Woher kommen Ihre Umsätze?
Albert Schmidbauer: Wir haben als reines B2B-Unternehmen begonnen, machen heute aber schon 75 Prozent unseres Umsatzes mit B2C. Das war ein riesiger Shift, ebenso im Digitalen: Wir erzielen 66 Prozent unserer Erlöse im digitalen Geschäft. Das hat sich enorm weiterentwickelt, da wir früh begonnen haben. Wir haben ein riesiges Netzwerk von 9.000 Ärzten, Therapeuten et cetera, die mit uns arbeiten, und bedienen so eine Community von gesamt rund 350.000 Menschen. So wachsen wir jährlich um rund 20 Prozent – trotz unserer vergleichsweise sehr niedrigen Marketingquote von weniger als vier Prozent.
Herr Unger, Biogena wurde 2006 neu übernommen. Was hat sich aus Ihrer Sicht seither im Sektor Handel und Konsumgüter verändert?
Martin Unger: Im klassischen Handel hat man primär in Regalmetern gedacht, Produkte in die Regale gestellt, kaum Informationen über die Kunden gehabt und viel Geld in Marketing (insbesondere TV, Flugblatt) gesteckt. Die neue Welt funktioniert rein online oder als Omnichannel-Strategie (Kombination aus Filiale und Onlinekanälen, Anm.). Unternehmen haben sehr viele Informationen über Kunden, treten interaktiv mit ihnen in Kontakt und gehen in Richtung One-to-one-Marketing. Der Point of Sale (PoS, Anm.) verliert nicht an Relevanz, aber an Verkaufsfläche. Und: Plattformen üben wesentlich Druck auf die Branche aus. Personal Assistance, etwa durch Amazons Alexa, bedeutet eine weitere Veränderung für die gesamte Branche.
Haben Sie diese Umwälzungen bei der Gründung schon erahnt?
Albert Schmidbauer: Überhaupt nicht. Unser erster Store war ein Laden, wo einfach nur Produkte bereitstanden, quasi eine Abholstation. Unser erster Monatsumsatz betrug 1.135 €. Wir haben schnell gemerkt, dass Kunden einen Ort wollen, an den sie kommen können und wo sie die Marke entdecken. Sie registrieren sich mit ihrem Smartphone, holen Produkte ab und gehen wieder – oder sie bleiben auf einen Kaffee oder ein Beratungsgespräch.
Martin Unger: Was natürlich mehr und mehr kommt, sind neue Technologien wie Augmented oder Virtual Reality. Der PoS wird technologisch ausgestattet. Herr Schmidbauer ist ja ein Quereinsteiger. Das ist oft besser, denn große Handelsunternehmen tun sich schwer, die Transformation einzuleiten. Plötzlich benötigen sie ja Kompetenz in Bereichen wie IT, Social Media oder Daten. Das ist eine gewaltige Herausforderung.
Einer der Hauptgründe, warum stationäre Filialen zunehmend verschwinden, sind die hohen Kosten. Biogena setzt trotz digitaler Aktivitäten auch stark auf Filialen. Wieso?
Albert Schmidbauer: Natürlich ist es wesentlich teurer, einem Kunden ein Produkt in einer physischen Markenerlebniswelt zu verkaufen. Doch häufig ist es so, dass wir das Vertrauen der Kunden in unseren Biogena-Stores gewinnen – und dann Folgeverkäufe online stattfinden.
Martin Unger: Das ist wie bei Nespresso: Im Shop erlebt man den Kaffee, gekauft wird online.
Heute drängen auch vormals reine Onlinemarken vermehrt in den stationären Handel, dann aber meist mit eigenen „Brand Stores“. Kommen Mischhändler unter Druck?
Martin Unger: Ja. Handelsunternehmen drängen entweder in die Nische oder beginnen, sich vertikal zu integrieren. Normale Multibrand-Retailer müssen sich genau überlegen, was es ist, das Kunden in ihren Shop zieht. Österreich hat im europäischen Vergleich die zweitgrößte Verkaufsfläche pro Kopf. Die Flächenentwicklung wird in den nächsten zehn oder 20 Jahren voraussichtlich stark zurückgehen.