Der BFH positioniert sich bei der Frage, nach welcher Methode der fremdübliche Darlehenszins bei Konzerndarlehen zu ermitteln ist, gegen die in den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise („VWG VP“) vertretene Auffassung der Finanzverwaltung. Der BFH bestimmt, dass sich der Zins nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Darlehensnehmers und nicht etwa des Darlehensgebers richtet und dabei vorrangig vor der Kostenaufschlagsmethode die Preisvergleichsmethode anzuwenden sei. Der Vorrang der Preisvergleichsmethode gelte auch, wenn diese erst nach Anpassungsrechnung anwendbar ist. Ebenfalls sei keine – wie in Tz 3.92 VWG VP vorgesehene – Beschränkung auf einen risikofreien Zins vorzunehmen.
Im Streitfall erhielt die Klägerin von ihrer niederländischen Schwester-Finanzierungsgesellschaft eine größere Anzahl von Darlehen. Das Finanzamt hielt die von der Klägerin gezahlten Zinsen für überhöht und rechnete die Differenz als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA im Dreiecksfall) zu. Da das FG Münster als Vorinstanz nach Auffassung des BFH nicht hinreichend geprüft habe, ob im Streitfall die Preisvergleichsmethode für die Ermittlung der fremdvergleichsgerechten Darlehenszinsen zur Anwendung kommen kann, hat der BFH das Verfahren zur weiteren Entscheidung und zur Nachholung von Feststellungen an das FG zurückverwiesen. Denn die Preisvergleichsmethode sei vorrangig vor der sog. Kostenaufschlagsmethode anzuwenden (BFH-Urteil vom 18.05.2021, I R 4/17). Der BFH weist dabei daraufhin, dass auch die OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu Finanztransaktionen (Inclusive Framework on BEPS – Aktionspunkte 4, 8-10 vom Februar 2020) eine Ermittlung des Verrechnungspreises für Konzerndarlehen nach den "Cost of funds" (Geldbeschaffungskosten) des darlehensgebenden Unternehmens nur für den Fall vorsehen, dass keine vergleichbaren Fremdgeschäftsvorfälle zur Verfügung stehen.
Voraussetzung sei, dass sich für eine bestimmte Leistung im Geschäftsverkehr des betreffenden Unternehmens mit Dritten (interner Preisvergleich) oder im allgemeinen Geschäftsverkehr (externer Preisvergleich) ein bestimmter Preis als üblicher Preis feststellen lässt. Dieser übliche Preis sei insbesondere auch dann maßgeblich, wenn er höher oder niedriger liegt als der Betrag, der bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ermittelt würde. Ergänzend führt der BFH aus, dass es für den „internen“ Preisvergleich unschädlich sei, wenn keine Bürgschaften der Konzernobergesellschaft als Sicherheiten gestellt werden, da es nicht von vornherein ausgeschlossen sei, dass der Einfluss dieser Sicherheiten auf die Höhe des vereinbarten Zinses durch Anpassungsrechnungen oder Schätzungen eliminiert werden könnte. Dem „externen“ Preisvergleich stehe grundsätzlich nicht entgegen, wenn die Darlehensgeberin als konzerninterne Finanzierungsgesellschaft nicht die gleichen Strukturen wie eine Geschäftsbank aufweist. Weiter könne die Preisvergleichsmethode nicht daran scheitern, dass die Darlehensnehmerin in einen Konzernverbund eingegliedert ist.
Insoweit positioniert sich der BFH in seinen weiteren Ausführungen gegen die in den „VWG VP“ vertretene Auffassung der Finanzverwaltung. In der Tz. 3.92 vertritt das BMF die Auffassung, dass der Zins einer Finanzierungsgesellschaft auf eine risikofreie Rendite beschränkt sei, wenn diese nicht die Risikokontrollfunktion ausübe und über die Kapazität verfüge, das Ausfallrisiko zu tragen. Das BMF hat vermutet, dass eine Funktions- und Risikoanalyse dies im vorliegenden Fall ebenfalls ergeben würde. In diesem Fall trage die Finanzierungsgesellschaft das Risiko nicht, weshalb nur eine Vergütung als risikoarmer Dienstleister in Frage käme. Dieser Auffassung folgt der BFH ausdrücklich nicht. Ausgangspunkt für die Risikoanalyse i.R.d. Fremdvergleichs sei das sich aus dem Darlehensvertrag ergebende Leistungsgefüge und das Verhältnis der Vertragsparteien. Der Umstand, dass die Darlehensgeberin im Falle einer durch einen Kreditausfall ausgelösten Krise wahrscheinlich von der Konzernspitze finanzielle Unterstützung erfahren würde, habe keinen Einfluss auf das Leistungsgefüge der Darlehensverträge oder auf die Bewertung der im Rahmen der Darlehensverhältnisse zu erbringenden gegenseitigen Leistungen. Vielmehr ginge es ausschließlich um die Angemessenheit des Entgelts für die Kapitalüberlassung im Verhältnis der Parteien des Darlehensvertrags, welches nicht von den finanziellen Kapazitäten des Darlehensgebers abhänge. Andernfalls würde das nicht zu rechtfertigende Ergebnis eintreten, dass Darlehen von Schwestergesellschaften anders zu verzinsen wären als Darlehen, welche man von der Konzernobergesellschaft erhält.
Schließlich führt der BFH aus, dass i.R. eines (internen oder externen) Preisvergleichs zur Feststellung des Kreditausfallrisikos eine Bonitätsbeurteilung der Klägerin erforderlich sei. Nach Auffassung des BFH gilt dabei, dass für die Beurteilung der Bonität nicht die durchschnittliche Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns, sondern die Bonität der darlehensnehmenden Konzerngesellschaft maßgebend sei ("Stand alone"-Rating). Ein nicht verfestigter Konzernrückhalt sei nur zu berücksichtigen, falls ein konzernfremder Darlehensgeber der Konzerngesellschaft dadurch eine Kreditwürdigkeit zuordnen würde, die die "Stand alone"-Bonität der Gesellschaft übersteigt.
Ebenfalls bemerkenswert ist die Auffassung des BFH, wonach das FG den maßgeblichen Fremdvergleichspreis im Regelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß § 162 Abs. 1 AO schätzen müsse. Hierbei habe das FG zu beachten, dass es häufig für die betreffende Leistung nicht "den" Fremdvergleichspreis, sondern eine Bandbreite von Preisen geben wird. In einem solchen Fall sei bei der Berechnung der vGA von dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Vergleichspreis auszugehen.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier.
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