Wann und wie erfolgt die Zusammenfassung von BgA?

In drei aktuellen Entscheidungen befasst sich der BFH mit der Zusammenfassung von BgA. Wir stellen sie Ihnen vor!

Der steuerliche Querverbund als wesentlicher Finanzierungsbaustein der öffentlichen Daseinsvorsorge basiert darauf, dass wirtschaftliche Gewinn- und Verlusttätigkeiten der öffentlichen Hand, soweit diese einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) begründen, für steuerliche Zwecke zusammengefasst werden können. Da die juristische Person öffentlichen Rechts (jPöR) Körperschaftsteuersubjekt für jeden ihrer BgA ist, d.h. Gewinnermittlungssubjekt ist jeweils der einzelne BgA, stellt sich häufig die Frage, welche BgA für Zwecke der Besteuerung zusammenfassbar sind. Mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurden die bis dahin nur auf der Rechtsprechung basierenden Verwaltungsgrundsätze gesetzlich in § 4 Abs. 6 Nr. 1 – 3 KStG verankert. Der Gesetzeswortlaut enthält bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Wahlrecht („kann“) zur Zusammenfassung respektive Trennung von BgA, ohne jedoch die Modalitäten für die Ausübung des Wahlrechts näher zu bestimmen. Nach Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 12.11.2009) erfolgt die zulässige Zusammenfassung von BgA durch die (gemeinsame) steuerliche Gewinnermittlung. Offen ist, ob ein einmal ausgeübtes Wahlrecht rückwirkend durch die jPöR änderbar ist, sofern die Steuerfestsetzung verfahrensrechtlich noch geändert werden kann. Mit diesen Fragen hat sich der BFH in den nachfolgend dargestellten BFH-Urteilen befasst und scheint zum Teil engere (organisatorische) Voraussetzungen an die Zusammenfassung zu stellen als die Verwaltung. Zudem wird klargestellt, dass die Zusammenfassungskriterien tätigkeitsbezogen auszulegen sind. Die beiden ersten Urteile betrafen Streitjahre vor Einführung des § 4 Abs. 6 sowie des § 8 Abs. 7-9 KStG. Es ist daher nicht auszuschließen, dass der BFH zukünftig in Teilen ggf. anders entscheiden würde.

BFH-Urteil vom 18.01.2023 - I R 9/19 (NV)

Die Klägerin, eine Stadt, betrieb zur Restabfallbehandlung eine Müllverbrennungsanlage in der Rechtsform einer KG (Streitjahr 2006). Im Müllverbrennungsprozess wurde auch Energie und Wärme erzeugt, die die KG - soweit sie nicht selbst verbraucht wurde -, an den kommunalen Energieversorger verkaufte. Die Stadt hielt die Beteiligung an der KG neben weiteren (von ihr beherrschten) Beteiligungen in einem Eigenbetrieb und fasste sämtliche Beteiligungen in einem BgA "Verkehr/Versorgung/Hafen" zusammen. Dem widersprach der BFH. Er ließ offen, ob die Tätigkeiten der KG auf Ebene der Stadt einen oder mehrere BgA (Müllverbrennung und Energiegewinnung) begründen könnten. Da durch die Zusammenfassung in der KG eine organisatorische Verflechtung vorlag und zudem zwischen den Tätigkeiten der KG eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht angenommen wurde, sei - selbst bei Vorliegen von zwei BgA – eine steuerwirksame Zusammenfassung erfolgt. Auch die in späteren Jahren seitens der Stadt erfolgte Trennung der Ergebnisse könne hierauf keinen Einfluss haben, da die einmal erfolgte organisatorische Zusammenfassung rückwirkend nicht aufgelöste werden könne (kein Wahlrecht). Eine weitere Zusammenfassung des BgA „Beteiligung Müllverbrennung“, bei dem die Tätigkeit „Müllverbrennung“ das prägende Element ausmachte, mit anderen BgA scheitere lt. BFH bereits an einer fehlenden organisatorischen Verflechtung. Diese könne nicht nach Ablauf des Veranlagungszeitraums neu begründet werden. Zudem fehle es bei diesen BgA aber auch an der Erfüllung der Zusammenfassungskriterien (jetzt § 4 Abs. 6 Nr. 1-3 KStG).   

BFH-Urteil vom 18.01.2023 - I R 16/19

Die Klägerin, eine Stadt, betrieb ein Hallenbad (BgA „Bad“) und war an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft (Mitunternehmer-KG) beteiligt, die als Holding ihrerseits GmbH-Beteiligungen an drei kommunalen Gesellschaften (Geschäftszwecke: Versorgung, Verkehr, Freibad und BHKW) hielt (Streitjahr 2008). Die KG erbrachte gegenüber den GmbHs IT-Dienstleistungen, und es bestand zwischen diesen eine ertragsteuerliche Organschaft. Die Stadt wollte die Verluste aus dem Betrieb des Hallenbades mit den Erträgen aus der Beteiligung an der Holding-KG verrechnen und hatte die KG-Beteiligung als gewillkürtes Betriebsvermögen des BgA „Bad“ erklärt. Der BFH sah die Zusammenfassungsgrundsätze als nicht erfüllt an, mit dem Ergebnis, dass die beiden BgA „Bad“ und BgA „Beteiligung“ getrennt zu besteuern waren. Er begründete dies damit, dass dem Organträger (KG) durch die Organschaft grundsätzlich nur das Einkommen der Organgesellschaft, nicht aber ihre Tätigkeit zugerechnet würde. Die Organgesellschaften würden der Stadt daher keine (eigenen) BgA vermitteln. Die Tätigkeit der KG – die für die Frage der Zusammenfassung mit dem BgA „Bad“ relevant sei – bestünde somit aus der IT-Dienstleistung und Beteiligungsverwaltung und sei daher weder gleichartig mit dem Badbetrieb noch seien die anderen Zusammenfassungskriterien erfüllt. Da der BgA „Beteiligung“ selbst die BgA-Kriterien erfülle, sei eine steuerliche Ergebnisverrechnung nicht durch Willküren der Beteiligung, sondern nur bei Erfüllung der BgA-Zusammenfassungsgrundsätze möglich.  

BFH v. 15.3.2023 - I R 49/20 (NV)

Die Klägerin, eine Stadt, begehrte die Verrechnung der Gewinne des auf dem Weihnachtsmarkt in der Nachbargemeinde betriebenen Glühweinstandes mit den Verlusten ihres BgA "Kurbetrieb" (Streitjahr 2013). Da beide BgA den Betriebszweck der Touristenwerbung verfolgten, lagen aus Sicht der Stadt gleichartige Betriebe vor. Der BFH entschied, dass sich die Gleichartigkeit von BgA anhand der gewerblichen Betätigung selbst und des äußeren Erscheinungsbildes des jeweiligen BgA bestimme und es nicht auf die mit der Tätigkeit verfolgten Ziele ankomme. Während der Glühweinstand ein gastronomischer Verkaufsstand außerhalb des Gemeindegebiets sei, sei der Kurbetrieb ein Konglomerat verschiedener tourismusfördernder Aktivitäten und Dienstleistungen der Klägerin im Gemeindegebiet. Es handele sich somit weder um den gleichen Gewerbezweig, noch würden sich die gewerblichen Betätigungen einander ergänzen. Hierzu bedürfe es einer ausreichenden funktionalen Verbindung (wie z.B. bei Produktions- und Vertriebsunternehmen), die der BFH vorliegend verneinte. Der Fall wurde an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil sich noch Fragen zur steuerlichen Gewinnermittlung des BgA „Glühweinstand“ ergaben. Da der nicht buchführungspflichtige BgA bislang nicht eigenständig deklariert wurde und folglich das für eine Einnahmen-Überschussrechnung erforderliche Wahlrecht nicht ausgeübt habe, sei nun zu klären, ob der BgA-Gewinn zwingend mittels Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln ist. Jedenfalls könne die Wahlrechtsausübung bezüglich des BgA „Kurbetrieb“, in dem die Einnahmen bislang erklärt wurden, nicht auf den anderen BgA übertragen werden. Vor dem Hintergrund, dass die Gewinnermittlungsart je nach Höhe der Umsätze eines BgA entscheidend für die Anwendung der Kapitalertragsteuer ist, bleibt der Ausgang dieses Verfahrens daher spannend.     

Fazit

Unklar bleibt, ob der vorgenannte Organschaftsfall (BFH I R 16/19) durch Einführung des JStG 2009 anders entschieden würde, wenn die Organträgerin wie vorliegend eine Personengesellschaft ist. Aktuell geht die Finanzverwaltung jedenfalls gemäß BMF-Schreiben vom 21.06.2017 davon aus, dass dem Organträger zur Beurteilung der Zusammenfassung die Tätigkeit der Organgesellschaft zugerechnet wird. Dies erweitert grds. den „Spielraum“ für eine weitere Zusammenfassung mit BgA der jPöR - insbesondere, wenn man das Wahlrecht und dessen (zeitliche) Ausübungsmöglichkeit, anders als der BFH es zu sehen scheint, gemäß Verwaltungsauffassung weit auslegen kann. Auch hat der BFH bislang noch nicht zur erstmaligen Ausübung des Zusammenfassungswahlrechts entschieden, sondern im Urteilsfall I R 9/19 (NV) zur rückwirkenden Trennung von bereits zusammengefassten BgA. Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzeswortlaut u.E. nicht eindeutig ist und mit Blick auf die Rechtsprechung empfiehlt es sich, entsprechende Gestaltungen nach Möglichkeit vorab verbindlich abzustimmen bzw. vergleichbare Fälle offen zu halten.   

AutorInnen: StB Tobias Kreiter, StB Heike Sökeland