Erfolgswirksame Teilwertabschreibung bei Wertpapierdarlehen

Trägt bei einem Wertpapierdarlehen der Darlehensnehmer die Kurschancen und -risiken der überlassenen Wertpapiere, so ist ihm laut BFH das wirtschaftliche Eigentum und damit die Bilanzierungspflicht der Wertpapiere zuzurechnen. Der Darlehensgeber aktiviert dabei erfolgsneutral eine Rückübertragungsforderung, für die gilt, dass mögliche Teilwertabschreibungen nicht unter das Abzugsverbot nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG fallen. Zudem entschied der BFH zur Bewertung von Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle sowie zur Ermittlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns nach Rückgabe von Fondsanteilen im Jahr 2005.

Der BFH hatte mit Urteil vom 29.09.2021 (I R 40/17) gleich über mehrere Sachverhaltskomplexe zu entscheiden. Ein wesentlicher Komplex war das Thema Teilwertabschreibungen auf die Rückübertragungsforderungen aus Wertpapierdarlehen. Diesbezüglich hatte der BFH vorab die Frage zu klären, ob i.R.d. streitgegenständlichen Darlehensgewährungen nur die „leere Hülle“ des zivilrechtlichen Eigentums an den Wertpapieren oder auch das (steuerlich) wirtschaftliche Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO auf die Darlehensnehmer übergegangen ist. Letzteres war im Streitfall zu bejahen, da die Darlehensnehmer die Kurschancen und -risiken der überlassenen Wertpapiere vollständig getragen haben. Unerheblich sei es insoweit, dass durch die Darlehensnehmer keine Stimmrechte ausgeübt wurden oder dass ggf. Kompensationszahlungen (während der Darlehenslaufzeit auf die Wertpapiere gezahlte Zinsen, Gewinne und sonstige Ausschüttungen waren dem Darlehensgeber zu erstatten) zu leisten gewesen seien. Entscheidend war vielmehr, dass – in Abgrenzung zum Senatsurteil vom 18.08.2015, I R 88/13 – die Möglichkeit der Darlehensnehmerin zur wirtschaftlichen Nutzung von Kursänderungen nicht vertraglich dadurch beschränkt war, dass die Wertpapiere zu einem bestimmten Kurs an die Darlehensnehmerin ausgegeben wurden und nach Ablauf der Darlehenslaufzeit zum gleichen Kurs zurückzugeben waren.

Hinsichtlich der Bilanzierung und Bewertung beim Darlehensgeber entschied der BFH – im Einklang mit der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 09.07.2021, Rz. 11) und der im Schrifttum vorherrschenden Meinung –, dass die an die Stelle der Aktien getretenen Rückübertragungsforderungen erfolgsneutral mit dem Buchwert der ausgereichten Rückübertragungsforderungen, d.h. mit dem Buchwert der Wertpapiere, zu aktivieren seien. Weiter habe dies zur Folge, dass Teilwertabschreibungen auf die Forderungen bei voraussichtlich dauernder Wertminderung (grundsätzlich dann, wenn der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 Prozent der Notierung bei Erwerb überschreitet) nicht gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG außerbilanziell zu neutralisieren seien.

Denn der Tatbestand des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG gelte nur für Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Anteilen, die dem Steuerpflichtigen steuerrechtlich zuzurechnen sind, und damit nicht für Gewinnminderungen auf Forderungen, die auf die künftige Verschaffung von Anteilen (Wertpapierrückübertragung) gerichtet seien. Insoweit handle es sich also bei der zu bewertenden Bilanzposition „Rückübertragungsforderung“ um einen von dem Anteil zu unterscheidenden schuldrechtlichen Lieferungsanspruch. Im Streitfall verneinte der BFH dabei auch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 AO, insbesondere deshalb, da der Kläger in den Streitjahren in erheblichem Umfang auch Wertpapierdarlehen über Aktien ausgereicht hat, die nicht im Teilwert gemindert waren und hinsichtlich derer folglich keine vergleichbaren steuerlichen Vorteile im Raum gestanden haben.

In dem weiteren vom BFH zu entscheidenden Sachverhaltskomplex „Bewertung der Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle“, stellte der Senat fest, dass bei der Berechnung des Minderungsbetrags nach § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG Renten-Deckungsrückstellungen i.S.v. § 341g Abs. 5 HGB einzubeziehen seien. Dabei seien sie i.R.d. Ablaufverprobung nach den für steuerliche Zwecke anzuwendenden Regeln zu bewerten und insbesondere seien etwaige Nachreservierungen aufgrund veränderter Daten zur Lebenserwartung nicht zu eliminieren.

Des Weiteren entschied der BFH, dass in die aufgrund einer im Jahr 2005 durchgeführten Rückgabe von Fondsanteilen vorzunehmende Ermittlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 ggf. auch Verluste aus Veräußerungen von Aktien eingehen, die sich auf Ebene des Fonds vor Inkrafttreten des InvStG 2004 (im Streitfall: im Jahr 2002) realisiert haben. Eine Hinzurechnung sei gegeben, da es sich im Streitfall bei den auf Ebene der Fonds im Jahr 2002 realisierten Verluste aus der Veräußerung von Aktien um Gewinnminderungen handelte, die bei einer Direktbeteiligung nach § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG nicht berücksichtigt werden dürften. Nach Auffassung des BFH ist also im Rückgabefall der beim Anleger nach § 8b KStG freizustellende bzw. hinzuzurechnende Betrag auf den Zeitpunkt der Rückgabe zu ermitteln (hier: 2005) und nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage zu bestimmen.

Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.

Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.

 

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