Der BFH stellt klar, dass es keine allgemeine Bagatellgrenze bei der erweiterten gewerbesteuerlichen Grundstückskürzung gibt, wenn der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Daran ändert sich auch nichts, wenn der in Rede stehende Gewerbeertrag des Genossen den persönlichen Freibetrag nicht erreicht.
Gewerbesteuerpflichtige können nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG die sog. erweiterte Grundstückskürzung in Anspruch nehmen, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen. Die erweiterte Grundstückskürzung wird aber versagt, wenn der Grundbesitz dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen des Steuerpflichtigen dient (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG).
Der BFH entschied mit Urteil vom 29.06.2022 (III R 19/21) über einen Fall, in dem eine Genossin lediglich in Höhe von 1/6000 beteiligt war. Streitig war, ob eine Bagatellgrenze hier eingreift und im Ergebnis die erweiterte Grundstückskürzung gewährt werden kann.
Nach Auffassung des BFH ist für eine Bagatellgrenze kein Spielraum, auch wenn die Genossin hier nur einen unwesentlichen Teil vom Grundbesitz für ihren Gewerbebetrieb nutzt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes reiche ein „Teil“ aus und es käme nicht auf die Größe des vermieteten Grundstücks an. Des Weiteren sei die Genossin, wenn auch nur geringfügig, an der Genossenschaft beteiligt. Auch hier sieht der BFH keine Bagatellgrenze. Dieser restriktiven Auslegung steht nach Ansicht des BFH auch nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG entgegen, da auch ein noch so kleiner Anteil die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG erfüllt. Des Weiteren sieht der BFH die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nicht überschritten, da für eine höhere Praktikabilität eine Typisierung erlaubt ist und die Besonderheiten des Einzelfalls vernachlässigt werden dürfen.
Der BFH führt weiter aus, dass die erweiterte Grundstückskürzung auch zu versagen ist, wenn die Genossin mit ihrem Gewerbeertrag (ohne Abzug der Miet- und Pachtaufwendungen) ihren persönlichen Gewerbesteuer-Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG nicht erreicht. Davon abzugrenzen und unschädlich sind Fälle, in denen der in Rede stehende Gesellschafter oder Genosse mit den gesamten Einkünften (positiv wie negativ) von der Gewerbesteuer befreit ist.
Der Senat verkennt nicht, dass diese restriktive Auslegung und die gesetzliche Formulierung zu unbillig empfundenen Ergebnissen führt. Er betont jedoch, dass nur der Gesetzgeber hier Abhilfe schaffen kann, wie er es durch das Fondsstandortgesetz in § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG bereits getan hat (bzgl. Ausschließlichkeitsgebot).
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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