Ob CSRD, LkSG, CSDDD oder CBAM – überall wird gefordert, die Risiken zu erheben und zu bewerten. Entsprechend kommen diese Erhebungen auch als Datenbasis und Kommunikationskanal für das Risikomanagement infrage. ESG-Regularien eröffnen damit eine entscheidende Chance für ein zukunftsorientiertes Risikomanagement.
ESG-Standards als wesentliches Steuerungsinstrument für das Risikomanagement
Für das Risikomanagement bedeutet das, das Ressort pragmatisch auszurichten, Risikosynergien zu identifizieren und ESG-Kennzahlen als wesentliches Steuerungsinstrument für eine pflichtgemäße Berichterstattung zu nutzen. Sowohl die Methoden als auch die Operationalisierung bieten Potenzial für eine kosteneffizientere Einhaltung der Vorschriften. Das beginnt bei den organisatorischen Strukturen und der Frage, welche Fachbereiche welche Themen aus der CSRD, dem LkSG, der CSDDD oder dem CBAM inwieweit abdecken können und wie effektiv die Schnittstellen aufgebaut sind. Dabei können Aufwände für die Beschaffung und Verarbeitung der Daten durch Berücksichtigung wertvoller Interdependenzen minimiert und die Gesamtaussage für das Unternehmen maximiert werden.
Synergien beschränken sich aber nicht auf thematische Fragen wie Überschneidungen bei der Datensammlung oder Überlappungen unterschiedlicher Regularien auf nationaler und multilateraler Ebene. Ebenso wichtig sind methodologische Synergien, sei es bei der Bewertung der Wesentlichkeit, der Transparenz der Wertschöpfungskette, Präventionsmaßnahmen oder dem Reporting.
Nehmen wir ein Beispiel aus Social. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) behandelt das Thema Zwangsarbeit umfassend im Rahmen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Diese Standards erfordern die Offenlegung von wesentlichen Risiken und potenziellen negativen Auswirkungen, die mit Zwangsarbeit verbunden sein könnten, sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in seiner Wertschöpfungskette.
Zu den spezifischen Offenlegungspflichten gehört die Identifikation von Bereichen im Unternehmen und geografischen Regionen mit erhöhtem Risiko für Zwangsarbeit. Unternehmen müssen darstellen, wie solche wesentlichen Risiken in der Geschäftsstrategie und im Geschäftsmodell berücksichtigt werden und welche Maßnahmen ergriffen werden, um Zwangsarbeit zu verhindern. Die Prävention von Zwangsarbeit ist ein Beispiel für thematische Überschneidungen zwischen verschiedenen ESG-Regularien. Themenbezogene Parallelen auf detaillierter Ebene zwischen den ESRS, der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) können dabei identifiziert werden.
Des Weiteren wurde von der „Platform on Sustainable Finance“, die von der EU-Kommission etabliert wurde, ein Bericht veröffentlicht, der eine Erweiterung der EU-Taxonomie beschreibt, die in Zukunft ergänzend zu den Umweltzielen auch soziale Ziele umfassen soll („Social Taxonomie“). In diesem Bericht werden verschiedene Sub-Ziele definiert, die unter anderem auf Zwangsarbeit eingehen und vorsehen, „sofortige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Zwangsarbeit und Ausbeutung von Arbeitskräften zu beenden, mit besonderem Bezug auf Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund“ (S. 36, Final Report on Social Taxonomy, 02.2022).
Zukunftsorientierte Nutzung im Risikokontext geht deutlich über Steuerungsgrößen hinaus
Risikomanager, die Synergien zwischen den diversen internationalen Vereinbarungen, die für ihr Unternehmen relevant sind, identifizieren, nutzen und bei der Implementierung von Anfang an berücksichtigen, können entsprechend Zeit-, Aufwand- und Kostenvorteile für ihr Unternehmen erzielen.
Die Vorteile gehen aber deutlich über diese direkten Synergien und die Nutzung von ESG-Kennziffern als Steuerungsgrößen hinaus. Die gründliche Auswertung der ESG-Informationen kann die regulatorische Resilienz verbessern, den Kapitalaufwand und Investitionen optimieren, das Performance-Management stärken und zu Anpassungen im Geschäftsmodell führen.
Vom Reporting zur umfassenden Risikoprognose
Aufgabe der Risikomanager ist es auch, den Blick vom oft kurzfristig ausgerichteten Reporting von ESG-Risiken strategisch und langfristig in die Zukunft zu richten. Im Rahmen dieses Paradigmenwechsels werden ESG-Anforderungen Teil des grundsätzlichen Managements von Risiken mit dem Schwerpunkt Risikoprognose.
Gleich mehrere Vorfälle, die bisher als sogenannte „Schwarze Schwäne“ galten – unvorhergesehene, seltene Ereignisse mit erheblichem Einfluss wie die Corona-Pandemie oder ein Krieg auf europäischen Boden –, haben in den vergangenen Jahren deutlich gemacht, dass Risiken regelmäßig neu und auf Szenarien basierend bewertet werden müssen. Das Risikomanagement muss sich darauf einstellen und entsprechend befähigt und vorbereitet werden. Zudem sollte es die Risikobewertungen auf datenbasierte Annahmen und Analysen stützen. ESG-Regularien können einen wichtigen Ansatz liefern, um die Risikoeinschätzung innovativ und dynamisch zu halten. Überraschungen wie die Insolvenz des Energieversorgers in Kalifornien werden so zwar nicht ausgeschlossen, sie können jedoch besser gesteuert werden.