Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG

Mit der Reform des Grunderwerbsteuersteuergesetzes wurden u.a. die Haltefristen und Beteiligungsgrenzen der sog. Share-Deal-Regelungen auf 10 Jahre erweitert bzw. 90 Prozent abgesenkt. Daneben wurde eine Neuregelung für Anteilseignerwechsel an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften eingeführt (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Die obersten Finanzbehörden der Länder haben sich nun in ihren gleichlautenden Ländererlassen zu Anwendungsfragen bei Anteilseignerwechsel an grundbesitzenden Kapital- bzw. Personengesellschaften geäußert. 

Die Gesetzesanpassungen durch die Reform des Grunderwerbsteuergesetzes, die überwiegend Änderungen im Bereich der Ergänzungstatbestände (sog. Share-Deal Regelungen) betreffen, sind grundsätzlich erstmals für Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach Ablauf des 30.06.2021 verwirklicht werden. Wegen zahlreicher Anwendungsfragen zur Neuregelung des § 1 Abs. 2b GrEStG (Anteilseignerwechsel an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften) sowie dem Verhältnis der Norm zum bestehenden § 1 Abs. 2a GrEStG (Anteilseignerwechsel an grundbesitzenden Personengesellschaften) wurde der Erlass zu § 1 Abs. 2b GrEStG mit Spannung erwartet. Die obersten Finanzbehörden der Länder haben darüber hinaus den bestehenden Erlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG überarbeitet.

Wie erwartet orientiert sich der Aufbau des Erlasses zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG an dem bereits bekannten Aufbau des Erlasses zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG. Daher im Folgenden die wesentlichen Änderungen, die beide Erlasse vorsehen:

  • Laut den Erlassen gehören die Grundstücke zum Vermögen der Gesellschaft, die ihr grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Dies ist der Fall, wenn das Grundstück der Gesellschaft im Zeitpunkt der Steuerentstehung aufgrund eines nach § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Damit besteht das Risiko einer Mehrfachbesteuerung eines Grundstücks durch Zurechnung zu mehreren Gesellschaften. Hinweis: zur Frage der Zurechnung von Grundstücken an eine Obergesellschaft ist derzeit ein Verfahren beim BFH anhängig (II R 44/18).
  • Die Eigenschaft als Altgesellschafter bleibt nur bei einer mittelbaren Verkürzung der Beteiligungskette erhalten. In Fällen einer unmittelbaren Anteilsübertragung an der grundbesitzenden Personen-, bzw. Kapitalgesellschaft führt die Verkürzung dagegen zu einem Gesellschafterwechsel nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG.
  • Das sog. Formwechsel-Modell wird verhindert, indem relevante Gesellschafterwechsel an der formwechselnden Gesellschaft auch nach dem Formwechsel unter gewissen Voraussetzungen als zu erfassende Gesellschafterwechsel gelten.
  • Der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG sieht kein Konkurrenzverhältnis der Normen zueinander vor. Laut Verwaltungsauffassung sind nun § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG gleichrangig. Es besteht kein Vorrang. Nachteile könnten sich daraus insbesondere im Hinblick auf die zeitgleiche Verwirklichung beider Tatbestände und einem tatbestandlichen Ausscheiden der Anrechnung der Steuer nach § 1 Abs. 6 GrEStG ergeben und in einer Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung enden.
  • Das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (Signing) und das dingliche Rechtsgeschäft, d.h. der Übergang der Anteile (Closing) stellen laut den Erlassen zwei grunderwerbsteuerrechtliche Vorgänge dar. Dies ist insbesondere in Fällen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder Abs. 3a GrEStG und § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG entscheidend, in denen der Besteuerungszeitpunkt der Ersatztatbestände auseinanderfällt. Während § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder Abs. 3a GrEStG im Zeitpunkt des Signing verwirklicht ist, sind § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG erst im Zeitpunkt des Übergangs der Anteile verwirklicht. Daher hat nach Verwaltungsauffassung eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder Abs. 3a GrEStG im Zeitpunkt des Signing und im Zeitpunkt des Closing eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG zu erfolgen. Die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder Abs. 3a GrEStG soll stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erfolgen und ist wieder aufzuheben oder zu ändern, sobald der Bescheid nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG ergeht und soweit Grundstücksidentität besteht. Allerdings kann das Finanzamt von einer Festsetzung nach § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG laut den Erlassen absehen, sofern innerhalb eines Jahres eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG erkennbar ist bzw. erfolgt.

Die gleichlautenden Erlasse des § 1 Abs. 2b GrEStG stellen zudem klar, dass in Fällen des § 1 Abs. 2b GrEStG Steuerschuldner die grundbesitzende Kapitalgesellschaft und nicht eine darüber geschaltete Kapitalgesellschaft ist (§ 13 Nr. 7 GrEStG). Nicht geäußert hat sich die Verwaltung im Erlass zu § 1 Abs. 2b GrEStG zu Anteilsübertragungen, bei denen das Signing vor Ablauf des 30.06.2021 und das Closing nach dem 01.07.2021 erfolgt ist. Auch sind in den gleichlautenden Erlassen des § 1 Abs. 2b GrEStG keine Ausführungen zur Anwendung der Börsenklausel des § 1 Abs. 2c GrEStG enthalten. Dem Vernehmen nach wird hierzu derzeit ein separater Erlass erarbeitet. Der Erlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG bezieht sich nur auf Zeiträume nach der gesetzlichen Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG, d.h. nach dem 30.06.2021.

Eine weitere wesentliche Änderung, nur die gleichlautenden Erlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG betreffend, ist die Lossagung der Finanzverwaltung von der in der Literatur seit langem kritisierten sog. Ewigkeitsklausel. Somit gilt bei mittelbaren Anteilseignerwechseln an einer Kapitalgesellschaft, die wiederum Anteile an einer grundbesitzenden Personengesellschaft hält, der Fünf-bzw. Zehnjahreszeitraum.

Der Erlass zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Vorgänge, die vor dem 01.07.2021 verwirklicht werden oder unter die Übergangsregelung des § 23 Abs. 19 und Abs. 20 GrEStG fallen, gilt der Erlass mit der Maßgabe, dass die Beteiligungsgrenze von 95 Prozent und ein Fünfjahreszeitraum anzuwenden sind.