Schatzruhe mit Münzen

Wie ESG Impact Valuation nachhaltiges Wachstum transparent macht

Unternehmen, die nur ESG-Berichtspflichten erfüllen, verschenken Chancen auf ein nachhaltiges Wachstum. 


Überblick

  • Ab 2024 weitet die neue ESG-Regulatorik die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen deutlich aus.
  • Bei der Datenerhebung greifen Unternehmen oft auf standardisierte Software zurück. Dabei verspielen sie die Chance auf ein nachhaltiges Wachstum.
  • Der Impact-Valuation-Ansatz bietet Einblicke in die Wertschöpfungskette und liefert Transparenz über die ESG-Wirkung für eine nachhaltige Unternehmensstrategie.

Die Europäische Union (EU) nimmt in der Gesetzgebung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zweifellos eine globale Vorreiterrolle ein. Um Daten aus den Bereichen Environmental, Social und Governance (ESG) hinsichtlich Umfang, Qualität und Relevanz an Finanzdaten anzugleichen, werden die Berichtspflichten durch Richtlinien und Verordnungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) oder die EU-Taxonomie kontinuierlich erweitert. Diese neuen Vorschriften betreffen immer mehr Unternehmen: Die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen im Geltungsbereich der CSRD steigt EU-weit von derzeit 11.600 auf 49.000 am 01.01.2024 beziehungsweise in Deutschland noch deutlicher von 550 auf etwa 15.000. Darüber hinaus haben auch Finanzunternehmen, Investoren und die Partner der Wertschöpfungskette (Lieferanten und Kunden) ein zunehmendes Informationsbedürfnis bezüglich der ESG-Performance von Unternehmen. 

Im Ergebnis verursacht der Trend zu ausführlicheren und umfassenderen Berichtspflichten zunächst erheblichen Umsetzungsaufwand. Denn die geforderte Datengranularität setzt die Einrichtung geeigneter IT-Systeme und Prozesse voraus. Die derzeit noch weit verbreitete manuelle Datenerhebung kann wegen ihrer hohen Fehleranfälligkeit und des geringen Automatisierungsgrades keine Dauerlösung sein. 

Schwerpunktsetzung marktgängiger Softwarelösungen schränkt Nutzbarkeit ein

Marktgängige Softwarelösungen und Tools können helfen, beispielsweise taxonomierelevante Geschäftsaktivitäten einfacher zu bewerten, ESG-Daten zu analysieren und erforderliche Kennzahlen automatisiert berechnen zu lassen.

Allerdings fehlt ihnen häufig die Möglichkeit, die gesamte Wertschöpfungskette zu beleuchten beziehungsweise alle unternehmensrelevanten ESG-Impacts zu bewerten. Das schränkt die Chancen ein, die sich aus den Berichtpflichten für die gesamte Unternehmensstrategie ergeben können.

Anteil der Scope 3-Emissionen an den Gesamtemissionen nach Sektoren
Anteil der Scope 3-Emissionen an den Gesamtemissionen nach Sektoren

Transparenz bei ESG-Wirkungen: Unternehmerischen Nutzen nicht unterbewerten

Unternehmen sollten daher die Verschärfung der Berichtspflichten als Gelegenheit nutzen, um strategisch in eine ESG-Bilanzierung zu investieren, die ihnen hilft, nicht nur die Berichtpflichten zu erfüllen, sondern auch nachhaltige Entscheidungen zu treffen. 

 

Heute bewegen sich bereits erste Unternehmen in Richtung einer integrierten Vision der Wertschöpfung, das heißt unter Einbeziehung der Wertschöpfung bei Stakeholdern (Shared Value) und der Gesellschaft (Externalität). So engagiert sich eine steigende Anzahl Unternehmen in Initiativen wie der Value Balancing Alliance (VBA) oder der International Foundation for Valuing Impacts (IFVI), um einheitliche Standards zur Messung und Bewertung der Wertschöpfung zu formulieren. Dabei treibt sie die Überzeugung, dass Unternehmen zunächst in der Lage sein müssen, die von ihnen geschaffenen gemeinsamen Werte und externen Effekte zu messen, um eine integrierte Sichtweise ihrer Auswirkungen zu erreichen. Zur internen Verankerung führen in jüngster Zeit immer mehr Unternehmen eine ökologischen oder soziale Gewinn- und Verlustrechnung ein – oder sogar eine „integrierte Gewinn- und Verlustrechnung“ unter Einbeziehung weiterer Dimensionen. 

 

Leitfaden zur Messung und Bewertung einer breiten Palette an Einflussfaktoren

Der Impact-Valuation-Ansatz dient dazu, diese Investitionen zu unterstützen und eine Bestimmung des „Total Impact Value“, also des gesamtes Wertbeitrags, zu erzielen. Dies betrifft den direkt vom Unternehmen geschaffenen Wertbeitrag (intrinsischer Wert), den Beitrag, der mit den Stakeholdern geteilt wird (Shared Value), und den Wertbeitrag der weiteren Auswirkungen des Unternehmens auf die Gesellschaft im Allgemeinen (Externalitäten). Dabei kann eine breite Palette an Einflussfaktoren flexibel berücksichtigt werden, zum Beispiel die folgenden: 

  • Umweltwirkungen: Luftverschmutzung, Treibhausgasemissionen, Landnutzung, Biodiversität, Abfallerzeugung, Wasserverbrauch und Wasserverschmutzung
  • Soziale Themen: Gesundheit und Sicherheit, Bildung, faire Löhne, Risiko von Kinderarbeit oder auch die Diversität der Mitarbeitenden

Eine Impact-Valuation-Analyse liefert Erkenntnisse über die monetarisierten Auswirkungen der Ergebnisse und deren Wesentlichkeit.

 

Total Impact Value 
Total Impact Value

Ein Impact-Valuation-Ansatz bietet einen pragmatischen Leitfaden zur Messung und Bewertung der Auswirkungen, der über die Standardberichterstattung hinausgeht. Dabei baut er auf vorhandenes Wissen und Methoden aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen auf. Er folgt einer Wirkungslogik, die die verketteten Aspekte der klassischen Berichterstattung Input und Output um den Aspekt Value ergänzt. Um beispielsweise externe Umweltauswirkungen zu messen, würde man typischerweise eine ökonomische Input-Output-Modellierung (I-O-Modellierung) mit Lebenszyklusanalysen (LCA) und verfügbaren Bewertungsansätzen verwenden. Der Impact-Valuation-Ansatz sollte als ein Ansatz betrachtet werden, der die verfügbaren Instrumente und Techniken in einer integrierten Weise nutzt.

Erweiterte Wirklogik
Erweiterte Wirklogik

Ein Impact-Valuation-Ansatz zielt darauf ab, mehrere Grundsätze und Konzepte zu harmonisieren, die auch in anderen Standards wie denen der Global Reporting Initiative und in der Ermittlung der sozialen Investitionsrendite enthalten sind. Die Schlüsselprinzipien einer Impact-Valuation-Analyse sind dabei die folgenden:

  • Einbeziehung der Stakeholder: Da eine Impact-Valuation-Analyse die Auswirkungen eines Unternehmens auf die Stakeholder misst, sollten die betroffenen Stakeholder bestmöglich mit einbezogen werden. 
  • Wesentlichkeit: Eine Impact-Valuation-Analyse sollte sich darauf fokussieren, die Aspekte zu bewerten, die für das Unternehmen und seine Stakeholder am wichtigsten sind. Hier kann eine anfängliche und umfassende Analyse auch Aufschluss über die Wesentlichkeit einzelner Aspekte geben, wie bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse (DMA) der CSRD.
  • Transparenz: Eine transparente, überprüfbare und reproduzierbare Analyse schafft Vertrauen und Nutzen für die Entscheidungsfindung.
  • Ausgewogene Sichtweise und Fairness bei der Zurechnung: Eine Impact-Valuation-Analyse sollte positive wie auch negative Aspekte berücksichtigen, um Greenwashing zu vermeiden und eine ausgewogene Sichtweise zu gewährleisten. Ein Impact Value sollte nicht verwendet werden, um zum Beispiel soziale Vorteile „überzubewerten“ oder „unterzubewerten“.
  • Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Aktualität: Es sollten Datenquellen möglichst hoher Qualität in die Analyse einfließen, um zuverlässige und qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen, die ein belastbares Fundament für eine optimierte Entscheidungsfindung ermöglichen.
  • Konsistenz, Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit: Ein konsistenter Ansatz zur Bewertung der verschiedenen Auswirkungen gewährleistet deren Vergleichbarkeit. Dazu zählt die Wahl eines ähnlichen Umfangs, ähnlicher Grenzen und eines ähnlichen Zeithorizonts. Dies sichert auch eine Übertragbarkeit des Ansatzes auf spätere Zeithorizonte oder auf andere Unternehmensteile.

Darüber hinaus gestattet der Ansatz auch eine Generierung vorwärts- wie auch rückwärtsgerichteter („nachlaufender“) Informationen. Zum Beispiel könnte eine „Ex-post“-Analyse Informationen der Vergangenheit verwenden, um zu beurteilen, ob die gewählte Strategie oder Maßnahmen eines Unternehmens erfolgreich waren beziehungsweise wo Anpassungsbedarf besteht. Demgegenüber nutzt eine „Ex-ante“-Analyse vorwärtsgerichtete („vorausschauende“) Informationen in Form einer Szenarioanalyse oder eines Business Case. So kann beispielsweise ermittelt werden, welche der geplanten alternativen Investitionen in Produktionsstätten den voraussichtlich höchsten Total Impact Value erzielen würde. 

 

Der Impact-Valuation-Ansatz bietet einen anwendungsbezogenen Leitfaden und führt mehrstufig zur Messung und Bewertung der Auswirkungen beziehungsweise Impacts. Dabei baut er auf vorhandenes Wissen und Methoden aus verschiedenen Bereichen und Disziplinen auf.

  1. Zielsetzung: Dient der Ansatz als Input für eine Diskussion über eine strategische Neupositionierung? Oder als Beschleuniger für die Innovation von Produkten oder Dienstleistungen? Oder gar, um eine „license to operate“ aufzuzeigen? Sollte die Analyse rückwärts- oder vorwärtsgerichtet sein?
  2. Analyse der Wesentlichkeit: Welche Form von Kapital ist am stärksten betroffen? Wo liegen die Grenzen der Auswirkungen? Welche Auswirkungen fallen in die Zielsetzung der Analyse?
  3. Wirkungspfade: Wie sieht eine qualitative Abbildung der wesentlichen Treiber und Wirkungen entsprechend der Wirklogik Input – Output – Outcome – Impact – Value aus?
  4. Mess- und Bewertungsansatz: Was sind die relevanten Leistungsindikatoren und welche Datenquellen gibt es? Was sind mögliche Einschränkungen im Wertschöpfungsmodell und wo sind eventuell Schätzungen nötig?
  5. Datenerfassung und -analyse: Welche Wechselbeziehungen bestehen zwischen den Produktionsfaktoren? Wie sind die verschiedenen Stakeholder-Gruppen betroffen? Welche Auswirkungen gibt es auf die Gesellschaft? Welches sind die Hebel, die den Total Value erhöhen können?
  6. Sicherheit und Kommunikation: Wie kann die Bestätigung durch Dritte die Genauigkeit und Glaubwürdigkeit der Analyse erhöhen? Wie erfüllen Unternehmen ihre Berichtspflichten und wie kommunizieren sie die Ergebnisse intern und extern, je nach Zielsetzung?
  7. Was nun? Aktionsplan: Wie verstehen Unternehmen die Hebel des Wandels, um die Auswirkungen weiter zu optimieren? Wie definieren sie den Aktionsplan?

Breites Anwendungsspektrum über die Berichterstattung hinaus

Eine Impact-Valuation-Analyse hat ein breites Anwendungsspektrum. Das letztendliche Ziel besteht nicht darin, einen „Pauschalwert“ für den Impact Value selbst zu liefern. Eine quantitative Analyse der Wertschöpfung in den verschiedenen Wirkungskategorien gibt Aufschluss über deren individuelle Größenordnung und Wesentlichkeit. Damit liefert die Analyse eine Grundlage für die Entscheidungsfindung, wie diese Auswirkungen beeinflusst werden können. 

 

Die folgenden Anwendungsbereiche sind beispielhaft und in ihrer Tiefe, ihrem Umfang und ihrem Zweck sehr unterschiedlich. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass eine Impact-Valuation-Analyse als solide Entscheidungshilfe dient, indem sie positive wie auch negative Values transparent macht. 

Fazit

Die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung werden hinsichtlich des Umfangs und der Anzahl der betroffenen Unternehmen deutlich ausgeweitet. Dem Umsetzungsaufwand stehen Chancen gegenüber, sich mit den Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft stärker zu beschäftigen und diese nicht nur bei Produktinnovationen, sondern auch bei weiteren Entscheidungen mit einzubeziehen. Dies sichert die Basis für ein nachhaltiges Wachstum.

Ein Impact-Valuation-Ansatz ist ein flexibler und konsistenter Lösungsansatz zur Unterstützung der ESG-Nachhaltigkeitsberichterstattung und geht darüber hinaus. So ermöglicht er die Bestimmung von Impacts auf Unternehmens-, Produkt- oder auch auf Lieferantenebene, gibt Unternehmen Indikationen zu Risiken und Chancen und legitimiert ihre „licence to operate“ durch nachhaltige Entscheidungsfindung.

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