Unklar in Deutschland ist noch, wie weit die Opt-out-/Opt-in-Bestimmungen gehen werden. Ginge es nur um die Anlage einer Akte nach dem Opt-out-Verfahren, das keiner expliziten Zustimmung der versicherten Person bedarf, würde sich die ePA schneller durchsetzen. Wenn auch die einzelnen Funktionalitäten dem Opt-out unterlägen und den Nutzenden somit „automatisch“ zur Verfügung stünden, würde sich zudem auch die tatsächliche Handhabung vereinfachen. Bräuchte es hingegen separat die Zustimmung zu allen Funktionalitäten innerhalb der Akte, könnte das die Handhabung verkomplizieren. Repetitive einzelne Zulassungsschritte, wie sie in der bisherigen Aktenspezifikation verpflichtend sind, dürften viele Nutzende überfordern oder das Risiko von Datenlücken durch vergessene Zustimmungen erhöhen. Bislang gehören dazu beispielsweise die jeweils individuell erforderlichen Freigaben für Praxen, Entscheidungen für einzelne Inhalte, die quartalsweise Übergabe von Forschungsdaten, die Erlaubnis zur Speicherung von DiGA-Daten (digitalen Gesundheitsanwendungen), die Speicherung individueller Abrechnungsdaten oder Daten des elektronischen Medikationsplans (eMP). Um die Akte nutzerfreundlicher zu machen, müsste sich das generelle Einverständnis mit der Möglichkeit zum Opt-out auch auf diese Schritte erstrecken. Alternativ müsste zumindest eine einmalige Einwilligung ausreichen.
Mit dem Opt-out könnte zudem noch ein anderes konzeptionelles Problem der ePA gelöst werden: Einzelne Fachdienste wie der elektronische Medikationsplan (eMP), die elektronische Patientenkurzakte mit den wichtigsten Notfalldaten oder der Organspendeausweis sollten grundsätzlich allen Versicherten zur Verfügung stehen, während die ePA freiwillig bliebe. Deshalb wurden diese als einzelne Fachdienste innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) konzipiert. Dadurch sind für die Nutzenden viele aktive Einzelanforderungen notwendig geworden, inklusive der zu steuernden Datenflüsse. Durch das Opt-out-Verfahren könnten diese Fachdienste nun im Nutzererlebnis wieder stärker zusammenrücken und als eine Anwendung genutzt werden.
Digitale Innovation: Akzeptanz schaffen braucht Zeit
Die Frage der Beschleunigung wird schwieriger zu beantworten sein. Pflegekräfte, Hebammen und Physiotherapeuten können bereits an die TI angebunden werden, DiGAs folgen gesetzlich im Jahr 2023. Die Anbindung von weiteren Beteiligten wie Heil- und Hilfsmittelerbringern, Laboren, soziotherapeutischen Einrichtungen oder Hospizen ist für 2024 vorgesehen. Um nahtlos und mit überschaubaren Investitionen angebunden zu werden, muss zunächst der sogenannte Zukunftskonnektor, die Softwarevariante der bisherigen Hardwareanbindung, ausgerollt werden.
Zudem gilt es, politisch auf die Forderung der Ärzteschaft nach einer Digitalisierungspause zu reagieren. Den Druck herauszunehmen würde der ePA vermutlich wenig helfen. Statt einer Beschleunigung wäre es jetzt entscheidend, das Vertrauen der Nutzenden in die digitalen Angebote zu stärken – ein Schritt, der nicht von oben verordnet werden kann. Die Anwendenden sollten die Erfahrung machen, dass durch die Nutzung der elektronischen Patientenakte tatsächlich hilfreiche Tools und Lösungen entstehen, die sich nahtlos in ihre Arbeitsläufe integrieren (was allerdings auch ein optimales Zusammenspiel mit den Praxisverwaltungssystemen erfordert).
Zum Teil bedarf es dazu eines langen Atems: An der Adoptionskurve digitaler Innovationen, hier am Beispiel der Anteile von eCommerce am Einzelhandel sowie der Nutzer von Onlinebanking in Deutschland, lassen die jährlichen Wachstumsraten im ein- beziehungsweise niedrigen zweistelligen Bereich erkennen, dass Verbraucher Zeit benötigen.