Robotik-Ingenieur während der Arbeit

KI als Motor für neue digitale und nachhaltige Geschäftsmodelle

Neue softwarebasierte Geschäftsmodelle speziell für Maschinenbauer und Anlagenbetreiber verändern die Branche.


Überblick

  • KI bietet großes Potenzial für die Maschinenbauer und Anlagenbetreiber – doch insbesondere im Mittelstand bleibt dieses häufig ungenutzt.
  • Erfolgreiche Datenunternehmen sind nutzerzentriert nach außen und datenzentriert nach innen.
  • Das Ziel des Mittelstands muss es sein, das enorme KI-Potenzial zu nutzen und daraus ein neues, digitales und vor allem nachhaltiges Geschäft aufzubauen. 

Die Digitalisierung findet im Produktionsbereich schon seit über 20 Jahren statt. Viele Hersteller haben bereits ihre Maschinen und Produktionslinien mit Sensorik ausgestattet und erheben teilweise seit Jahrzehnten Daten im Sekundentakt. Wofür diese riesigen Datenmengen erhoben werden, ist oft undefiniert. Oftmals sind Unternehmen der Ansicht, dass allein durch das Sammeln der Daten und anschließender Exploration potenzielle Effizienzsteigerungen (zum Beispiel in Form von weniger Ausfallzeiten, besserer Qualität oder weniger Ressourceneinsatz) und neue Geschäftspotenziale identifiziert werden können. In der Realität liegen diese Daten aber oft ungenutzt in sogenannten Data Lakes (meist Data Dumps).   

Die digitale Transformation ist in vollem Gange und doch hat sich an dem Geschäftsmodell von vielen produzierenden Unternehmen wenig geändert. Es basiert nach wie vor auf denselben Prinzipien wie vor 20 Jahren. Die Maschine wird gebaut und verkauft, in der Regel gibt es dazu noch Wartungsverträge und Ersatzteilverkauf. Jahrzehntelang konzentrierten sich die Geschäftsmodelle weitgehend auf inkrementelles Wachstum durch Produktverbesserung oder Marktexpansionen. Neue Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) zwingen Maschinen- und Anlagenbauer jedoch, ihre Geschäftsmodelle in einem hart umkämpften Markt anzupassen, um ihre Kunden an sich zu binden und den neuen Tech-Unternehmen Paroli bieten zu können.

Das große KI-Potenzial bleibt insbesondere im Mittelstand häufig ungenutzt

Die Vorteile von KI reichen von Effizienzsteigerungen über die Automatisierung sich wiederholender Aufgaben bis hin zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Doch gerade kleine und mittelständische Unternehmen überschätzen häufig den Aufwand, um eine KI-Anwendung einzuführen. Dabei lassen sich oftmals schon aus den bestehenden Daten wie Prozess- oder Produktionsdaten Prototypen und nachhaltige Lösungen bauen, die auch einen wirtschaftlichen Mehrwert bieten.

Doch wie schaffen es Traditionsunternehmen, aus ihrem Altbestand ein zusätzliches digitales Geschäft zu bauen? Wie kommen sie von digitalen Projekten zum digitalen Geschäft? Wie lassen sich Softwareprodukte nicht nur als verlängerter Arm der Maschinen sehen, sondern als eigenständige Geschäftsmodelle (Data Assets), die sowohl einen ökonomischen Mehrwert bieten als auch zusätzliche Werte wie zum Beispiel einen Beitrag für die Klimaziele generieren?

Den Nutzer in den Mittelpunkt stellen

Die praktische Entwicklung von Datenprodukten (zum Beispiel in Form von Datenplattformen, Dashboards oder Vorhersagen) scheitert oft an einer zu geringen Akzeptanz bei den Endnutzern. Das kann unter anderem daran liegen, dass Datenprodukte in der Regel von oben nach unten initiiert werden, beispielsweise indem das Management ein neues Dashboard oder eine neue Datenanwendung zur Nutzung vorgibt. In der Industrie führt dies häufig zu Prozess- und Produktionsfehlern. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wenn diejenigen, die mit der neuen Software oder dem neuen System arbeiten sollen, die Idee hinter der Innovation nicht vollständig verstehen, fällt es ihnen schwer, diese zu adaptieren und einzusetzen. Der Erfolg einer neuen Lösung hängt von der Bereitschaft der Nutzer ab, das neue System anzunehmen, Vertrauen in die Datenqualität zu entwickeln und die Daten zur Optimierung der Prozesse in der Produktion zu nutzen.

Erfolgreiche Digitalisierung hängt davon ab, die Herzen der Nutzer zu gewinnen.  Doch wie gelingt das? Die erfolgreichsten Datenunternehmen sind nutzerzentriert nach außen und datenzentriert nach innen. Das heißt, als Erstes geht es darum, den Anwendungsfall zu definieren: Wo können zum Beispiel für einen Prozessingenieur oder Maschinenbetreiber mit Daten und KI Effizienzpotenziale gehoben und daraus signifikante Wettbewerbsvorteile geschaffen werden? Erst im nächsten Schritt sieht man sich die Daten an, identifiziert Lücken zwischen den derzeit verfügbaren und den benötigten Daten und erstellt ein Design für die Datenerzeugung. 

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Mehr als nur Dashboards – echte Werthebel durch Verhaltensänderung der Mitarbeiter

Mithilfe der nutzerzentrierten Entwicklung werden Nutzer von Anfang an in den Entwicklungsprozess einbezogen und Lösungen von unten nach oben entwickelt – und zwar so, dass diejenigen, die mit ihnen arbeiten sollen, mitentscheiden, welche Informationen sie in welcher Form benötigen, um direkt Entscheidungen für eine effizientere Produktion treffen zu können.

Ein großer Hebel für die Effizienzsteigerung in produzierenden Unternehmen liegt im Wissensmanagement. Dabei geht es darum, das Wissen und die Erfahrung der Produktionsleiter und Maschinenbetreiber anzuzapfen und für alle nutzbar zu machen. Gut laufende Anlagen und Produktionen basieren oft auf der Erfahrung des jeweiligen Produktionsleiters beziehungsweise Maschinenbetreibers. Weniger erfahrene Betreiber sind nicht in der Lage, dasselbe Ergebnis auf derselben Maschine zu generieren. Eine KI-basierte Software kann dabei helfen, die Parameter, die der erfahrene Betreiber intuitiv einstellt, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, zu erfassen, zu optimieren und anschließend als Handlungsempfehlung allen anderen Betreibern zur Verfügung zu stellen, stets nach dem Prinzip: Wissen teilen und aus Erfahrungen anderer lernen.

Praxisbeispiel eines führenden Produzenten von Baustoffmaterialien

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Nutzererfahrung und Verhaltenspsychologie sind hier vor allem wichtig, um mögliche Verhaltensänderungen zu ermöglichen. Die entwickelte Lösung muss in den Arbeitsablauf der Nutzer passen und an der richtigen Stelle den relevanten Impuls für eine Verhaltensänderung geben, zum Beispiel Maschinenbetreiber per Benachrichtigung eine Mitteilung ans Smartphone auf dem Shopfloor senden. Eine Feedback-Schleife, ob die Handelsempfehlung angenommen oder aus validen Gründen abgelehnt wurde, dient als Grundlage für das lernende, KI-gestützte System (maschinelles Lernen). Transparenz bezüglich der Auswirkungen der Verhaltensänderung sowie Gamification-Ansätze erhöhen nicht nur die Erfolgswahrscheinlichkeit und den gewünschten Effekt auf die Wertsteigerung und Effizienz, sondern auch die Mitarbeiterzufriedenheit.

Nachhaltigkeit statt Effizienz – neue Paradigmen in der Digitalisierung der Produktion

In den letzten 20 Jahren stand die reine Effizienzerhöhung an oberster Stelle in der Produktion. Doch mit den neuen Herausforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen erhält die Nachhaltigkeit einen signifikanten Stellenwert. Die produzierende Industrie verursacht mit 30 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen den größten Anteil. Einfach die Produktion zu stoppen ist keine Option, denn es werden Dinge hergestellt, von denen das moderne Leben abhängt, wie Zement, Kunststoff und Stahl. 

Zusätzlich zwingen hohe CO2-Preise die Produktion zu einem Umdenken. Energie ist nach wie vor ein hoher CO2-Treiber für produzierende Unternehmen. Obwohl in der Öffentlichkeit hauptsächlich neue Technologien für die zukünftige Ausgestaltung des Energiesystems diskutiert werden, sind es die stillen, unmittelbaren Lösungen, die bereits heute wirtschaftlich und klimaschützend sein können. Die effizientere Nutzung der Energie kann bereits heute helfen, Kosten zu sparen und die Klimaziele zu erreichen. Energieeffizienz und -einsparung werden nach wie vor unterschätzt, denn eines ist klar: Die beste Energie ist diejenige, die wir nicht verbrauchen.

Für Maschinenbauer und Anlagenbetreiber liegt enormes wirtschaftliches Potenzial in den Daten. Zum einen werden Kunden in Zukunft immer mehr Daten zur Energieeffizienz, zum Strom- oder Luftverbrauch einfordern. Zum anderen kann mithilfe von Daten eine KI-gestützte Software trainiert werden und für eine effizientere Energieverteilung sorgen. So kann sie beispielsweise auf das Ziel trainiert werden, nicht nur den geringsten Input für den gewünschten Output zu erzielen, sondern auch die beste Kombination aus Maschinenparametern für eine energiesparende Produktion zu identifizieren. Ein weiterer Anwendungsfall ist, durch künstliche Intelligenz zu prognostizieren, wie viel Energie wann benötigt wird, um den Energieeinkauf besser zu planen. Dass eine energiesparende Produktion nicht nur gut für die Umwelt ist, sondern auch einen ökonomischen Mehrwert hat, zeigt die aktuelle Energiekrise.

Neues Software-as-a-Service-Geschäft aufbauen

Wenn mithilfe von Datenanalysen und KI signifikante Effizienzsteigerungen in der Produktion beziehungsweise im Anlagenbetrieb ermittelt wurden, lassen sich daraus auch eigene neue digitale Produkte entwickeln und damit einhergehend beispielsweise ein neues digitales Geschäft aufbauen. Die Grundidee ist es, digitale Transformationen zum digitalen Geschäft weiterzuentwickeln, das heißt, es werden neue Umsätze über digitale Produkte generiert.

Eine typische Herausforderung  für Maschinenbauer und Anlagenbetreiber ist dabei die Philosophie, digitale Produkte für die eigenen Komponenten zu entwickeln. Oftmals werden diese als digitale Verlängerung der eigenen Produktion gesehen, mit dem Ziel, am Ende mehr Maschinen und Anlagen zu verkaufen. Das ist aus mehreren Gründen oft zu kurzsichtig gedacht: Zum einen wollen viele Kunden nicht mit einer Software von einem Hersteller abhängig werden und nur noch von diesem Hersteller kaufen (Stichwort Lock-in-Effekt), zum anderen sollte Software für alle existierenden Maschinen und Anlagen funktionieren, um die größtmöglichen Effizienzpotenziale zu heben. Das heißt, um nachhaltig ein größeres digitales Geschäft aufzubauen, empfiehlt es sich, sich nicht nur auf die eigenen Kunden zu fokussieren, sondern auch herstellerunabhängig eine Anbindung an Maschinen und Komponenten von Wettbewerbern zu ermöglichen. Daraus ergeben sich wieder neue ökonomische Vorteile wie der Zugang zu neuen Personengruppen und Nutzern.

Erhebliche Kostenersparnis mit KI in der Produktion

Ein weiterer Erfolgsfaktor für den Aufbau von digitalem Geschäft ist die richtige Preisstrategie: Eine stark kundenorientierte Preisgestaltung ist eine wertorientierte Preisgestaltung (auch bekannt als „value-based pricing“). Diese ist für Kunden besonders attraktiv und risikoarm, weil der Preis für den Kunden auf dem wirtschaftlichen Nutzen basiert und nicht auf dem Kauf der Software. Auch für Anbieter kann diese Preismethode attraktiv sein. Beispiel: Wenn mithilfe eines KI-basierten Softwareprodukts bei einem Kunden eine Effizienzsteigerung von 10 Prozent erzielt wird, zum Beispiel durch weniger ungeplante Maschinenstillstände, erlaubt es diese Preismethode, kommerziell an der gewonnenen Effizienz zu partizipieren. Wenn jährlich 1 Million Euro eingespart werden, lassen sich 250.000 Euro als Preis rechtfertigen. Wenn nichts gespart wird, wird auch nicht gezahlt. Dadurch werden Preise stärker an den wirtschaftlichen Vorteilen und den Kundenbedürfnissen ausgerichtet. Eine Herausforderung dieser Preismethode sind die genaue Bestimmung des messbaren Kundenmehrwerts und die Destillierung des Einflusses des Produkts.

Ein oft übersehener Wettbewerbsvorteil von vielen Maschinenbauern und Anlagenbetreibern gegenüber jungen Start-ups ist der Zugang zu einem breiten Spektrum an Bestandskunden. Jungen B2B-Start-ups fehlt es oft an Vertrauen und Kontakten zu den richtigen Ansprechpartnern, um neue, innovative Lösungen zu entwickeln. Maschinenbauer und Anlagenbetreiber hingegen besitzen oft bereits ein sehr breites Kundensegment und können sehr schnell und effizient neue, innovative Softwareprodukte konzipieren, prototypisieren und testen. Ein großer Unterschied zum klassischen Konsumentengeschäft ist, dass Maschinenbauer oftmals nicht mehrere Hunderttausend Kunden haben, sondern mehrere Hundert bis wenige Tausende. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass neuartige Produkte und Lösungen bei Einführung bereits ein solides Entwicklungsstadium haben sollten, um die Kunden und Nutzer nicht mit unfertigen Lösungen zu verprellen. Nach der erfolgreichen Erprobung lassen sich diese Lösungen schnell auf die weitere Kundenbasis ausrollen. Auch hier haben viele Maschinenbauer und Anlagenbetreiber einen klaren Vorteil gegenüber jungen, kleineren Firmen.

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    Fazit

    Zusammenfassend lässt sich ableiten, dass es vor allem in Deutschland sehr viel ungenutztes Potenzial gibt. Während sich große Konzerne bereits seit Jahren zunehmend (und nicht selten mit Unterstützung von Beratungsunternehmen) mit Datenanalysen und intelligenten Systemen befasst haben, ist es gerade der Mittelstand, der hier oft aufgrund von fehlendem Fachwissen und einer zurückhaltenden Investitionsbereitschaft hinterherhinkt. Einst assoziiert mit Innovation und Agilität lautet die Kernaufgabe des nächsten Jahrzehnts für die deutsche mittelständische Industrie, das enorme Effizienzpotenzial mithilfe von künstlicher Intelligenz nutzbar zu machen und daraus ein neues, digitales und vor allem nachhaltiges Geschäft aufzubauen.

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