Wegen Verstoßes gegen die EU-Grundrechts-Charta hat der EuGH Teile der 5. EU-Geldwäscherichtlinie für ungültig erklärt. Damit sind auch Bestimmungen des Geldwäschegesetzes („GwG“), die die Einsichtnahme für die Öffentlichkeit in das deutsche Transparenzregister regeln, bis auf Weiteres unanwendbar. Das deutsche Transparenzregister hat noch am 22.11.2022 bis auf Weiteres die Stattgabe der Anträge der Mitglieder der Öffentlichkeit auf Einsichtnahme ausgesetzt. Andere EU-Länder sind bereits entsprechend verfahren.
Der EuGH hat mit Urteil vom 22.11.2022 (verbundene Rechtssachen C-37/20 und C-601/20) Teile der 5. EU-Geldwäscherichtlinie (Richtlinie 2018/843) für ungültig erklärt. Nach Ansicht des EuGH stellt die freie Einsehbarkeit der Transparenzregister durch die Öffentlichkeit mit Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer (auch UBO genannt) einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten dar (Art. 7 bzw. Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta). Diese Angaben ermöglichen es einer potenziell unbegrenzten Anzahl von Personen, sich über die materielle und finanzielle Situation eines wirtschaftlichen Eigentümers Kenntnis zu verschaffen. Außerdem sei der Schutz gegen eine mögliche missbräuchliche Verwendung der personenbezogenen Daten für die betroffenen Personen nicht ausreichend. Der Grundrechtseingriff sei folglich nicht auf das absolut Erforderliche beschränkt und im Verhältnis zum verfolgten Ziel (u.a. Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung) nicht mehr angemessen.
Die bereits rechtskräftige Entscheidung des EuGH bindet sowohl die Institutionen der EU als auch die Mitgliedstaaten. Auf nationaler Ebene haben in Deutschland sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsorgane das Urteil umzusetzen und die entgegenstehende nationale Vorschrift des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GwG unangewendet zu lassen. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage mit einer Einsichtnahme der Öffentlichkeit, die an ein berechtigtes Interesse knüpft, erscheint wahrscheinlich. Auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens wurde vor dem EuGH eine klare Definierbarkeit des Begriffs des berechtigten Interesses unter den Beteiligten diskutiert. Wie der deutsche Gesetzgeber das Urteil genau umsetzen und evtl. den Begriff des berechtigten Interesses definieren wird, bleibt jedoch abzuwarten. Ein schnelles Handeln ist jedenfalls unabdinglich.
Erste praktische Auswirkungen zeigen sich bereits: Nachdem tagelang Anträge auf Einsichtnahme in das Transparenzregister auf dem Status „eingegangen“ blieben, informiert das Transparenzregister derzeit auf seiner Webseite über die Aussetzung der Ausgabe von Auszügen auf Antrag der Öffentlichkeit und verspricht eine zeitnahe Information über die weiteren Auswirkungen der EuGH-Entscheidung. Auch aus anderen EU-Ländern kommen offizielle und inoffizielle Meldungen von einer Art Einsichtnahme-Lock-Down bei den Transparenzregistern.
Während die Entscheidung des EuGH aus Sicht der wirtschaftlich Berechtigten sicherlich zu begrüßen ist, ist zu beachten, dass auch Unternehmen aktuell keine eigenen Transparenzregister-Auszüge ziehen können, z.B. um in der Vergangenheit vorgenommene Mitteilungen auf Aktualität hin zu überprüfen oder auf Anfrage vorzulegen. Dies ist umso bedauerlicher als nach einer erfolgreichen Eintragung von Daten des (fiktiven) wirtschaftlich Berechtigten schon die Transparenzregister-Plattform systemisch keinen Auszug für die betroffenen Unternehmen zur weiteren Verwendung generiert. Laufende KYC-Anfragen von Banken (z.B. im Rahmen einer Kontoeröffnung) oder anderen Verpflichteten i.S.d. Geldwäschegesetzes (z.B. Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, etc.) sollten aber nicht beeinträchtigt sein, da dieser Personenkreis weiterhin Zugang zum Transparenzregister hat.
Der aktuelle Blockade-Zustand muss umgehend gelöst werden. Jedenfalls in Fällen, in denen mit den Geschäftsleitungsmitgliedern ein fiktiver UBO eingetragen ist, besteht schon derzeit keine Notwendigkeit, die Einsichtnahme zu blockieren. Mit einer Neuregelung sollte dem Schutz der Interessen derjenigen Rechnung getragen werden, deren Daten im Transparenzregister einsehbar sind. Gleichzeitig sollte aber auch die praktische und rechtliche Notwendigkeit im wirtschaftlichen Alltag, einen Transparenzregister-Auszug für sich selbst oder einen Dritten ziehen zu können, Berücksichtigung finden.
Zu beachten ist, dass die Entscheidung des EuGH nur den Bereich der Einsichtnahme in das Transparenzregister durch die Öffentlichkeit betrifft. An der Verpflichtung von Rechtsträgern und bestimmten Rechtsgestaltungen zur Mitteilung ihrer wirtschaftlich Berechtigten an das Transparenzregister ändert die Entscheidung nichts.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des EuGH zur Verfügung.
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