Zurechnung von Grundstücken einer Untergesellschaft zu ihrer Obergesellschaft

Die Frage der Zurechnung von Grundstücken einer Untergesellschaft zu einer Obergesellschaft entfaltet im Hinblick auf die Verwirklichung der grunderwerbsteuerbaren Ergänzungstatbestände erhebliche Relevanz. Der BFH hat nun entschieden, dass ein Grundstück der Untergesellschaft ihrer Obergesellschaft nur dann zuzurechnen ist, wenn es ihr im Zeitpunkt der Steuerentstehung aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Das bedeutet, der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht automatisch zu einer Zurechnung des Grundstücks zur Obergesellschaft. 

Im konkreten Fall (Streitjahr 2011) war eine Obergesellschaft in der Rechtsform einer deutschen Personengesellschaft als Gründungsgesellschafterin zu 99,97 Prozent an einer Untergesellschaft in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft beteiligt. Nach Erwerb der Beteiligung an der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft erwarb die Untergesellschaft Grundstücke. Nach Erwerb der Grundstücke stockte die Obergesellschaft ihre Beteiligung auf 100 Prozent auf. Im Anschluss daran wurde die Beteiligung an der Gesellschafterin der Obergesellschaft in der Rechtsform einer deutschen Personengesellschaft in eine luxemburgische Personengesellschaft eingebracht. Das Finanzamt rechnete die Grundstücke der Untergesellschaft der Obergesellschaft zu und sah daher in der Einbringung der Beteiligung an der Gesellschafterin der Obergesellschaft einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG, der jedoch nach § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG steuerbefreit sei. Innerhalb der im Streitjahr geltenden 5-jährigen Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG verkaufte sodann die Obergesellschaft 5,1 Prozent der Beteiligung an der Untergesellschaft und wechselte ihre Rechtsform. Das Finanzamt sah darin eine schädliche Anteilsminderung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG und versagte die Steuerfreistellung rückwirkend.

Der BFH sieht in der Einbringung der Beteiligung an der Gesellschafterin der Obergesellschaft keine Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG, da die Grundstücke der Untergesellschaft nicht der Obergesellschaft zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 01.12.2021, II R 44/18).

Die Frage, ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich allein nach der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung und damit weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Danach gehört ein inländisches Grundstück der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs selbst grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Daraus folgt, dass ein Grundstück nicht (mehr) zum Vermögen der Gesellschaft gehört, wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht, es aber vor dem Anteilsübergang Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG war. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Grundstück (noch) nicht der Gesellschaft gehört, wenn es ihr im Zeitpunkt des Anteilsübergangs nicht aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Dies gilt bei mehrstöckigen Beteiligungen sowohl wenn die Obergesellschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar als auch mittelbar beteiligt ist. Daraus folgt, dass der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft nicht automatisch zu einer Zurechnung des Grundstücks bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften führt.

Auch begründet allein die Beteiligung an der Untergesellschaft keine Zurechnung der Grundstücke zur Obergesellschaft. Zum einen, weil das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe laut BFH selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang darstellt. Zum andern, weil die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG jeweils selbst den mittelbaren Übergang von Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften regeln. Der BFH sieht daher keine Gefahr einer Besteuerungslücke.

Da auch die zeitlich vor der Einbringung erfolgte Absenkung der Beteiligungsgrenze für Anteilserwerbe nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. ab dem 01.01.2000 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 und die Anteilsaufstockung der Obergesellschaft keinen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG verwirklichten, verneinte der BFH im Ergebnis eine Zurechnung der Grundstücke der Untergesellschaft zur Obergesellschaft.

Mangels Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG brauchte der BFH in der Folge nicht darüber entscheiden, ob die späteren Umstrukturierungen zu einem rückwirkenden Wegfall der Begünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F. hätten führen können. Ferner bleibt offen, wie der BFH in einem vergleichbaren Fall nach der neuen Rechtslage entscheiden würde, insbesondere ob eine Doppelbesteuerung möglich ist, wenn § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 2b GrEStG gleichzeitig verwirklicht sind.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.

 

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