu warten. Dies kann der Cybersicherheit des gesamten Konzerns schaden. In Bezug auf IT-Beratungsleistungen bleibt der Umfang der Einschränkungen unklar. Während der Gesetzestext der EU-Verordnung unter anderem Software-Implementierungsleistungen umfasst, verweisen die FAQ der EU-Kommission auf ein veraltetes Dokument der Vereinten Nationen von 1991, das auch IT-Wartungsleistungen für bestehende IT-Systeme abdeckt. Gleichzeitig unterscheidet die aktuellere Version des UN-Dokuments von 2015 klar zwischen IT-Support und IT-Beratung. Dieses Thema kann selbst für Unternehmen, die sich aus Russland zurückziehen, komplex sein, da dies oft eine Art Übergangsabkommen erfordert, damit das russische Geschäft zu einer eigenständigen Einheit wird. Risiken für das lokale Management aufgrund gegenteiliger russischer Gesetze oder Gerichtsentscheidungen kommen erschwerend hinzu. 

Weitere Einschränkungen betreffen Dienstleistungen in den Bereichen Rechtsberatung, Architektur- und Ingenieurdienstleistungen, Buchhaltung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Unternehmens- und Managementberatung oder Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus sind Marktforschungs- und Meinungsforschungsdienste, technische Prüf- und Analysedienste sowie Marketing ebenfalls eingeschränkte Tätigkeiten.

Sanktionsdurchsetzungsgesetz II

Um die Schlagkraft der Sanktionsmaßnahmen in Deutschland zu stärken und darüber hinaus Finanzkriminalität und Geldwäsche effektiv zu bekämpfen, hat die Bundesregierung einen zweiten Teil des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes (SDG II) beschlossen, das am 28. Dezember 2022 in Kraft getreten ist. Insbesondere folgende Neuregelungen sind darin enthalten: 

  • Einführung einer Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung beim Bundesfinanzministerium
  • Einführung eines Registers für sanktionierte Personen und Vermögenswerte und Schaffung eines Verfahrens zur Ermittlung inkriminierten Vermögens
  • Einrichtung einer Stelle zur Annahme von (anonymen) Hinweisen über potenzielle oder tatsächliche Verstöße gegen die Überwachungsaufgabe der Zentralstelle betreffend Rechtsverordnungen, Gesetze etc.
  • Anordnung von Überwachungsmaßnahmen bei Verstößen gegen das Bereitstellungs- und Verfügungsverbot, z. B. Möglichkeit der Bestellung eines externen Beauftragten (Monitors) durch die Zentralstelle 
  • Barzahlungsverbot bei Immobilientransaktionen
    • Maßnahmen in Bezug auf das Transparenzregister, insbesondere
    • Verknüpfung von Immobiliendaten mit dem Transparenzregister,
    • Mitteilungspflicht von ausländischen Vereinigungen, die Immobilieneigentum in Deutschland halten und
    • Schaffung von mehr Transparenz bei der Figur des fiktiven wirtschaftlich Berechtigten nach dem Geldwäschegesetz

Co-Autor: Rafik Ahmad 

Fazit

Viele der Maßnahmen schaffen durch die Erweiterung von Mitteilungspflichten, die Einführung eines neuen Registers und die damit verbundene Offenlegung von Daten mehr Transparenz. Für Unternehmen wird damit Compliance noch wichtiger.

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