Wasserstofftankstelle

Deutschland – (k)ein Wasserstoffland?

Noch gibt es keinen Markt für Wasserstoff in Deutschland. Dies muss sich ändern. Erfahren Sie hier, wie das gelingen kann.


Überblick

  • Laut Bundesverfassungsgericht war die Umwidmung der Corona-Kredite für den Klimaschutz unzulässig. Dieses Urteil bremst die Energiewende in Deutschland.
  • Einsparungen im neuen Haushalt treffen insbesondere die Wasserstoffwirtschaft.
  • Es gilt, Investoren für neue Projekte zu gewinnen, um das Potenzial von grünem Wasserstoff als Schlüsseltechnologie zum Erreichen der Klimaziele zu heben. 

Das Bundesverfassungsgericht hat Mitte November 2023 die Umwidmung der zur Bekämpfung der Corona-Pandemie aufgenommenen Kreditmittel für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds für unzulässig erklärt. Das Urteil hat auch Auswirkungen auf den Klimaschutz: Der Bundesregierung fehlen nun insgesamt 60 Milliarden Euro für die Energiewende, die fest für Projekte in den Bereichen Klima, Energie und Transformationstechnik eingeplant waren. Nach der Einigung über den Haushalt für 2024 ergibt sich daraus allein für das aktuelle Jahr ein Minus von 12 Milliarden Euro. Das entspricht einer Reduzierung des ursprünglich eingeplanten Budgets um rund 20 Prozent. Besonders hart trifft dies die Wasserstoffwirtschaft, die im Vergleich zu anderen Energieträgern noch weniger entwickelt und deshalb stärker auf Förderung angewiesen ist.

Noch im August 2023 hatte die Bundesregierung der Wasserstoffwirtschaft Fördermittel in Höhe von 18,6 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre zugesichert. Welche Summe nach der Budgetreduzierung für die Unternehmen übrig bleibt, ist noch offen. Sicher ist jedoch: Es wird deutlich weniger sein – und angesichts bereits öffentlich zugesagter Fördermittel etwa für die Halbleiterindustrie ist mit relativ größeren Kürzungen bei den Wasserstoffpositionen im Fonds zu rechnen.

Während beispielsweise die USA mit dem Inflation Reduction Act unter anderem eine Grundlage für die kostengünstige Produktion von grünem Wasserstoff für Unternehmen und Industrie geschaffen hat, steht die Wasserstoffwirtschaft – und damit die Dekarbonisierung – in Deutschland vor großen Herausforderungen und einer ungewissen Zukunft.

Deutschlands ambitionierte Ziele beim Klimaschutz – und welchen Beitrag Wasserstoff derzeit leistet

Mit dem Klimaschutzgesetz hat sich die Bundesrepublik Deutschland anspruchsvolle Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Bis 2045 will das Land Treibhausgasneutralität erreichen. Bereits bis 2030 sollen im Vergleich zu 1990 65 Prozent der Emissionen reduziert worden sein. Für das Gelingen der Energiewende wurden verschiedene erneuerbare Energieträger wie zum Beispiel Photovoltaik, Windkraft oder Solarenergie definiert, denen künftig eine Schlüsselrolle zukommt und die fossile Energieträger ersetzen sollen. Eine davon ist auch Wasserstoff als alternativer Brenn- und Produktionsstoff in verschiedensten Prozessen, beispielsweise in der Stahl- und Eisenindustrie, die für rund 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist. Um das Potenzial von Wasserstoff als grüner Schlüsseltechnologie zu heben, hat die Bundesregierung die nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Mithilfe der darin definierten Instrumente und Fördermittel soll ein Wasserstoffmarkt auf nationaler Ebene entstehen.


Wasserstoff ist eine Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung der Wirtschaft und damit das Erreichen der Klimaziele in Deutschland. 


Einen solchen Markt zur Energieversorgung gibt es bislang nicht: In Deutschland werden jährlich gerade einmal 55 Terawattstunden (TWh) an Wasserstoff verbraucht. Das entspricht einem Anteil von gut 2 Prozent bei einem Gesamtenergieverbrauch von 2.300 TWh – und dabei handelt es sich größtenteils um sogenannten grauen Wasserstoff, der durch fossile Brennstoffe wie Erdgas, Öl oder Kohle produziert wird. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) rechnet damit, dass der jährliche Verbrauch von Wasserstoff bis 2030 auf 90 bis 110 TWh ansteigen wird. Aus grünem Strom lässt sich diese Menge in Deutschland jedoch nicht produzieren. Angestrebt wird eine eigene Produktion von 14 TWH grünem Wasserstoff. Die Angebotslücke soll größtenteils durch Importe von grünem Wasserstoff aus dem Ausland geschlossen werden.

 

Aus welchen Ländern Deutschland Wasserstoff importieren könnte

Eine kostengünstige Herstellung von grünem Wasserstoff ist dort möglich, wo Strom aus erneuerbaren Energien günstig ist. Gute Rahmenbedingungen bieten Südeuropa, Afrika, die USA, Südamerika sowie Australien. Diese Regionen verfügen über eine vergleichsweise hohe Anzahl Sonnentage und ein hohes Windaufkommen. Daher können sie dank Solar- und Windenergie mehr und vor allem günstigeren grünen Strom – und in der Folge grünen Wasserstoff – produzieren. Eine nachhaltige Lösung für das deutsche Wasserstoffdilemma ist das jedoch nicht:

 

Problem Nummer 1, der Transport: Wasserstoff ist das leichteste Element im Periodensystem und hat im normalen Zustand eine sehr geringe Dichte und damit ein großes Volumen, was den Transport schwierig macht. Um dies zu umgehen, kann Wasserstoff unter hohem Druck (700 Bar) oder bei sehr niedrigen Temperaturen (–253 Grad Celsius) transportiert werden. Beides erfordert jedoch einen sehr hohen Energieaufwand und ist mit entsprechenden Kosten verbunden. Deshalb wird der Wasserstoff in grünes Ammoniak umgewandelt, das sich bei –33 Grad Celsius transportieren lässt. Grünes Ammoniak kann in Deutschland in Wasserstoff zurückgewandelt, aber auch für die Schifffahrt, die Chemieindustrie und die Stromerzeugung genutzt werden. Die Kette der Umwandlungen geht allerdings mit deutlichen Effizienzverlusten einher.

 

Problem Nummer 2, der Markt: Auch in den genannten Regionen mit guten Rahmenbedingungen sind die Produktionskosten von grünem Wasserstoff momentan höher als die von grauem oder blauem Wasserstoff. Daher bedarf es einer gewissen Zahl von Abnehmern, die trotz unklarer Rahmenbedingungen und eines noch nicht etablierten Marktes für grünen Wasserstoff bereit sind, zu entsprechenden Preisen langfristige Lieferverträge abzuschließen. Und: First Movers sind sowohl auf der Produktions- als auch auf der Abnehmerseite verschiedenen Markt-, politischen, wirtschaftlichen und technischen Risiken auf Projektebene ausgesetzt.

 

Entwicklung des Wasserstoffmarktes in Deutschand: Worauf es jetzt ankommt

Damit sich der Wasserstoffmarkt in Deutschland entwickeln kann, braucht es Investitionen in weitere Pilotprojekte. Mit Hint.Co wurde zwar eine Handelsplattform für Wasserstoffprodukte in Deutschland geschaffen, jedoch laufen noch die entsprechenden Auktionsverfahren der Anbieter zum Beispiel von grünem Ammoniak. Auch sind die im Rahmen der Auktionsprozesse angefragten Mengen verhältnismäßig gering, sodass dies kein Game Changer für die notwendigen hochvolumigen Wasserstoffproduktionsanlagen ist. Allerdings gibt der Prozess erste Hinweise auf zukünftige Marktpreise für grünen Wasserstoff in Deutschland. 


Bislang gibt es keinen Markt für Wasserstoff in Deutschland. Damit sich dieser entwickeln kann, braucht es Investitionen in Pilotprojekte.


Zur weiteren Förderung der Entwicklung haben die Bundesregierung und die Europäische Union verschiedene Instrumente ins Leben gerufen, die Investitionen in grünen Wasserstoff attraktiver machen und die Nachfrage beziehungsweise das Angebot aus Industrie und Wirtschaft ankurbeln sollen. Dabei kann allgemein zwischen kapitalintensiven und regulatorischen Instrumenten unterschieden werden: Bei den kapitalintensiven Instrumenten handelt es sich entweder um Contracts of Difference, die den Abnehmern die Kostendifferenz zwischen fossilen und grünen Brennstoffen zahlen, oder um Finanzierungsvehikel in Form von Fonds. Die regulatorischen Instrumente wie etwa Verordnungen zu Beimischungsquoten verfolgen den Ansatz, die Nachfrage der Unternehmen nach klimaneutralen Produkten zur Energieversorgung zu steigern. 

 

Viele Instrumente befinden sich jedoch noch in der Entwicklungsphase und sind zum Teil noch nicht abschließend finanziert. Bereits heute unterstützt EY daher nationale und globale Wasserstoffprojekte mit erfolgsorientierten Services:

  1. Verbindung von Nachfrage- und Angebotsseite über das eigene Industrienetzwerk
  2. Konzeption von Wasserstoffprojekten auf nationaler und internationaler Ebene
  3. Modellierung von Business Cases für Wasserstoffprojekte
  4. Auswahl von Instrumenten zur Realisierung von Wasserstoffprojekten
  5. Realisierung von Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung

Fazit

Die Nutzung von grünem Wasserstoff ist von zentraler Bedeutung für das Erreichen der deutschen Klimaziele. Um die Versorgung der Wirtschaft und der Industrie mit grünem Wasserstoff sicherzustellen, braucht Deutschland Anreize für Investitionen in einen entsprechenden Markt, den es bislang noch gar nicht gibt. Sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite können dazu auf verschiedene Förderinstrumente und -mittel zurückgreifen. 

Mehr zum Thema

    Über diesen Artikel

    Autoren