Eine Frau im Laborkittel forscht und visualisiert die Daten auf einem Computerbildschirm

Wie kann künstliche Intelligenz zum Schlüssel werden, der der deutschen Biotech-Branche neue Türen öffnet?

Erfahren Sie, wie KI die deutsche Biotech-Branche revolutioniert – Insights und Analysen im "German Biotechnology Report 2024".


Überblick

Der „German Biotechnology Report 2024“ bietet auch in diesem Jahr eine grundlegende Analyse der Branche und liefert detaillierte Einblicke in die entscheidende Rolle, die künstliche Intelligenz (KI) in der Wertschöpfungskette schon jetzt spielt. Erfolge der Biotech-Branche werden gefeiert – allerdings werden ebenso Hürden genannt, die die hiesige Sektorenlandschaft nach wie vor prägen.

  • KI treibt pharmazeutische Innovation voran, mit 490 neuen Wirkstoffkandidaten pro Jahr.
  • Trotz Umsatzrückgang wächst die deutsche Biotech-Branche: 10% mehr Beschäftigte, 4,4 Mrd. € in F&E.
  • Kapitalaufnahme steigt um 17%, doch Frühphasenfinanzierung und IPOs bleiben Herausforderungen.

Ob es um die Simulation klinischer Studien, die Auswertung großer Datenmengen oder die Entwicklung personalisierter Medikamente geht: Die Biotech-Branche steht bei den Implementierungsmöglichkeiten von Anwendungen aus dem Bereich künstlicher Intelligenz (KI) am Anfang einer Entwicklung, die ein riesiges Potenzial birgt, um die nächste Phase der biowissenschaftlichen Innovation einzuläuten.

Nehmen wir als Beispiel die Arzneimittelforschung – den bisher fortschrittlichsten und wirkungsvollsten Anwendungsbereich von KI-Programmen in der (Bio-)Pharmazie. KI kann dabei helfen, umfangreiche biologische und genetische Datensätze zu analysieren und zu interpretieren, neue Ziele zu identifizieren und zu validieren und das Screening von Arzneimittelkandidaten, die Entwicklung neuartiger Verbindungen und die Vorhersage der potenziellen Toxizität von Verbindungen in einem frühen Stadium des Arzneimittelforschungsprozesses zu verbessern. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren wurden etwa 60 Wirkstoffkandidaten mithilfe von KI entwickelt, heute sind es schon 490 pro Jahr

Diese Beispiele und ersten Erfolge machen – neben innovativen Produkten und gut gefüllten Pipelines – Hoffnung für „Biotech made in Germany“. Dies spiegelt sich auch in Zahlen wider: Laut den meisten Branchenkennzahlen war 2023 ein Jahr der Expansion für den deutschen Biotech-Sektor. Während die Anzahl der Unternehmen um 3 % auf 996 leicht anstieg, wuchs die Belegschaft um starke 10 % und überschritt die Marke von 60.000 Personen. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung stiegen um 10 % auf 4,4 Milliarden Euro – ein sehr positives Zeichen für eine Branche, die grundlegend auf die Stärke ihrer eigenen Innovationsfähigkeit angewiesen ist.

Eine Ausnahme bilden die Umsätze mit einem starken Rückgang um 51 % auf 12,7 Milliarden Euro, hauptsächlich aufgrund der gesunkenen Nachfrage nach COVID-19-Impfstoffen. Verglichen mit dem Vor-Pandemie-Jahr 2019 zeigen die Umsätze privater und öffentlicher Unternehmen jedoch einen Aufwärtstrend mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 24 %.

Kapitalaufnahme von Deutschen Biotech-Unternehmen
Im Vergleich zum Vorjahr +17%

Die Kapitalaufnahme stieg im Jahr 2023 auf 1,1 Milliarden Euro – ein Plus von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als 921 Millionen Euro eingesammelt werden konnten. Der aktuelle Wert liegt damit wieder in etwa auf dem Vor-Pandemie-Niveau – allerdings deutlich unter den Summen, die während der Corona-Krise 2020 (3,1 Milliarden Euro) und 2021 (2,3 Milliarden Euro) in der Biotechnologiebranche in Deutschland erzielt wurden. Im Verlauf der Krise konnten zahlreiche hiesige Unternehmen des Sektors mit ihrer Expertise einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie weltweit leisten.

 

Frühphasenfinanzierung bereitet Sorgen: niedrigster Wert seit sechs Jahren

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Herausfordernd bleibt die Lage vor allem in Bezug auf die Frühphasenfinanzierung zu Beginn der Unternehmensgründung. 2023 wurde Kapital in Höhe von 203 Millionen Euro von Biotech-Start-ups in der Frühphase eingesammelt, was den geringsten Wert der vergangenen sechs Jahre darstellt und auch deutlich unter dem Schnitt dieses Zeitraums (325 Millionen Euro) liegt. Insgesamt gab es 18 Investitionsrunden in der Frühphase, das durchschnittliche Transaktionsvolumen schrumpfte auf 11 Millionen Euro und lag damit deutlich unter dem 6-Jahres-Durchschnitt von 21 Millionen Euro.

 

Zudem gab es zum zweiten Mal in Folge im deutschen Biotech-Sektor keine Börsengänge (IPOs). Dieser Trend ist besorgniserregend, da Börsengänge ein unverzichtbarer Bestandteil eines funktionierenden Finanzierungszyklus sind. Die Tatsache, dass die letzten zehn IPOs an der NASDAQ und das letzte inländische Börsendebüt im Jahr 2016 stattfand, unterstreicht die langjährigen Forderungen nach einer Verbesserung der IPO-Bedingungen in Deutschland.

 

Klaus Ort, Partner bei EY und Leiter des Marktsegments Life Sciences und Gesundheitswesen: „Die Finanzierungsschwierigkeiten junger Biotech-Start-ups stellen eine große Herausforderung für das nachhaltige Wachstum der Branche in Deutschland dar, auch mit Blick auf die wirtschaftlich schwierige Gesamtgemengelage. Speziell die Situation in der Frühphase ist alarmierend, denn diese Phase ist enorm wichtig für das zukünftige Wachstum des Sektors. Sie ist entscheidend, wenn es darum geht, innovative Ideen zu potenziellen Produkten mit entsprechenden Umsatzchancen weiterzuentwickeln. Denn Fakt ist: Das Potenzial und die Stärke sind in der Branche vorhanden.“

Die Finanzierungsschwierigkeiten junger Biotech-Start-ups stellen eine große Herausforderung für das nachhaltige Wachstum der Branche in Deutschland dar, auch mit Blick auf die wirtschaftlich schwierige Gesamtgemengelage.

Ein Grund für die noch unbefriedigende Finanzierungssituation der Branche sei unter anderem, dass es großen Geldgebern wie etwa Pensionsfonds, Versicherungen und anderen institutionellen Investoren noch verwehrt ist, stärker in risikobehaftete Asset-Klassen wie Biotech-Unternehmen zu investieren, erläutert Oliver Schacht, Präsident BIO Deutschland e. V.: „Grundsätzlich sind wir aber in Deutschland auf dem richtigen Weg. Der Zukunftsrat des Bundeskanzlers hat wichtige Maßnahmen für einen starken Biotech-Standort skizziert. Die EU-Kommission hat eine deutliche Stärkung von Biotechnologie und Bioproduktion empfohlen. Der Anschluss an die USA und China kann noch gelingen, wenn wir jetzt endlich ins Handeln kommen und die vielen richtigen Empfehlungen umsetzen.“

Die Partnerschaft von EY und BIO Deutschland war entscheidend für die Datenerfassung und die aufschlussreichen Analysen des diesjährigen „German Biotechnology Report 2024“. In diesem Jahr jährt sich die Zusammenarbeit zwischen EY und dem deutschen Verband der Biotechnologieindustrie bei der Sammlung und Analyse von Branchendaten zum achten Mal.

Trotz aktueller Herausforderungen und zurückhaltender Investoren: Die Pipelines deutscher Biotechs sind derzeit noch besser gefüllt als in den Vorjahren, vor allem in den klinischen Phasen 1 (60 klinische Studien, sechs mehr als im Jahr 2022) und 2 (92 klinische Studien, zwölf mehr als im Jahr 2022). Die Anzahl der klinischen Studien in Phase 3 blieb 2023 im Vergleich zum Vorjahr konstant und liegt bei 17. Die breit aufgestellte klinische Pipeline umfasst dabei innovative Therapien aus allen Medikamentenklassen. Der Fokus liegt mit 94 laufenden klinischen Studien nach wie vor auf dem Gebiet der Krebstherapie. Die Suche nach Möglichkeiten, Infektionskrankheiten zu bekämpfen, folgt auf Platz 2, hier laufen derzeit 23 klinische Studien.

Kooperations- und Lizenzverträge
Wert der von deutschen Biotech-Unternehmen im Jahr 2023 unterzeichneten Kooperations- und Lizenzverträge

Zudem haben deutsche Biotech-Unternehmen im Jahr 2023 Kooperations- und Lizenzverträge im Wert von bis zu 11,4 Milliarden Euro unterzeichnet, der zweithöchste Wert in der Geschichte der Branche. Und im ersten Quartal 2024 gab es Anzeichen dafür, dass auch der deutsche M&A-Markt wieder aufleben könnte. Im Februar 2024 unterzeichnete MorphoSys eine Vereinbarung mit Novartis, für 2,7 Milliarden Euro übernommen zu werden — die größte M&A-Transaktion in der Geschichte der deutschen Biotech-Industrie. Kurz darauf, im März 2024, stimmte das privat gehaltene Unternehmen Cardior Pharmaceuticals aus Hannover zu, für 1 Milliarde Euro von Novo Nordisk übernommen zu werden — der wertvollste M&A-Exit eines privaten deutschen Biotech-Unternehmens seit 2020. Diese Erfolgsgeschichten unterstreichen die Innovationskraft und internationale Attraktivität der deutschen Biotech-Branche.

EY Biotechnology Report 2024

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Fazit

Der "German Biotechnology Report 2024" hebt die bedeutende Rolle der KI im deutschen Biotech-Sektor hervor und zeigt ihr Potenzial, Innovation und Wachstum zu fördern. Trotz Herausforderungen im Finanzierungszyklus zeigt sich die Branche widerstandsfähig mit gestiegenen Investitionen in F&E und Beschäftigungszahlen. Der Bericht betont die Notwendigkeit, Maßnahmen zu ergreifen, um die Dynamik zu erhalten und die biotechnologischen Fähigkeiten Deutschlands zu nutzen.

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