Zwei Stunden Wartezeit vor dem Sicherheitscheck am Flughafen. Der Lieblingsitaliener in der Stadt hat seit ein paar Monaten nur noch von Mittwoch bis Samstag geöffnet. Und in der Physiotherapiepraxis ist eine Behandlung frühestens in sechs Wochen möglich.
Die Begründung ist immer die gleiche: fehlendes Personal. Pflegeeinrichtungen und Cafés, IT-Dienstleister und Autowerkstätten, Versicherer und öffentliche Verwaltung, alle suchen händeringend Mitarbeitende. Und Entspannung ist nicht in Sicht, egal ob es um Controllerinnen, Redakteure, Sachbearbeiterinnen oder Vertriebsexperten geht. Im Gegenteil, die Lage verschärft sich weiter.
Für die Planung der Personalstrategie in Unternehmen hat das einschneidende Folgen. Fehlende Arbeitskräfte begrenzen quer durch alle Branchen die Geschäftsmodelle und Unternehmensziele. Die Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden konnte sich schon immer langwierig gestalten. Doch jetzt gilt es, bereits bei der Planung neuer Strategien und Geschäftsmodelle zu prüfen, ob die nötigen Fach- und Führungskräfte in Zukunft überhaupt verfügbar sind – oder die Pläne angepasst werden müssen. Strategische Personalplanung wird für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit immer wichtiger.
In vielen Unternehmen ist diese neue Realität indes noch nicht angekommen. Über die künftige Zahl der Arbeitskräfte und ihre Qualifikationen herrscht keine Klarheit, gezieltes Recruiting und Upskilling finden nicht statt. Tools für die strategische Personalplanung bringen nicht die gewünschten Erfolge. Auch die Methode der HR-Businesspartner nach dem Personalmanagement-Vordenker Dave Ulrich löst das Problem nicht unbedingt. Denn die strategische Personalplanung scheitert regelmäßig an fünf Hürden:
Hürde 1: Kurzfristiges Denken
Viele Unternehmen denken in kurzen Zeiträumen, nicht zuletzt wegen der Erwartungen der Anteilseigner. Auf der Suche nach schnellem Nutzen werden mittel- und langfristige Folgen ausgeblendet. In einer Entlassungsrunde denkt keiner an die Zeit danach, wenn das Geschäft wieder anzieht, die Entlassenen aber längst neue Jobs haben. Steht in einer Krisensituation das Überleben des Unternehmens auf dem Spiel, ist diese Argumentation nachzuvollziehen. Doch auch unter weniger drastischen Umständen geht es oft nur um unmittelbare Einsparungen, ohne Kündigungsfristen und Abfindungen richtig einzupreisen.
Mit „Vorausrechnen“ lässt sich diesem Kurzfristdenken entgegenwirken. Was spart eine Entlassung? Stehen dieser Ersparnis Kosten gegenüber? Welches Know-how geht verloren? Was kostet die Neubesetzung, wenn der Personalbedarf wieder steigt?
Langfristige Überlegungen legen die Kosten kurzfristigen Handelns offen – und öffnen Türen für die strategische Personalplanung. Wer weiß, dass in zehn Jahren Führungskräfte gebraucht werden, stellt heute Azubis und Trainees ein, statt kurzfristig eine neue Teamleitung zu rekrutieren. So lassen sich auch Kompetenzen auf das Unternehmen zuschneiden.
Hürde 2: Undifferenzierter Blick auf die Belegschaft
Die strategische Personalplanung muss die unterschiedlichen Rollen und Anforderungsprofile im Unternehmen genau im Blick haben. Wer Personalkosten sparen muss, fährt oft pauschal herunter. Wo eine Trennung einfach ist, zum Beispiel bei Zeitverträgen oder im vorruhestandsfähigen Alter, wird zuerst gekürzt. Besser ist der Blick auf Details: Wer ist kritisch fürs Geschäftsmodell? Welche Fähigkeiten sind auf dem Arbeitsmarkt knapp? Welche Profile sind dringend gefragt, wenn das Geschäft zurückkommt?
Der rasche Wandel führt oft zum gleichzeitigen Auf- und Abbau von Jobs. Ein Geschäftsbereich rekrutiert, in einem anderen wird abgebaut ¬– ohne an interne Personaltransfers zu denken. Besser ist es, die Mitarbeitenden von heute auf die Anforderungen von morgen vorzubereiten. Diese Workforce Transformation wird umso wichtiger, je knapper das Angebot an Arbeitskräften ist.
Hürde 3: Mangelnde Datenqualität und fehlende Risikomodelle
Dass der demografische Wandel Druck macht, ist keine Frage. Aber Personalplaner müssen transparent machen, wer wann in den Ruhestand geht. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer beenden in den kommenden Jahren das Erwerbsleben. Reine Mitarbeiterzahlen genügen nicht für die Planung. Notwendig sind Details zu Kompetenzen und Tätigkeitsprofilen, etwa sogenannte Job-Family-Konzepte, die Kompetenzcluster zusammenfassen, von IT über Marketing und Produktion bis hin zur Logistik. Sie lassen sich weiter konkretisieren und im Verbund mit Kennzahlen wie Alter, Geschlecht und Position zur strategischen Planung nutzen.