Nachhaltigkeit statt Effizienz – neue Paradigmen in der Digitalisierung der Produktion
In den letzten 20 Jahren stand die reine Effizienzerhöhung an oberster Stelle in der Produktion. Doch mit den neuen Herausforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen erhält die Nachhaltigkeit einen signifikanten Stellenwert. Die produzierende Industrie verursacht mit 30 Prozent der weltweiten Gesamtemissionen den größten Anteil. Einfach die Produktion zu stoppen ist keine Option, denn es werden Dinge hergestellt, von denen das moderne Leben abhängt, wie Zement, Kunststoff und Stahl.
Zusätzlich zwingen hohe CO2-Preise die Produktion zu einem Umdenken. Energie ist nach wie vor ein hoher CO2-Treiber für produzierende Unternehmen. Obwohl in der Öffentlichkeit hauptsächlich neue Technologien für die zukünftige Ausgestaltung des Energiesystems diskutiert werden, sind es die stillen, unmittelbaren Lösungen, die bereits heute wirtschaftlich und klimaschützend sein können. Die effizientere Nutzung der Energie kann bereits heute helfen, Kosten zu sparen und die Klimaziele zu erreichen. Energieeffizienz und -einsparung werden nach wie vor unterschätzt, denn eines ist klar: Die beste Energie ist diejenige, die wir nicht verbrauchen.
Für Maschinenbauer und Anlagenbetreiber liegt enormes wirtschaftliches Potenzial in den Daten. Zum einen werden Kunden in Zukunft immer mehr Daten zur Energieeffizienz, zum Strom- oder Luftverbrauch einfordern. Zum anderen kann mithilfe von Daten eine KI-gestützte Software trainiert werden und für eine effizientere Energieverteilung sorgen. So kann sie beispielsweise auf das Ziel trainiert werden, nicht nur den geringsten Input für den gewünschten Output zu erzielen, sondern auch die beste Kombination aus Maschinenparametern für eine energiesparende Produktion zu identifizieren. Ein weiterer Anwendungsfall ist, durch künstliche Intelligenz zu prognostizieren, wie viel Energie wann benötigt wird, um den Energieeinkauf besser zu planen. Dass eine energiesparende Produktion nicht nur gut für die Umwelt ist, sondern auch einen ökonomischen Mehrwert hat, zeigt die aktuelle Energiekrise.
Neues Software-as-a-Service-Geschäft aufbauen
Wenn mithilfe von Datenanalysen und KI signifikante Effizienzsteigerungen in der Produktion beziehungsweise im Anlagenbetrieb ermittelt wurden, lassen sich daraus auch eigene neue digitale Produkte entwickeln und damit einhergehend beispielsweise ein neues digitales Geschäft aufbauen. Die Grundidee ist es, digitale Transformationen zum digitalen Geschäft weiterzuentwickeln, das heißt, es werden neue Umsätze über digitale Produkte generiert.
Eine typische Herausforderung für Maschinenbauer und Anlagenbetreiber ist dabei die Philosophie, digitale Produkte für die eigenen Komponenten zu entwickeln. Oftmals werden diese als digitale Verlängerung der eigenen Produktion gesehen, mit dem Ziel, am Ende mehr Maschinen und Anlagen zu verkaufen. Das ist aus mehreren Gründen oft zu kurzsichtig gedacht: Zum einen wollen viele Kunden nicht mit einer Software von einem Hersteller abhängig werden und nur noch von diesem Hersteller kaufen (Stichwort Lock-in-Effekt), zum anderen sollte Software für alle existierenden Maschinen und Anlagen funktionieren, um die größtmöglichen Effizienzpotenziale zu heben. Das heißt, um nachhaltig ein größeres digitales Geschäft aufzubauen, empfiehlt es sich, sich nicht nur auf die eigenen Kunden zu fokussieren, sondern auch herstellerunabhängig eine Anbindung an Maschinen und Komponenten von Wettbewerbern zu ermöglichen. Daraus ergeben sich wieder neue ökonomische Vorteile wie der Zugang zu neuen Personengruppen und Nutzern.
Erhebliche Kostenersparnis mit KI in der Produktion
Ein weiterer Erfolgsfaktor für den Aufbau von digitalem Geschäft ist die richtige Preisstrategie: Eine stark kundenorientierte Preisgestaltung ist eine wertorientierte Preisgestaltung (auch bekannt als „value-based pricing“). Diese ist für Kunden besonders attraktiv und risikoarm, weil der Preis für den Kunden auf dem wirtschaftlichen Nutzen basiert und nicht auf dem Kauf der Software. Auch für Anbieter kann diese Preismethode attraktiv sein. Beispiel: Wenn mithilfe eines KI-basierten Softwareprodukts bei einem Kunden eine Effizienzsteigerung von 10 Prozent erzielt wird, zum Beispiel durch weniger ungeplante Maschinenstillstände, erlaubt es diese Preismethode, kommerziell an der gewonnenen Effizienz zu partizipieren. Wenn jährlich 1 Million Euro eingespart werden, lassen sich 250.000 Euro als Preis rechtfertigen. Wenn nichts gespart wird, wird auch nicht gezahlt. Dadurch werden Preise stärker an den wirtschaftlichen Vorteilen und den Kundenbedürfnissen ausgerichtet. Eine Herausforderung dieser Preismethode sind die genaue Bestimmung des messbaren Kundenmehrwerts und die Destillierung des Einflusses des Produkts.
Ein oft übersehener Wettbewerbsvorteil von vielen Maschinenbauern und Anlagenbetreibern gegenüber jungen Start-ups ist der Zugang zu einem breiten Spektrum an Bestandskunden. Jungen B2B-Start-ups fehlt es oft an Vertrauen und Kontakten zu den richtigen Ansprechpartnern, um neue, innovative Lösungen zu entwickeln. Maschinenbauer und Anlagenbetreiber hingegen besitzen oft bereits ein sehr breites Kundensegment und können sehr schnell und effizient neue, innovative Softwareprodukte konzipieren, prototypisieren und testen. Ein großer Unterschied zum klassischen Konsumentengeschäft ist, dass Maschinenbauer oftmals nicht mehrere Hunderttausend Kunden haben, sondern mehrere Hundert bis wenige Tausende. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass neuartige Produkte und Lösungen bei Einführung bereits ein solides Entwicklungsstadium haben sollten, um die Kunden und Nutzer nicht mit unfertigen Lösungen zu verprellen. Nach der erfolgreichen Erprobung lassen sich diese Lösungen schnell auf die weitere Kundenbasis ausrollen. Auch hier haben viele Maschinenbauer und Anlagenbetreiber einen klaren Vorteil gegenüber jungen, kleineren Firmen.