Frau zeichnet das Recycling Symbol

Warum Circular Economy die klassische Logistik transformiert

Die Kreislaufwirtschaft wird Lieferketten verändern und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Ein neues Supply-Chain-Modell zeigt, wie.


Überblick
  • Die Circular Economy löst lineares Wirtschaften ab, zirkuläre Warenströme entstehen
  • Die Logistik wird Dreh- und Angelpunkt künftiger Geschäftsmodelle und ist aufgefordert dieser Verantwortung gerecht zu werden.
  • Der Bedarf für lokalisierte, zustands- und kreislaufspezifische Transportlösungen steigt und neue Value Added Services werden in der Logistik nachgefragt werden.

Etablierte Supply-Chain-Prinzipien werden nicht erst hinterfragt, seit dem die Corona-Pandemie den internationalen Warenverkehr gestört hat. Die herkömmliche Produktionsweise, in der Rohstoffe extrahiert, zu Produkten verarbeitet und diese nach Ablauf ihrer Lebenszeit als Abfall entsorgt werden, ist ein Auslaufmodell. Angesichts globaler Herausforderungen und des Zwangs zur Klimaneutralität und Nachhaltigkeit, ist dieses lineare Wirtschaften nicht mehr haltbar.

Die Zukunft gehört der Circular Economy. Dabei geht es vereinfacht darum, Materialien und Komponenten aller Art in einem stetigen und nachhaltigen Kreislauf zu halten. Konsequent umgesetzt, könnte dieses Prinzip künftiges Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln.

Auch die Logistik wird durch diese Kreislaufwirtschaft grundlegend verändert und muss sich neu aufstellen. Heute funktioniert sie noch vor allem linear als Teil herkömmlicher Supply Chains. Primäre Aufgaben sind Belieferung, Bewältigung anschließender Abfallströme, gelegentliches Recycling und einige Retouren. In der Circular Economy verschwinden solche linearen Ströme größtenteils und werden durch vielfältige, komplexe Rückführungs- und Einführungsflüsse ersetzt.

Circularity Gap Report 2021
der weltweit verbrauchten Materialien waren Sekundärrohstoffe – viel zu wenig, um globale Klimaziele zu erreichen.

Die zukünftige zentrale Rolle der Logistik

Der Logistik als Dreh- und Angelpunkt zukünftiger Geschäftsmodelle fällt dabei eine zentrale Rolle zu. Sie wird mehr und wichtigere Aufgaben übernehmen – und zugleich kleinteiliger und lokaler werden. Sowohl Verlader als auch Logistikdienstleister werden in der Circular Economy eine Transformation durchgehen:

  • Produzierende Unternehmen müssen ihr Produktdesign hinterfragen und Produkte neu denken, um Zirkularität zu ermöglichen. Das betrifft den Produktaufbau für einen einfachen Austausch von Komponenten ebenso wie die Trennung in Bestandteile und den Einsatz neuer und nachhaltiger Rohstoffe. Betrachtet werden muss der ganzheitliche Produktzyklus.
  • Logistikdienstleister müssen die dafür nötige Infrastruktur neu schaffen und flächendeckend anbieten.
Circular Economy Zielsetzung in den Niederlanden
Bis zu diesem Jahr wollen die Niederlande ihre Wirtschaft komplett auf wiederverwertbare Materialien umstellen – ein mögliches Vorbild für den Green Deal der EU und zirkuläre Logistik.

Ein neues Supply-Chain-Modell zur Darstellung der zukünftigen Warenflüsse

Angesichts der bevorstehenden Transformation müssen heutige Supply-Chain-Modelle aktualisiert werden. Insbesondere die lineare Einbahnstraßen-Struktur des Supply-Chain-Operations-Reference-Modell (SCOR) entspricht nicht mehr den Ansprüchen der Circular Economy.

Das neue Circular-Supply-Chain-Modell von EY macht deutlich, dass es künftig nicht mehr nur ums Produzieren und Nutzen geht. Es schließt den Kreislauf vom Endkunden zum Vorlieferanten, wurde um neue Aktivitäten wie Sammeln und Aufbereiten erweitert und zwischen die einzelnen Wertschöpfungsstufen treten Mikrokreisläufe – sogenannte Sub-Supply-Cycles.

Zyklus Supply Chain Modell

Auf die Endkundenstufe folgt nun ein neuer Prozess mit den Schritten Sammeln, Überprüfen und Aufbereiten. Zur Aufbereitung gehören unter dem Begriff „Re-X“ verschiedenste Schritte, etwa:

  • Recovery (Wiedergewinnung)
  • Reuse (Wiederverwendung)
  • Repair (Reparatur)
  • Refurbishing (Generalüberholung)
  • Remanufacturing (Refabrikation)
  • Repurpose (Alternativer Einsatz)
  • Reduce (Materialreduktion)
  • Recycling (Wiederaufbereitung)

Dabei wird die Frage geklärt, ob ein Produkt direkt in den Second-Hand-Markt geht, aufgearbeitet werden kann oder in seine Bestandteile zerlegt werden muss. Je nach Antwort gehen das Produkt oder seine Komponenten an unterschiedlichen Stellen wieder in die Lieferkette ein. Bei der Beantwortung dieser Frage entsteht ein neues Geschäftsfeld, welches durch Logistikdienstleister besetzt werden kann.

Neue Chancen und Business-Felder für die Logistik

Da die Logistik der Motor der Circular Economy ist, verändern oder erweitern sich ihre Geschäftsfelder – und neue können erschlossen werden. Das betrifft auch die Kundenbeziehungen und Berührungspunkte mit diesen. Durch Rezirkulation entstehen neue Märkte, beispielsweise für Ersatzteile oder Pay-per-Use-Modelle, mit denen neue Kundengruppen adressiert werden können. Logistiker können sich vom Dienstleistungsunternehmen zum wertschöpfenden Mitglied in der Lieferkette weiterentwickeln.

Weil die Circular Economy den Primärrohstoffbedarf verringert, gibt es bei gleichbleibend nachgefragten Produkten erheblich weniger globale Beschaffungstransporte. Gleichzeitig steigt, insbesondere aufgrund der Warenzirkulation, der Bedarf nach lokalen und regionalen Transporten. Aus einem Produkt werden viele verschiedene, für alle braucht es eigene zustandsspezifische und somit individuelle Logistiklösungen, auch Bündelungskonzepte werden von Bedeutung sein. Dienstleister müssen nachhaltige Angebote schaffen, die sich unterm Strich nicht negativ auf den CO2-Fußabdruck auswirken und auch gesellschaftliche Akzeptanz finden.

Zugleich entstehen neue logistiknahe Geschäftsfelder. So müssen zurückgeführte Waren individuell zerlegt, aufbereitet oder repariert und einer weiteren Verwendung als Rohstoff, Ersatzteil oder auf den Second-Hand-Markt zugeführt werden. Logistikdienstleister stehen sowieso an zentraler Stelle und können diese neuen Aufgaben übernehmen, statt nur zu transportieren und zu lagern. Solche Value Added Services sind auch margenträchtiger als das herkömmliche Geschäft. Als Vorbild kann die Automobilindustrie dienen. Hier haben sich Services wie die Vormontage von Komponenten schon lange etabliert.

Herausforderungen in der Kreislaufwirtschaft

Sind die Logistiker allerdings nicht in der Lage, zukünftige Zusatzaufgaben in der Circular Economy zu übernehmen, werden andere Anbieter diesen Platz einnehmen und als neue Akteure das Spiel bestimmen. Produzierende Unternehmen stehen in der Circular Economy nicht nur vor der großen Aufgabe, ihre Produkte neu zu gestalten, damit sie eine längere Lebensdauer überstehen und industrieller zerlegt werden können. Ihre Logistikverantwortlichen werden es außerdem mit kürzeren Zyklen und einer größeren Anzahl an Akteuren zu tun haben.

Dies alles führt zu einer noch höheren Dynamik bei Transport und Lagerung, die es zu planen und zu steuern gilt. Umfassende Digitalisierung ist die Grundvoraussetzung dafür. Der übergreifende Informationsaustausch von Datenströmen vieler Prozessbeteiligter muss sichergestellt sein.

Durch ihre zentrale Position wird die Logistik – auf Basis regulatorischer Bestimmungen – die technologischen Grundlagen schaffen müssen, um Datenlieferant und Drehscheibe zu sein. Große Mengen an Informationen werden, teils in Echtzeit, im Sinne der Industrie 4.0 zwischen den Schnittstellenpartnern hin und her fließen. Die Logistik muss die Erhebung und Verteilung der Daten sicherstellen und dafür sorgen, dass ein reibungsloser, transparenter und rechtssicherer Datentransfer stattfinden kann.

Nötige Schritte der Transformation

In künftigen Ökosystemen konkurrieren Hersteller, Logistikdienstleister und Newcomer um neue Wertschöpfungsschritte. Gewinnen wird, wer zuerst mit einem hohen, datengestützten Automatisierungsgrad die übergreifenden Abwicklungskosten attraktiv macht.

Damit eine Kreislaufstrategie gelingt, müssen alle Ökosystempartner, also auch Lieferanten und Hersteller, sich diesem Prozess verschreiben und als gemeinsame Einheit handeln. Während jedes Unternehmen für sich etwa den Weg zur Digitalisierung beschreiten kann, ist die Kreislaufwirtschaft so komplex und es gibt so viele Akteure, dass kein Unternehmen allein ganzheitlich zirkulär werden kann. Die Ökosystempartner sollten sich die kommenden Aufgaben gut aufteilen, denn aufgrund der neuen Materialflusskomplexität kann keiner alles selbst erledigen.

Damit eine Kreislaufstrategie gelingt, müssen alle Ökosystempartner, also auch Lieferanten und Hersteller, sich diesem Prozess verschreiben und als gemeinsame Einheit handeln.

Eine Skalierung kann erfolgreich sein, wenn Hersteller verschiedener Branchen im Sinne der Shared Economy auf das gleiche Ökosystem und seine Logistikdienstleister zugreifen. Sollte so ein übergreifendes Ökosystem am Markt nicht entstehen, muss jede Branche eigene Strukturen mit gemeinsamen Dienstleistungsgesellschaften aufbauen. Nur wenn Volumen übergreifend gebündelt und Logistikressourcen optimal ausgenutzt werden, kann die Circular Economy wirtschaftlich und nachhaltig funktionieren.

Viele der nötigen Strukturen für physische Warenbewegungen und Bearbeitungsschritte müssen noch geschaffen werden – insbesondere lokale und regionale Sammel- und Sortierstellen sowie Aufbereitungsanlagen und Werkstätten. Neben der Industrie 4.0 als Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Transformation, können die Technologien des digitalen Zwillings – Szenarienbildung zur Predictive Recirculation – oder Blockchain Technologien – Smart Contracts zur Bewältigung zunehmender Schnittstellen – als Enabler fungieren.

Auch bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen muss noch einiges passieren. Verbände fordern eine gleichwertige Behandlung von Primär- und Recyclingrohstoffen, was auch den Warenfluss erleichtern würde. Um die Förderung von nachwachsenden Rohstoffen in der Verpackungsindustrie zu beschleunigen, gibt es bereits ein regionales Beispiel zur einer Verpackungssteuer in Deutschland, dies ist jedoch erst der Anfang. Wenn Zölle für Neuwaren zunehmend wegfallen, werden Staaten die Im- und Exportströme gebrauchter Waren als Einnahmequellen stärker ins Visier nehmen. Unternehmen müssen solche Änderungen von Zoll- und Steuerfragen bei der Kalkulation ihrer Landed Costs berücksichtigen.

Zusammengefasst bedarf es für die durch Circular Economy geforderte Transformation ein Neudenken der aktuellen Warenflüsse und Erstellung von Transparenz in der bestehenden Infrastruktur. Davon abgeleitet sollten neue und ganzheitliche Supply-Chain Prozesse und Flüsse konzipiert und etabliert werden, immer unter Berücksichtigung des Kunden. Es gilt: Survival of the fittest – Wer zuerst handelt und die Produkt- und Infrastruktur für die individualisierten Warenflüsse in der Circular Economy schafft, bestimmt die Logistik und Kundenbeziehungen von morgen.

Fazit

Wenn die Industrie neue Herausforderungen entschlossen angeht und auch der Gesetzgeber die notwendigen Grundlagen schafft, bietet die Circular Economy der Logistik große Chancen und die Aussicht auf ebenso profitables wie nachhaltiges Wachstum. 

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