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„Eine Nachfolge ist keine Einbahnstraße“

Natalie Rauschendorfer und Dinah Spitzley, „Next Gens“ aus Unternehmerfamilien und Gründerinnen von Haus Next, über die Schwierigkeiten der Nachfolge und deren Bewältigung


Überblick

  • Ein zu hoher Erwartungsdruck seitens der übergebenden Generation (Now Gen), eigene Vorstellungen der nachfolgenden Generation (Next Gen) und fehlende Kommunikation führen häufig zu Konflikten.
  • Der offene Austausch zwischen Jung und Alt, aber auch zwischen den Next Gens ist die beste Voraussetzung für eine gelungene Übergabe.
  • Eine Nachfolge ist keine Einbahnstraße. Es gibt Alternativen, wie man sich im Familienunternehmen engagiert. Und es gibt auch die Alternative auszusteigen.

Natalie Rauschendorfer und Dr. Dinah Spitzley sind „Next Gens“ aus Unternehmerfamilien und Gründerinnen von Haus Next, der ersten digitalen Plattform für Nachfolger:innen in Familienunternehmen. Im Interview sprechen sie über ihre eigenen Erfahrungen als Next Gens, über mögliche Schwierigkeiten zwischen den Generationen und darüber, wie man diese lösen kann. Und sie erklären, warum es so wichtig ist, sich mit anderen auszutauschen und herauszufinden, was man selbst will.

Frau Rauschendorfer, zusammen mit Dr. Spitzley sind Sie geschäftsführende Gesellschafterin von Haus Next. Was bedeutet der Name und welches Signal wollen Sie damit aussenden?

Natalie Rauschendorfer: Der Name ist eine Kombination des deutschen Begriffs „Haus“ und des englischen Begriffs „Next“. Das deutsche Wort „Haus“ steht für einen geschützten Raum, in dem Personen miteinander leben, gemeinsame Ziele verfolgen, sich austauschen und gegenseitig helfen. Der englische Begriff „Next“ dagegen verweist auf die Next Generation, also die Nachfolgegeneration in Familienunternehmen. „Haus Next“ bezeichnet damit den Ort, an dem sich die nächste Generation der Unternehmenslenker trifft, miteinander diskutiert, voneinander lernt und sich auf ihre zukünftige Verantwortung vorbereitet. Selbstverständlich ist unser Haus ein digitales Haus. Die Bewohner und Gäste treffen sich virtuell. Auch das schwingt im Begriff „Next“ mit.

Natalie Rauschendorfer, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von Haus Next
Dr. Dinah Spitzley, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von Haus Next

Und wie viele Räume oder Etagen hat Haus Next?

Dr. Dinah Spitzley: Unser Haus hat drei Stockwerke, und zwar die Insights-, die Circle- und die Campus-Etage. In der Insights-Etage findet der Hausbesucher unterschiedlichste Informationen rund um das Thema Nachfolgegeneration. Hier kann er sich zunächst einmal orientieren – und dabei herausfinden, dass er mit seinen Fragen und Sorgen nicht allein ist. Das zweite Stockwerk ist die Circle-Etage. Hier haben unsere Hausbewohner die Möglichkeit, sich über unser Next-Gen-Netzwerk auszutauschen, voneinander zu lernen und so ihren eigenen Weg zu finden. Wir sind immer wieder erstaunt und zugleich glücklich, wenn wir sehen, wie wichtig und inspirierend dieser Austausch für die Teilnehmer ist.

Und was befindet sich im dritten Stockwerk Ihres Hauses?

Spitzley: Hier befindet sich unsere Aus- und Weiterbildungsakademie, unser Haus-Next-Campus. In diesem Stockwerk finden unsere Hausbewohner digitale Seminare, in denen wir sie gezielt auf ihre neue Rolle in der Unternehmerfamilie vorbereiten. Ebenso bieten wir hier Workshops an, in denen die Teilnehmer herausfinden können, was ihre wirklichen Ziele sind und wofür sie brennen, wie Nachfolge überhaupt funktioniert oder was passieren würde, wenn man sie nicht antritt und aus dem Familienunternehmen aussteigt. Bei allen unseren Angeboten stehen immer die Next Gens mit ihren persönlichen Fragen, Sorgen und Konflikten im Vordergrund, nicht die Unternehmen.




„Das Verantwortungsgefühl der Next Gen gegenüber der Familie und dem Familienunternehmen ist sehr hoch. Aber ebenso hoch ist oft auch der Erwartungs- und Leistungsdruck, der auf ihr lastet.“




Ihr Ziel ist es, eine starke, innovative und inspirierte nächste Generation von Familienunternehmerinnen und -unternehmern zu entwickeln. Hat der Nachwuchs denn Startschwierigkeiten?

Rauschendorfer: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich meine sogar, dass das Verantwortungsgefühl der Next Gen gegenüber der Familie und dem Familienunternehmen sehr hoch ist. Aber ebenso hoch ist oft auch der Erwartungs- und Leistungsdruck, der auf ihr lastet. Hinzu kommen die eigenen Vorstellungen der Next Gen, was sie anders als die Now Gen machen will, und die daraus resultierenden Konflikte. Darüber hinaus spielen für viele Next Gens der eigene Gestaltungswille und die Selbstverwirklichung eine sehr große Rolle. Und hier kann es sein, dass die gegebene Familien- und Unternehmenskonstellation dafür keinen Raum lässt – zumindest nicht auf den ersten Blick. Früher stand es häufig fest, dass die nachfolgende Generation das elterliche Unternehmen übernimmt und weiterführt. Das hat die Komplexität reduziert und die Entscheidung viel einfacher gemacht.

Sie kommen beide selbst aus Unternehmerfamilien. Sind Sie von Ihren Eltern auf die Nachfolge vorbereitet worden? Und wenn ja, wie ist das abgelaufen? Gab es Konflikte?

Rauschendorfer: Weder mein Bruder noch ich sind auf die Nachfolge vorbereitet worden. Die Schreinerei meines Vaters war zwar immer präsent und wir sind mit ihr groß geworden, aber wir haben nie konkret darüber gesprochen, ob wir sie irgendwann einmal übernehmen und was dann unsere Rolle wäre. Falls einer von uns beiden die Nachfolge antreten würde, wäre dies aufgrund der Handwerksbranche allerdings mein Bruder gewesen. Leider haben wir nie darüber nachgedacht, das Unternehmen gemeinsam weiterzuführen. Das finde ich im Nachhinein sehr schade und ein großes Versäumnis. Umgekehrt war dies aber auch ein wesentlicher Grund dafür, warum ich zusammen mit Dinah Spitzley Haus Next gegründet habe. Wir beide halten es für sehr wichtig, dass sich Eltern und Kinder ganz früh zusammensetzen und überlegen, wie die Unternehmensnachfolge aussehen könnte, um dann aktiv Entscheidungen zu treffen. Nicht miteinander zu reden und die Dinge einfach laufen zu lassen sind die größten Fehler.

Spitzley: Bei mir war es genau andersherum. Als Einzelkind bin ich bereits früh auf die Nachfolge vorbereitet worden, aber diese Vorbereitung hat sich oft wie eine Schwarz-Weiß-Alternative angefühlt: Entweder trete ich die Nachfolge an oder das Familienunternehmen muss verkauft werden. Damit habe ich mich selbst unter Druck gesetzt. Um mir klar zu werden, was ich eigentlich will, bin ich zur Uni gegangen und habe promoviert. Das hat mir den notwendigen Abstand gegeben, um meinen eigenen Weg zu finden. Und über diese Schleife habe ich dann zurück ins elterliche Unternehmen gefunden. Mit der Gründung von Haus Next wollte ich anderen Next Gens, die in einer ähnlichen Situation sind, wie ich es war, helfen, die für sie richtige Entscheidung zu treffen.




„Wir halten es für sehr wichtig, dass sich Eltern und Kinder ganz früh zusammensetzen und überlegen, wie die Unternehmensnachfolge aussehen könnte, um dann aktiv Entscheidungen zu treffen. Nicht miteinander zu reden und die Dinge einfach laufen zu lassen sind die größten Fehler.“




Welche Möglichkeiten gibt es aus Ihrer Sicht, mögliche Differenzen zwischen den Generationen zu überbrücken und sicherzustellen, dass Alt und Jung einen Konsens finden und die Unternehmensnachfolge funktioniert?

Spitzley: Zunächst einmal würde ich sagen: miteinander reden, miteinander reden und nochmals miteinander reden. Alt und Jung sollten sich so früh wie möglich austauschen und ihre Erwartungen und Pläne offen und ehrlich formulieren. Das habe ich mit aller Klarheit an der Zeppelin Universität gelernt, wo ich auch zum ersten Mal die Möglichkeit hatte, mich mit anderen Next Gens auszutauschen. Der Dialog in der Familie ist häufig insofern nicht ganz einfach, weil so viele Emotionen mit im Spiel sind und es oft schwierig ist, seine Rolle als Familienmitglied und seine Rolle als Unternehmensmitglied zu finden und zu definieren. Alles hängt mit allem zusammen. Deshalb bieten wir im Haus Next auch Rollenspiele an, in denen sich die Next Gens mit ihren unterschiedlichen Rollenerwartungen auseinandersetzen und Lösungsmöglichkeiten finden können.

Rauschendorfer: Ganz wichtig ist es auch, dass beide Seiten offen füreinander sind: Die Now Gen muss verstehen, dass die Next Gen ihre eigenen Vorstellungen hat und das Unternehmen vielleicht in die eine oder andere Richtung verändern will. Die Next Gen muss aber ebenso verstehen, dass es die Now Gen war, die das Unternehmen über Jahre und Jahrzehnte erfolgreich geführt hat. Dieses gegenseitige Verständnis ist eine große Herausforderung für beide Seiten. Eine Lösungsmöglichkeit besteht darin, dass Aufgaben klar verteilt werden und festgelegt wird, wer für was verantwortlich ist. So könnte die Now Gen beispielsweise zunächst für ein bestimmtes Thema oder Projekt die Verantwortung übernehmen. Entscheidend ist, dass sich beide Seiten an die vereinbarten Regeln halten und offen miteinander kommunizieren, Feedback geben und die Rückmeldung auch annehmen.




„Alt und Jung sollten sich so früh wie möglich austauschen und ihre Erwartungen und Pläne offen und ehrlich formulieren.“




Die nachfolgende Generation hat heute viele Möglichkeiten, sich im elterlichen Unternehmen zu engagieren, ohne die operative Verantwortung zu übernehmen. Was ist Ihre Erfahrung?

Spitzley: Ich glaube, dass dies ein Trend ist, der in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnt und es für die Next Gen auch viel attraktiver macht, sich im elterlichen Unternehmen zu engagieren oder es sogar auszubauen und zu diversifizieren. Natalie Rauschendorfer und ich sind das beste Beispiel dafür: Obwohl wir beide aus ganz unterschiedlichen Gründen zunächst nicht direkt nach dem Studium in das elterliche Unternehmen eingestiegen sind, hat Natalie gerade zusammen mit ihrem Bruder und Vater ein Immobilienunternehmen gegründet. Und ich bin heute Gesellschafterin im Familienunternehmen, bin also über meinen Umweg als Doktorandin und Gründerin ins Familienunternehmen zurückgekehrt.

Was sind aus Ihrer Erfahrung die wichtigsten Themen, mit denen sich die nächste Generation der Unternehmenslenker auseinandersetzt?

Rauschendorfer: Auf der einen Seite sind es natürlich die aktuellen Themen wie digitale Transformation, nachhaltiges Denken und Handeln oder robuste und transparente Lieferketten. Auf der anderen Seite sind für die Next Gen aber auch sehr persönliche Themen wie Mental Health, Konflikt- und Stressbewältigung oder der Umgang mit persönlichen Krisen von Bedeutung. Und ebenso geht es auch um die Gerechtigkeit im Nachfolgeprozess und – was ja gerade für viele Unternehmerfamilien eine Herausforderung ist – um Patchwork-Family-Konstrukte.




„Neben den aktuellen Themen wie digitale Transformation oder nachhaltiges Denken und Handeln sind für die Next Gen auch sehr persönliche Themen wie Mental Health, Konflikt- und Stressbewältigung oder der Umgang mit persönlichen Krisen von Bedeutung.“




Was ist Ihr Tipp an Unternehmensnachfolger, die sich nicht sicher sind, ob sie das elterliche Unternehmen übernehmen oder nicht?

Spitzley: Sie sollten es einfach einmal ausprobieren. Oft sind es ein Stück Unsicherheit, ein zu hoher Erwartungsdruck oder die Frage, ob sie ihre eigenen Vorstellungen umsetzen können, die die Next Gen davor zurückschrecken lassen, das Familienunternehmen weiterzuführen. Aber eine Nachfolge ist keine Einbahnstraße. Es gibt immer ein Zurück. Und außerdem gibt es viele Alternativen, wie die Next Gen sich im Unternehmen einbringen und engagieren kann, ohne sofort die volle Verantwortung zu übernehmen. Aber es sollte trotzdem gut durchdacht sein, am besten auch mit seinesgleichen und einem externen Coach. Gespräche schaffen immer Klarheit.




„Eine Nachfolge ist keine Einbahnstraße. Es gibt immer ein Zurück. Und außerdem gibt es viele Alternativen, wie die Next Gen sich im Unternehmen einbringen und engagieren kann, ohne sofort die volle Verantwortung zu übernehmen.“




Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen? Wollen Sie das Haus Next oder das elterliche Unternehmen aus- und weiterbauen?

Rauschendorfer: Wir wollen unser Haus weiterbauen und es zu dem Ort machen, in dem sich die Next Gen wohl fühlt – weil sie hier ihresgleichen trifft und den Rat, die Hilfe und die Unterstützung erhält, die ihr dabei helfen, die für sie richtige Entscheidung zu treffen und ihre Rolle in der Familie und im Familienunternehmen zu finden. Wir wollen kontinuierlich wachsen und in fünf Jahren die Plattform für die Next Gen sein.

Spitzley: Genau! Und gleichzeitig wollen wir uns aber auch in unseren elterlichen Unternehmen engagieren. Wir sind doch Familienmenschen. Und eine gute Familie hält immer zusammen.


Podcast Zukunft Familienunternehmen

Disruption. Transformation. Resilienz.

In unseren gemeinsamen Podcasts mit dem Lehrstuhl für Familienunternehmen der WHU – Otto Beisheim School of Management behandeln wir Top-Themen, mit denen sich der Mittelstand und Familienunternehmen im Zeitalter der Disruption auseinandersetzen müssen. Zusammen mit erfolgreichen Familienunternehmen diskutieren wir, worauf es ankommt, damit die Transformation gelingt.

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Fazit

Die Nachfolge in Familienunternehmen ist eine große Herausforderung. Schwierigkeiten ergeben sich oft daraus, dass die Now Generation einen hohen Erwartungsdruck auf die Next Generation ausübt – oder die Nachfolge gar nicht thematisiert. Umgekehrt hat die Next Generation eigene Vorstellungen, die sich nicht unbedingt mit denen der Now Generation decken. Ein möglichst früher, offener und ehrlicher Dialog zwischen Alt und Jung, aber auch zwischen den Next Gens ist die wichtigste Voraussetzung dafür, mögliche Konflikte zu lösen. Darüber hinaus gibt es viele Alternativen, sich im elterlichen Unternehmen aktiv zu engagieren, ohne die volle operative Verantwortung zu übernehmen.

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