Die Europäische Kommission hat am 15. Juli 2022 bekannt gegeben, dass sie zahlreiche Einzelvorhaben im Rahmen des Vorhabens „IPCEI Hy2Tech“ genehmigt hat, die der Förderung von Forschung und Innovation sowie der ersten gewerblichen Nutzung in der Wertschöpfungskette der Wasserstofftechnologie dienen. Dass hier in der EU insgesamt 5,4 Mrd. Euro an öffentlicher Förderung der Wasserstofftechnologie auf verschiedenen Stufen der Wasserstofftechnologie ausgereicht werden sollen, ist eine gute Nachricht. Die Krux an derartigen Fördervorhaben aus Sicht der Industrie ist jedoch, dass in entsprechenden deutschen Förderbescheiden in vielen Fällen eine Pflicht zur Anwendung des Vergaberechts verankert wird. Damit droht im Fall einer Nichtbeachtung die Rückforderung von Fördermitteln.
Anwendung der ANBest-P
Gemäß den haushaltsrechtlichen Vorgaben erklären deutsche Behörden in ihren Zuwendungsbescheiden regelmäßig die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) für anwendbar. Dies hat zur Konsequenz, dass Aufträge im Rahmen des geförderten Projekts grundsätzlich im Einklang mit den Bestimmungen des Vergaberechts zu vergeben sind (Ziff. 3 ANBest-P). Ist ein Zuwendungsbescheid ergangen, der die ANBest-P für anwendbar erklärt, sind Aufträge im Rahmen des Förderprojekts grundsätzlich nach den Bestimmungen des Vergaberechts im Wege wettbewerblicher Verfahren zu vergeben.
Nur ein Unternehmen kommt in Betracht
Problematisch ist dieser Anwendungsbefehl des Vergaberechts in den ANBest-P immer dann, wenn insbesondere im Bereich neuer Technologien nur ein Unternehmen als Auftragnehmer für bestimmte Leistungsbereiche in Betracht kommt. Allerdings kann eine Vergabe nach den entsprechenden vergaberechtlichen Bestimmungen auch nach Verhandlungen mit einem Unternehmen an eben dieses Unternehmen erfolgen, wenn aus technischen (z.B. Alleinstellungsmerkmal) oder rechtlichen (z.B. Patent) Gründen nur dieses Unternehmen in Betracht kommt. Wichtig ist jedoch, dass eine Berufung auf entsprechende Ausnahmegründe, die eng auszulegen sind, vorab kritisch geprüft und das Ergebnis dokumentiert wird. Zudem empfiehlt sich eine Abstimmung mit dem Fördergeber.
Anwendung der ANBest-P-Kosten
Ist noch kein Zuwendungsbescheid ergangen, kann auch seitens des jeweiligen Unternehmens auf eine alternative Anwendung der ANBest-P-Kosten hingewirkt werden, soweit diese nach dem jeweils einschlägigen Haushaltsrecht ausnahmsweise anwendbar sind. Neben dem Vorteil einer für Industrieunternehmen häufig einfacheren Abrechnung auf Kosten- und nicht wie sonst auf Ausgabenbasis, enthalten die ANBest-P-Kosten keinen Verweis auf das Vergaberecht. Auch sie verlangen aber, dass Aufträge u.a. nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu vergeben sind. Soweit möglich, sind mindestens drei Angebote einzuholen.
Praxishinweis:
Die Handlungsmöglichkeiten, die einem an einer Förderung interessierten Unternehmen zur Verfügung stehen, hängen vom Verfahrensstand ab. Ist ein Zuwendungsbescheid ergangen oder wurde bereits ein Förderantrag gestellt, kann die Frage einer Anwendbarkeit des Vergaberechts in der Regel nicht mehr beeinflusst werden. In diesen Fällen sollte auf Grundlage des Zuwendungsbescheids stets geprüft werden, welche vergaberechtlichen Vorgaben gelten (Verfahrenswahl, Losbildung, etc.).
Sofern noch kein Zuwendungsbescheid ergangen ist und auch noch kein Antrag gestellt wurde,empfiehlt es sich, die möglicherweise einschlägigen projekt- und förderspezifischen vergaberechtlichen Vorgaben vorab im Rahmen eines „Quickchecks“ zu prüfen. Gleichermaßen sollten wesentliche Entscheidungen mit Bezug zur Förderung dokumentiert und ggf. auch mit dem Fördergeber abgestimmt werden.
Autor:innen: RA Christine Hohenstein-Bartholl, RA Dr. Tim Hagenbruch