Lithiumbromid-Absorptionswärmepumpe im Kraftwerk

Wie industrielle Wärmepumpen ungenutzte Potenziale erschließen können

Verwandte Themen

Über 95 % der industriellen Abwärme bleiben ungenutzt – Wärmepumpen als ideale Schlüsseltechnologie, um Potenziale zu nutzen 


Überblick

  • Die Industrie hat mit fast 30 % den größten Anteil am Energiebedarf in Deutschland.
  • Die Abwärme aus industriellen Prozessen bleibt zu 95 % noch ungenutzt. 
  • Mit Hochtemperatur-Wärmepumpen ließe sich das Potenzial gewinnbringend nutzen. Das spart fossile Energie und hilft dem Klima.

Metall bearbeiten und veredeln, Lebensmittel kühlen, Textilien trocknen: Von allen Sektoren in Deutschlang hat die Industrie den größten Anteil am Energiebedarf. Knapp zwei Drittel davon werden für Wärme benötigt, allen voran für Prozesswärme, um Dampf zu erzeugen, Metalle und Kunststoffe zu erhitzen oder Rohstoffe zu trocknen. Die Abwärme aus industriellen Prozessen wird hierzulande jedoch bislang kaum genutzt – ein Verlust von mehr als 300 TWh in Deutschland jedes Jahr. Häufig wird sogar noch zusätzliche Energie aufgewendet, um die Abwärme auf ein moderates Maß abzukühlen und dann ungenutzt in die Umwelt abzugeben. Mit Wärmepumpen ließe sich das Potenzial der Abwärme gewinnbringend ausschöpfen. Vor diesem Hintergrund haben EY-Parthenon und die YANMAR Energy System Europe GmbH aus Marl, ein Tochterunternehmen eines der führenden japanischen Maschinenbauunternehmen, in einer gemeinsamen Studie das Marktpotenzial von Hochtemperatur-Wärmepumpen (HTWP) genauer untersucht.

Hochtemperatur-Wärmepumpen kommen grundsätzlich überall dort infrage, wo Prozesswärme mit einer Temperatur von bis zu 150 °C benötigt wird, etwa in der Lebensmittel-, Papier- oder Chemieindustrie, wo Niedrigtemperaturdampf zur Trocknung, zum Sterilisieren und Pasteurisieren oder für Destillationsprozesse eingesetzt wird. Über einen Wärmetauscher wird die Temperatur der vorhandenen Abwärme aus Kühl- oder Schmelzprozessen zurückgewonnen und effizient in den Produktionsprozess zurückgeführt – ein Kreislauf im Sinne einer Circular Economy, der Energie und CO2 spart.

EY-Parthenon Analyse: Vergleich des Gesamtenergiebedarfs in Deutschland

Marktpotenzial von Industriewärmepumpen

Das Marktpotenzial industrieller Wärmepumpen ist enorm, insbesondere in Schlüsselindustrien wie der Nahrungsmittel- und Getränkeherstellung, der Chemie- und Pharmaindustrie, der mechanischen Fertigung und der Textilindustrie, wo hohe Energiekosten eingespart werden können. Jährlich gehen hier etwa 3,5 TWh Energie verloren, die durch Wärmepumpen nutzbar gemacht und im Prozess wieder eingesetzt werden könnten.

Im Nahrungsmittel- und Getränkebereich eignen sich besonders Prozesse mit Temperaturanforderungen von etwa 50 bis 90 °C wie Brühen und Waschen sowie teilweise Erhitzungs- und Kochprozesse (120 °C) und Destillieren (100 °C) zur Wiederverwendung der Abwärme.

In der Chemie- und Pharmaindustrie könnte am meisten Energie eingespart werden, da etwa 23 % der Abwärme aus industriellen Prozessen ungenutzt bleiben. Diese Wärme könnte insbesondere bei Erhitzungs- oder Kochprozessen wiederverwendet werden.

Auch in der mechanischen Fertigung geht jährlich eine beträchtliche Menge Energie verloren, die durch Wärmepumpen effizient genutzt werden könnte, beispielsweise bei Reinigungs- oder Oberflächenbehandlungsprozessen.

Die gemeinsame Studie von EY-Parthenon und YANMAR zeigt ein Gesamtpotenzial von etwa 8.500 Hochtemperatur-Wärmepumpen in Deutschland (jeweils mit einer Leistung von 100 kW) in diesen Schlüsselindustrien. Experten erwarten, dass das Potenzial von Industriewärmepumpen bis 2030 weiter zunimmt. Trotz aktueller Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz wird prognostiziert, dass die Menge der durch Wärmepumpen nutzbaren Abwärme jährlich um etwa 3 % steigen wird, da ein größerer Anteil (ca. 40 %) der gesamten Abwärme für die Aufbereitung geeignet sein wird.

Marktpotenzial
bisher ungenutzte Energie könnten in Schlüsselindustrien wie der Nahrungs- und Getränkeindustrie, der Chemie- und Pharmaindustrie, der mechanischen Fertigung und der Textilindustrie durch Wärmepumpen genutzt werden.

Mit weniger als 5 % der installierten Leistung fristen Hochtemperatur-Wärmepumpen in der deutschen Industrie allerdings noch ein Nischendasein. Vor dem Hintergrund der Ziele der EU zur Dekarbonisierung der Industrie und Netto-null-Emissionen wird Energieeffizienz jedoch zunehmend ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt, sodass auch YANMAR das Thema „Industrielle Abwärmenutzung“ schon länger fest in die Unternehmensstrategie aufgenommen hat. Durch Angleichung von Gas- und Strompreisen, EU-Regulierungen zur Förderung von Energieeffizienzlösungen und zusätzliche Anreize wie Zuschüsse, zinsgünstige Darlehen und lokale Programme wird die Markteinführung von Wärmeerzeugung aus nichtfossilen Brennstoffen (insbesondere HTWP) zunehmend begünstigt. Flankiert durch ein wachsendes Bewusstsein für die Dringlichkeit, sich mit Energieeffizienz zu befassen, steigt somit die Bedeutung alternativer Heizmethoden enorm und Experten prognostizieren einen deutlichen Anstieg von Hochtemperatur-Wärmepumpen bis 2030. Die Elektrifizierung wird als Schlüsselinstrument betrachtet, und die Wärmepumpe ermöglicht die Nutzung vorhandener Abwärme, reduziert den Primärenergieeinsatz und verringert gleichzeitig den CO2-Fußabdruck. Wenn der Staat die Elektrifizierung in industriellen Produktionsprozessen unterstützt, wird das der Technologie einen zusätzlichen Schub verleihen.

Vorreiter bei der Integration von Wärmepumpen in der Industrie sind die skandinavischen Länder. Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark setzen schon lange auf Strom statt auf Gas, beflügelt durch geringe Preisunterschiede zwischen den beiden Energieträgern. In Nordamerika steckt die Technologie dagegen noch in den Anfängen. Niedrige Preise für fossile Energie schaffen hier wenig Bewusstsein oder Handlungsdruck. Spätestens seit der Energiekrise zu Beginn des Ukraine-Krieges findet in Deutschland und der EU ein Umdenken statt. Aus Sorge um ihre Produktion sind Unternehmen auf der Suche nach Alternativen zu Gas und anderen fossilen Energieträgern. Den Markt für Industriewärmepumpen hat die gestiegene Nachfrage aus der EU und Deutschland damit in kürzester Zeit angekurbelt.

Eine stark wachsende Nachfrage, hohe Profitabilität und wiederkehrende Erlöse durch Serviceverträge: Der Wärmepumpenmarkt bietet große Chancen sowohl für mittelständische als auch für global agierende Hersteller. 

Herausforderungen und Chancen für Deutschland

Der erfolgreiche Einsatz von Wärmepumpen in der Industrie ist unter anderem getrieben durch das Verhältnis zwischen Gas- und Strompreisen. Der Umstand, dass in Deutschland Gas im Verhältnis 1 zu 3 günstiger ist als Strom, dämpft derzeit noch die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpen und bremst die Investitionsfreude der Unternehmen. Doch steigende CO2-Preise und der Wunsch nach einer autarken Energieversorgung tragen zum Umdenken bei und die Vorteile der Technologie liegen klar auf der Hand.

Durch die Nutzung von Abwärme können Unternehmen nicht nur ihre Betriebskosten senken, sondern auch einen positiven Beitrag zur Energiewende und Dekarbonisierung leisten und damit ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen.

Durch die Nutzung von Abwärme können Unternehmen nicht nur ihre Betriebskosten senken, sondern auch einen positiven Beitrag zur Energiewende und Dekarbonisierung leisten und damit ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen. Beim Einsatz von grünem Strom kann CO2 sogar vollständig vermieden werden.

Am ehesten sind Industrieunternehmen, die heute schon Kältetechnik einsetzen, mit der Wärmepumpentechnologie vertraut. Neu ist lediglich die Anwendung. Doch die Zahlen sprechen für sich: Schon unter den gegebenen – zweifellos eher ungünstigen – Umständen rechnet sich die Investition in eine Wärmepumpe je nach Einsatzbereich nach zwei bis fünf Jahren.

Wärmepumpen als Schlüssel zur nachhaltigen Industrie

Es liegt nun an den Unternehmen, das Potenzial von Hochtemperatur-Wärmepumpen für verschiedene Anwendungsgebiete in ihrem Betrieb zu analysieren und Kosten-Nutzen-Rechnungen zu erstellen. Je nach Industriezweig bieten sich bestimmte Prozesse an, um mit der Umsetzung zu beginnen, beispielsweise Trocknen, Sterilisieren, Kochen oder Reinigen.

Auch für Investoren lohnt es sich, den Markt und die Entwicklungen des Ökosystems der industriellen Wärmepumpen im Auge zu behalten. Unternehmen, die sich als Vorreiter hervortun und sich an die Spitze des erwarteten Wachstums setzen, bietet sich die Möglichkeit, sich nachhaltig zu differenzieren und sich margenattraktiv zu positionieren, da die Einsparpotenziale bei Kunden zu erheblicher Zahlungsbereitschaft führen. Gemäß den Ergebnissen der gemeinsamen Studie von EY-Parthenon und YANMAR lässt sich ein realistisches jährliches Wachstum im mittleren bis höheren zweistelligen Bereich erwarten. Als führender Maschinenbauer investiert YANMAR weiter in die Entwicklung modularer industrieller Wärmepumpen, um Unternehmen die Nutzung dieser Potenziale zukünftig einfacher und skalierbar zu ermöglichen.

Der Einsatz industrieller Hochtemperatur-Wärmepumpen birgt somit das Potenzial für eine Win-win-win-Situation. Die Industrie profitiert von einem effizienteren Energieeinsatz, der Staat treibt die Dekarbonisierung voran und die Umwelt profitiert von reduzierten CO2-Emissionen. Mit dem richtigen Mix aus Bewusstseinswandel, Finanzinvestitionen und technologischer Innovation können Wärmepumpen einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der deutschen Industrie leisten.

Co-Autor: Götz von Steinitz, Michael Nisch (YANMAR)

Mehr zum Thema

Umwelt- und Klimaschutz werden erstmals seit der Energiekrise wichtiger

Umwelt- und Klimaschutz werden erstmals seit der Energiekrise wieder wichtiger. Weitere Informationen erhalten Sie hier kostenlos im EY Energie-Radar.

Innovationen für ein umweltfreundlicheres Gesundheitswesen

Nachhaltigkeit boomt wie nie zuvor. Im Gesundheitswesen hingegen scheint Nachhaltigkeit aber eher als Belastung wahrgenommen zu werden. Wie sich das Bild ändern kann.

    Fazit

    Von allen Sektoren in Deutschland hat die Industrie den höchsten Energiebedarf. Der größte Teil davon wird für Prozesswärme benötigt, die Abwärme wird jedoch kaum genutzt. Mit Hochtemperatur-Wärmepumpen ließe sich dieses Potenzial erschließen. Das rechnet sich, macht weniger abhängig von fossiler Energie und schützt gleichzeitig das Klima.

    Über diesen Artikel