Mann bewundert den Blick auf einen See in der Nähe des Bergs

Warum Carbon Accounting und Biodiversität die Finanzwirtschaft fordern

Verwandte Themen

Die beiden Themen zeichnen sich durch hohe Komplexität und neue Anforderungen an Daten und Prozesse in Finanzinstituten aus.


Überblick

  • Zu den größten Herausforderungen unserer Zeit gehören die Erhaltung der Biodiversität und die Reduzierung von Treibhausgasemissionen.
  • Für beide Themen gibt es bereits speziell für die Finanzindustrie geschriebene Standards, die es zu beachten gilt.
  • Die Finanzwirtschaft sollte rechtzeitig eine Reporting-Architektur aufbauen, die flexibel genug ist, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.

Derzeit liegt der Fokus der Finanznachrichten zwar oft auf Inflation, Zinswende oder Lieferketten, aber die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken werden uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unweigerlich begleiten und möglicherweise zu massiveren Umbrüchen führen. Zwei Themen, die dabei in Finanzinstituten noch überraschend wenig Beachtung finden, sind Carbon Accounting und Biodiversität. Überraschend deswegen, weil sowohl die Reduzierung von Treibhausgasemissionen als auch die Erhaltung der Biodiversität zu den größten Herausforderungen unserer Zeit gehören.

Für beide Themen gibt es bereits speziell für die Finanzindustrie geschriebene Standards, um die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit zu beschreiben und zu quantifizieren und eine detaillierte Berichterstattung und damit auch eine Steuerung zu ermöglichen. Noch sind diese Standards nicht allen Finanzdienstleistern bekannt. Dabei gibt es, auch ganz abseits der Klimakrise, keine Zeit zu verlieren: Denn mit Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird für alle Finanzinstitute eine Berichterstattung sowohl über den eigenen und den finanzierten beziehungsweise versicherten Kohlendioxidausstoß als auch über die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf Biodiversität verpflichtend. Diese Themen zeichnen sich durch hohe Komplexität und neue Anforderungen an Daten und Prozesse in Finanzinstituten aus, weswegen Finanzinstitute gut beraten sind, diese Herausforderungen bereits heute grundlegend anzugehen.



Zwei Themen, die in Finanzinstituten noch überraschend wenig Beachtung finden, sind Carbon Accounting und Biodiversität. Überraschend deswegen, weil sowohl die Reduzierung von Treibhausgasemissionen als auch die Erhaltung der Biodiversität zu den größten Herausforderungen unserer Zeit gehören.



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    Carbon Accounting nach der Partnership for Carbon Accounting Financials (PCAF)

     

    Dem Thema Carbon Accounting nähert man sich grundsätzlich über das Greenhouse Gas Protocol, nach dem Emissionen nach drei Kategorien unterschieden werden:

    • Scope 1: alle direkten Emissionen (zum Beispiel durch Verbrennung von Öl zu Heizungszwecken erzeugt)
    • Scope 2: alle indirekten Emissionen aus außerhalb des eigenen Unternehmens erzeugtem und eingekauftem Strom, Dampf, Wärme oder Kälte
    •  Scope 3: alle sonstigen indirekten Emissionen – insbesondere fallen unter Scope 3 auch finanzierte Emissionen (zum Beispiel Darlehen, aber auch Investitionen in Aktien oder Anleihen) oder versicherte Emissionen (zum Beispiel Versicherung von Kfz oder Firmenkunden)

    Die Berechnung und Berichterstattung von Scope-1- und Scope-2-Emissionen ist für Finanzinstitute verhältnismäßig einfach und bereits stark verbreitet. Scope-3-Emissionen aus Finanzgeschäften und Versicherungstätigkeit zu quantifizieren ist jedoch wesentlich komplizierter. Deshalb wurden von der PCAF zwei Standards entwickelt, um sowohl für Finanzierungen als auch für die Versicherungstätigkeit Methodiken bereitzustellen, um die Berechnung standardisierter und vergleichbarer Emissionswerte zu ermöglichen.

     

    Das grundsätzliche Verfahren in beiden Standards ist ähnlich. Zunächst sind die Emissionen des Kunden Ausgangspunkt der Berechnungen. Idealerweise liegen für einen Kunden berichtete und von einem Wirtschaftsprüfer geprüfte Zahlen vor. Ist das nicht der Fall, sind ersatzweise Schätzwerte basierend auf der physischen Tätigkeit des Kunden oder der ökonomischen Aktivität anzugeben. Hierfür stellt die PCAF die Methodik wie auch Daten bereit.

    Für jedes Einzelgeschäft werden die Gesamtemissionen des Kunden mit einem Attributionsfaktor multipliziert, der proportional zum finanziellen Engagement des Finanzinstituts beim Kunden ist. Die Attributionsfaktoren sind je nach Assetklasse unterschiedlich ausgeprägt, um dem Vorhandensein der notwendigen Daten Rechnung zu tragen. In einem einfachen Beispiel eines Darlehens an einen Firmenkunden wird zum Beispiel die Höhe des Darlehens durch den Firmenwert (EVIC – Enterprise Value Including Cash) geteilt. Um ein anderes Beispiel zu geben: Für Staatsschulden wird anstelle des EVIC das kaufkraftbereinigte Bruttosozialprodukt des Staates verwendet.

     

    Die Summe all dieser Multiplikationen von Attributionsfaktoren und Kundenemissionen über das gesamte Portfolio ergibt dann entsprechend die finanzierten oder versicherungsbezogenen Emissionen.

     

    Je nach Herkunft und Qualität der Daten für Emissionen und Attributionsfaktoren wird ein Daten-Qualitätsfaktor vergeben (von 1, dem höchsten Wert, bis 5). Dieser verbessert die Vergleichbarkeit der Daten verschiedener Kunden/Portfolios und sogar von Finanzinstituten mit unterschiedlichen Kunden. Der Standard sieht dabei eine Verpflichtung vor, den jeweils höchstmöglichen unter vertretbarem Aufwand erreichbaren Datenqualitäts-Score zu erzielen und einen Prozess einzurichten, diesen Score in zukünftigen Berichtsjahren kontinuierlich zu verbessern.




    Der Erfahrung von EY nach sind Veränderungen finanzierter Emissionen im Laufe eines Jahres stark dominiert von Markteffekten, nicht von Veränderungen in den Emissionen des Kunden. Es sind also ausgiebige Analysen notwendig, um Werte aus verschiedenen Berichtsperioden vergleichbar zu machen.



    Die typischen Herausforderungen bei der Einführung der PCAF-Methodik sind die Anbindung neuer Datenquellen, die Datenqualität und die Erweiterung des Berichtsprozesses. Aber auch in der Methodik selbst sind Herausforderungen enthalten. So erkennt man an dem Beispiel eines Firmenkredits schnell die Sensitivitäten der finanzierten Emissionen gegenüber Änderungen beispielsweise an Eigen- und Fremdkapital des Unternehmens. Der Erfahrung von EY nach sind Veränderungen finanzierter Emissionen im Laufe eines Jahres stark dominiert von Markteffekten, nicht von Veränderungen in den Emissionen des Kunden. Es sind also ausgiebige Analysen notwendig, um Werte aus verschiedenen Berichtsperioden vergleichbar zu machen und ungewollte Fehlinterpretationen von Analysten oder Investoren zu vermeiden.

    Biodiversität nach der Partnership for Biodiversity Accounting Financials (PBAF)

    Für die Einschätzung von Auswirkungen auf Biodiversität durch Finanzinstitute gibt es den Standard der Partnership for Biodiversity Accounting Financials (PBAF), der stark am PCAF-Standard angelehnt ist. Die Attributionslogik ist sogar eins zu eins übernommen. Bei der eigentlichen Auswirkung einer Position auf die Biodiversität wird es allerdings deutlich komplizierter als im Fall von Carbon Accounting, da sich ein Ausstoß von Treibhausgasen wesentlich leichter quantifizieren lässt als eine aktuelle oder zukünftige Auswirkung auf die Biodiversität.

    Derzeit gibt es im Vergleich zu Carbon Accounting im Bereich Biodiversität wesentlich mehr methodischen Freiraum. Zwei der am weitesten verbreiteten Metriken sind die folgenden:

    • die mittlere Artenhäufigkeit („mean species abundance“, MSA): eine Metrik, die verwendet wird, um die Intaktheit der Biodiversität oder das verbleibende Niveau der Biodiversität in einem Wirkungsgebiet zu messen (von 0 – vollständig zerstörtes Ökosystem ohne ursprüngliche Art – bis 1 – Artenhäufigkeit ist unverändert)
    • der potenziell verschwundene Anteil der Arten („potentially disappeared fraction of species“, PDF): eine Metrik zur Bewertung des potenziellen Rückgangs des Artenreichtums in einem Gebiet über einen bestimmten Zeitraum, wobei größere PDF-Werte auf eine höhere Auswirkung der Aktivität hinweisen

    Um die Auswirkungen auf die Biodiversität zu berechnen, steht auch nicht nur (wie bei Carbon Accounting) die reine Kundenaktivität im Vordergrund, sondern auch das Biom, in dem diese stattfindet. Verbraucht ein Kunde beispielsweise eine Menge Wasser, so hat dies natürlich in einer trockenen Umgebung einen wesentlich größeren Effekt auf die Biodiversität als in einer sehr wasserreichen Gegend. Die wenigsten Finanzinstitute wissen heute, in welchen Biomen ihre Kunden tätig sind, oder können eigene Analysen bezüglich der Auswirkungen ihrer Kunden auf die Biodiversität erstellen.



    Die wenigsten Finanzinstitute wissen heute, in welchen Biomen ihre Kunden tätig sind, oder können eigene Analysen bezüglich der Auswirkungen ihrer Kunden auf die Biodiversität erstellen.



    Die Anforderungen an neue oder zusätzliche Daten, die entweder neu zu beschaffen oder zu erheben sind, sind erheblich. Notwendige Daten für qualitativ höherwertige Analysen sind in vielen Fällen noch nicht strukturiert vorhanden. Sollten in Zukunft die Anforderungen an die Qualität solcher Analysen in Bezug auf Aussagekraft und Exaktheit weiter steigen – womit zu rechnen ist –, würde dies die Anbindung weiterer Datenquellen erfordern, womöglich auch historischer Daten und möglicherweise auch Datentypen, die bislang eher selten von Finanzdienstleistern ausgewertet werden, zum Beispiel Satellitenbilder.

    Fazit

    Bereits anhand dieser knappen Ausführungen ist klar, dass die Anforderungen allein schon an den Datenhaushalt und entsprechende Prozesse zur Datenerhebung, -säuberung und -verarbeitung immens sind. Neue Datenquellen und -anbieter sollten identifiziert und angebunden werden. Neue Datenpools müssen in die existierende Dateninfrastruktur eingebunden werden. Ferner müssen Reporting-Prozesse und ­Infrastruktur angepasst und Verantwortlichkeiten verteilt werden, um die Berichterstattung sicherzustellen.

    Aus planerischer und projekttechnischer Sicht erschwert wird die Situation dadurch, dass die Standardlandschaft im Bereich Carbon Accounting und Biodiversität noch nicht stabil ist. Der PCAF-Standard für Versicherungen ist explizit unfertig und eine Abdeckung des größten Teils von Versicherungsprodukten wird erst in der zweiten Auflage erwartet, für die noch kein Veröffentlichungsdatum bekannt ist. Im Bereich Biodiversität ist innerhalb des PBAF-Standards noch keine klare Standardisierung der Berichterstattung vorgesehen, was oft zum Anlass genommen wird, sich dem Thema nur halbherzig zu nähern.

    Berichtet werden müssen aber schon recht bald unter CSRD-Zahlen finanzierte und versicherte Emissionen sowie die Auswirkungen der Finanzdienstleistungen auf die Biodiversität. Es sind also nicht nur jetzt Schritte nötig, die eine zeitgerechte Berichterstattung ermöglichen, sondern dies muss auch intelligent erfolgen und es muss von Anfang an eine Reporting-Architektur aufgebaut werden, die flexibel genug ist, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.

    Perspektiven

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