Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seinem am 08.12.2022 veröffentlichten Urteil (Az. C-387/21) in einem österreichischen Fall mit der Rückforderung von unrichtig in Rechnung gestellter Umsatzsteuer beschäftigt, dessen Auswirkungen auch für deutsche Unternehmen, gerade aus dem kommunalen Bereich, von Interesse sein dürften.
Der Fall
Ein österreichischer Betreiber (P GmbH) eines Indoor-Spielplatzes hatte auf die Eintrittsgelder fälschlicherweise den Umsatzsteuersatz von 20 Prozent angewandt, obwohl nach österreichischem Recht der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 13 Prozent zutreffend gewesen wäre. Die P GmbH beantragte daher durch Korrektur ihrer Umsatzsteuererklärung die Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuerbeträge. Sie hat aber die zugrunde liegenden Rechnungen – die Eintrittskarten – nicht korrigiert.
Die österreichischen Steuerbehörden lehnten den Erstattungsantrag ab. Sie verwiesen darauf, dass die höhere Mehrwertsteuer gezahlt werden müsse, da die Rechnungen nicht berichtigt wurden. Durch die beantragte Berichtigung würde sich die P GmbH ungerechtfertigt bereichern, da ihre Kunden die Kosten der höheren Mehrwertsteuer getragen hätten.
Das zuständige Gericht legte den Fall dem EuGH vor und fragte an, ob - bei unrichtigem Steuerausweis - die Umsatzsteuer vom Rechnungsaussteller auch dann geschuldet wird, wenn, wie im vorliegenden Fall, keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegen kann, weil die Leistungsempfänger der Dienstleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher sind.
Aktuelle Rechtslage
Grundsätzlich muss die Umsatzsteuer, die in einer Rechnung ausgewiesen wird, entrichtet und ans Finanzamt abgeführt werden. Das regelt Artikel 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie (EU) 2016/1065 des Rates vom 27. Juni 2016 (ABl. 2016, L 177, S. 9) geänderten Fassung.
Ziel dieser Vorschrift ist die Belastung der Mehrwertsteuer nur für den Letztverbraucher, während sie für die Leistungskette neutral bleiben soll. Dies funktioniert dadurch, dass innerhalb der Leistungskette nur in der Höhe Vorsteuer geltend gemacht werden darf, wie sie entrichtet und abgeführt wurde. Daher gibt es im Umsatzsteuerrecht umfangreiche Regelungen, wie mit dem Ausweis unrichtiger oder unberechtigter Umsatzsteuer umgegangen wird, um einen Verlust von Steuereinnahmen möglichst zu verhindern. In Deutschland sind dies die Regelungen des § 14c UStG.
Das Urteil
Der EuGH urteilte, dass das Unternehmen den überhöht ausgewiesenen Mehrbetrag nicht schuldet, wenn ausgeschlossen werden kann, dass das Steueraufkommen gefährdet sei. Dies ist vorliegend der Fall, da die betreffende Leistung, für die die Rechnung mit dem überhöhten Betrag ausgestellt wurde, an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher erbracht worden ist. Daher besteht in dem hier zu entscheidenden Fall kein Risiko, dass die Endverbraucher ihrerseits den unrichtigen Mehrbetrag als Vorsteuer geltend machen können.
Bedeutung für die Praxis
Bislang hat sich die Finanzverwaltung auf den Standpunkt gestellt, dass die Rechnungen korrigiert werden müssen und die zu viel entrichtete Steuer an den Leistungsempfänger zurückgezahlt werden muss (Abschnitt 14c Abs. 1 Satz 6 UStAE). Diese Auffassung muss im Lichte des EuGH-Urteils zukünftig eingeschränkt werden. Wie weit insgesamt die Anwendung des § 14c Abs. 1 UStG durch das vorliegende Urteil beschränkt wird, ist dagegen noch offen.
Fazit
Gerade im kommunalen Bereich gibt es viele Leistungen, die gegenüber Letztverbrauchern erbracht werden und bei denen es wegen Ausnahmeregelungen in den Steuersätzen zu einem Ausweis einer unrichtigen Steuer kommen kann. Dass bei nachgewiesener Leistungserbringung an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Letztverbraucher nunmehr die Rechnungskorrektur (sowie ggf. Umsatzsteuerrückerstattung) vor Steuererklärungsberichtigung unterbleiben kann, ist für die Praxis eine große Arbeitserleichterung.
Autor:innen: RA StB Michael Pfundt, RA StB Christiane Freund