Zurechnung von Grundstücken bei Vereinbarungstreuhand

Der BFH führt die Rechtsprechung aus seinem Urteil vom 01.12.2021 (II R 44/18) in zwei Entscheidungen fort und äußerte sich zum einen zur Frage der Zurechnung von Grundstücken i.S.d. Gehörens nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Sind die Grundstücke vor dem Anteilseignerwechsel – aufgrund des Abschlusses einer Vereinbarungstreuhand – bereits Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs gewesen, „gehören“ diese nicht mehr zum Vermögen der Gesellschafterin der grundbesitzenden Gesellschaft. Insofern ist § 1 Abs. 3 GrEStG nicht verwirklicht. In einer zweiten Entscheidung urteilte der BFH zum anderen noch einmal zur Zurechnung von Grundstücken auf Grundlage des § 1 Abs. 3 GrEStG zu einer ausländischen Gesellschaft.

Durch Abschluss eines Treuhandvertrags sind das Grundstückseigentum und die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück verschiedenen Rechtsträgern zuzuordnen. Während der Treuhänder als Eigentümer über das Grundstück für Rechnung und Gefahr des Treugebers verfügt, erlangt die Verwertungsbefugnis des Grundstücks der Treugeber.

Im konkreten vom BFH zu entscheidenden Fall bestand zwischen einer Muttergesellschaft (Treugeber) und ihren grundbesitzenden Enkelkapitalgesellschaften (Treuhänder) eine Vereinbarungstreuhand, die auch den Grundbesitz umfasste. Die Muttergesellschaft veräußerte rund 2 Jahre nach Abschluss der Vereinbarungstreuhand ihre 100-prozentige Beteiligung an der Tochterkapitalgesellschaft, die wiederum teils mittelbar und teils unmittelbar 100 Prozent der Anteile an den grundbesitzenden Enkelgesellschaften hielt. Das Finanzamt setzte daraufhin nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (Streitjahr 2004; vor Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG) Grunderwerbsteuer fest. Streitig war, ob die Grundstücke aufgrund der Vereinbarungstreuhand zwischen Mutter- und Enkelgesellschaften noch zum Vermögen der Tochtergesellschaft „gehörten“ und insofern ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht worden sei.

Der BFH widersprach mit Urteil vom 14.12.2022 (II R 40/20) dem Finanzamt. § 1 Abs. 3 GrEStG ist laut BFH nicht erfüllt, da die Grundstücke der grundbesitzenden Enkelgesellschaften der Tochtergesellschaft nicht mehr i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG "gehörten“. Sie waren zuvor bereits – aufgrund der geschlossenen Vereinbarungstreuhand – Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs entweder i.S.d.
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 oder i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG gewesen.

Für die Frage, ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft gehört, ist die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung maßgebend. Laut BFH ist ein inländisches Grundstück einer Gesellschaft grundsätzlich im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr jedoch nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter
§ 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. In dem Fall, in dem das inländische Grundstück einer anderen Gesellschaft zuzurechnen ist, ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang (hinsichtlich der Anteile an dieser Gesellschaft) das Grundstück nur dann zuzurechnen, wenn sie zuvor hinsichtlich dieses Grundstücks einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden (fiktiven) Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr jedoch in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht. Dasselbe gilt, wenn ihre Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft unter 95 Prozent bzw. nach jetziger Rechtslage unter 90 Prozent sinkt oder der grundbesitzenden Gesellschaft das Grundstück nicht mehr zuzurechnen ist. Diese Grundsätze gelten auch für mehrstöckige Beteiligungen.

Im Falle der Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses kann laut BFH zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragen eine Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG gegeben sein. Diese Verwertungsbefugnis unterliegt dann gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Da dieser Steuertatbestand ebenso wie die Tatbestände des § 1 Abs. 1, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG den wirtschaftlichen Zugriff auf das Grundstück zu erfassen suchen, ist es laut BFH gerechtfertigt, bei Auseinanderfallen von Eigentum und Verwertungsbefugnis die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke dieser Erwerbstatbestände an die Verwertungsbefugnis und nicht mehr an das wirtschaftlich bedeutungslos gewordene Eigentum anzuknüpfen. Die vom Finanzamt vertretene Auffassung einer grunderwerbsteuerrechtlich doppelten Zurechnung – beim Treuhänder als zivilrechtlichem und beim Treugeber als wirtschaftlichem Eigentümer – lehnte der BFH somit indirekt ab.

In der Folge wurde mangels Zurechnung der Grundstücke zur Gesellschafterin der grundbesitzenden Gesellschaften kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Sofern die Treuhandverträge dahin auszulegen sind, dass sie einen Übereignungsanspruch begründen, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Andernfalls wurde die Verwertungsbefugnis an dem Grundbesitz i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG übertragen. Beide Fälle führen jedoch dazu, dass die Grundstücke vor dem Anteilserwerb einem Veräußerungsvorgang unterlagen.

Am gleichen Tag entschied der BFH dieselben Grundsätze anwendend über die Zurechnung von Grundstücken nach § 1 Abs. 3 GrEStG im Falle einer mehrstöckigen Struktur mit einer amerikanischen Obergesellschaft (BFH-Urteil vom 14.12.2022, NV, II R 33/20). In Fortführung seiner Rechtsprechung vom 01.12.2021 (II R 44/18) bestätigte er noch einmal, dass eine Zurechnung allein auf der Grundlage der Verwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG selbst erfolgen kann, nicht aber allein qua Beteiligung. Eine Zurechnung zur Anteilserwerberin scheidet bei Verwirklichung der vorrangig anzuwendenden Tatbestände des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG hingegen nach zutreffender Auffassung des BFH aus, da die Grundstücke in der (fingiert neuen) Gesellschaft verbleiben.

Die Volltexte der Urteile stehen Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

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