Der BFH äußert sich zur Qualifizierung von Kapitalforderungen i.S.d. § 20 EStG, dem Begriff der Rückzahlung als auch den Ausnahmen von der Abgeltungsteuer für Fälle der Gesellschafterfremdfinanzierung durch einen zu mindestens 10 Prozent an einer Kapitalgesellschaft beteiligten Anteilseigner.
Im konkreten Fall erwarb ein zu mehr als 10 Prozent an einer GmbH beteiligter Gesellschafter von einem Mitgesellschafter eine gegen die GmbH bestehende Forderung durch Abtretung gegen Zahlung von 1 Euro (Nennwert ca. 80.000 Euro). Die Forderung erlosch nachfolgend durch Aufrechnung einer gegenüber der GmbH bestehenden Verbindlichkeit. In der durch Abtretung erworbenen Forderung sah der BFH eine Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Anknüpfend an den erweiterten Veräußerungsbegriff des BFH führe die Aufrechnung zur zivilrechtlichen Erfüllung der Kapitalforderung und mithin zu einer Rückzahlung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Auf den aus der Differenz zwischen Nennwert und Abtretungswert ergebenden Kapitalertrag (Veräußerungsgewinn) wandte der BFH den progressiven individuellen Einkommensteuersatz und nicht den besonderen Abgeltungsteuersatz an (BFH-Urteil vom 30.11.2022, VIII R 27/19).
Die Anwendung des Abgeltungsteuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen ist gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG (in der bis zum JStG 2020 geltenden Fassung) ausgeschlossen, sofern die Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft gezahlt wurden, an der der Empfänger zu mindestens mit 10 Prozent als Anteilseigner beteiligt ist. Diese Ausnahme sah der BFH (in der bis zum JStG 2020 geltenden Fassung) als erfüllt an. Das Tatbestandsmerkmal „gezahlt“ setze laut BFH nicht zwingend eine tatsächliche Zahlung vom Schuldner an den Gläubiger voraus, sondern könne auch durch eine Aufrechnung erfolgen. Für den BFH setze der Wortlaut auch nicht voraus, dass die Rückzahlung beim Schuldner der Verbindlichkeit zu einem gewinnwirksamen Aufwand führe.
Mit dem JStG 2020 (BGBl. I 2020, S. 3096) wurde die Norm des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG um eine Einschränkung dahingehend ergänzt, dass der Ausschluss der Abgeltungsteuer gelte, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1, 2. Hs. EStG keine Anwendung findet. Die Neufassung ist grundsätzlich auf nach dem 31.12.2020 erzielte Kapitalerträge anzuwenden; bei Kapitalerträgen aus Darlehen mit vor dem 01.01.2021 begründeter rechtlicher Grundlage dagegen erst ab dem VZ 2024, § 52 Abs. 33b Sätze 1 und 2 EStG.
Der Volltext des Urteils steht Ihnen auf der Internetseite des BFH zur Verfügung.
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