In Bezug auf die Anwendung des § 2b UStG stellen sich für Kirchen besondere Fragen. Hierzu hat sich nunmehr das Finanzministerium Schleswig-Holstein in einem Schreiben geäußert (Schreiben vom 16.01.2023 – USt-Kurzinformation -VI 3510-S 7107-001).
Handlungsweise im öffentlich-rechtlichen Sinne
Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 2b UStG ist das Tätigwerden einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (jPdöR) im Rahmen der öffentlichen Gewalt. Auch bei kirchlichen jPdöR ist nach Auffassung des Finanzministeriums stets im Einzelfall zu prüfen, ob die betreffende Tätigkeit in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsform erbracht wird.
Selbst offensichtlich öffentlich-rechtliche Tätigkeitsbereiche kirchlicher jPdöR wie Kommunion- und Konfirmationsfahrten oder kirchliche Kindergärten und Schulen ließen nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass die jPdöR diese auch in öffentlich-rechtlicher Handlungsform erbringt. Insofern sei der Erlass einer „geschriebenen“ Gebührenordnung in diesen Fällen nicht per se entbehrlich. Vielmehr kann eine Gebührenordnung ein wichtiges Indiz für eine öffentlich-rechtliche Handlungsform sein.
Nicht erforderlich ist laut Finanzministerium hingegen eine bestimmte Formulierung bei der schriftlichen Erhebung von Gebühren. Vielmehr sei das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend, woraus sich das Tätigwerden im Rahmen der öffentlichen Gewalt ergeben muss.
Vorbehaltsaufgaben nach § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG
Sind jPdöR gemäß gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, bestimmte Leistungen bei einer anderen jPdöR nachzufragen, sind größere Wettbewerbsverzerrungen gemäß § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG ausgeschlossen. Nach Auffassung des Finanzministeriums ist es für die Anwendung dieser Norm unschädlich, wenn eine Landeskirche/(Erz-)Diözese in einem Kirchengesetz regelt, dass nur ein bestimmter Kreis der zu ihr gehörenden jPdöR (bspw. Kirchengemeinden) bestimmte Dienstleistungen nur bei einer anderen jPdöR beziehen darf. Größere Wettbewerbsverzerrungen sind insoweit ausgeschlossen, weil private Dienstleister nicht in Anspruch genommen werden dürfen. Ferner muss das Gesetz nicht eine bestimmte jPdöR als Leistungserbringer festlegen. Es reicht aus, als Leistungserbringer allgemein jPdöR festzulegen.
Eine kirchengesetzlich angeordnete Zusammenarbeit führt gemäß Finanzministerium jedoch nicht in jedem Fall zur Anwendung des § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG. Weitere Voraussetzung ist, dass die leistende jPdöR im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird, da der Anwendungsbereich des § 2b UStG andernfalls nicht eröffnet ist.
So kann auf eine Einzelfallprüfung nicht verzichtet werden, wenn die kirchlichen jPdöR einer Landeskirche/Synode durch Kirchengesetz verpflichtet werden, die Verwaltung des jeweiligen Kirchenvermögens durch eine zu diesem Zweck gegründete Facility Management jPdöR erledigen zu lassen. Gleiches gilt, wenn der Zusammenschluss zu Verwaltungs- und Haushaltsverbünden durch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen gesetzlich angeordnet und dabei festgelegt wird, dass bestimmte Leistungen (z. B. im Bereich Seelsorge, Liturgie, Verwaltung, Buchführung, Facility Management) nur von der Trägerin des Verbundes in Anspruch genommen werden dürfen.
Mit Blick auf die umfangreiche Rechtsprechung zur Abgrenzung von zivil- und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten weist das Finanzministerium darauf hin, dass in den beschriebenen Fällen des sog. fiskalischen Verwaltungshandelns (Facility Management usw.) ein privatrechtliches Handeln nicht per se ausgeschlossen werden kann. Vielmehr würden diesbezügliche Werk- und Dienstverträge regelmäßig dem Privatrecht zugeordnet, weil die öffentliche Hand als Nachfrager am Markt tätig wird und sich in dieser Rolle nicht grundlegend von anderen Marktteilnehmern unterscheidet.
Ein Tätigwerden im Rahmen der öffentlichen Gewalt kann dagegen anzunehmen sein, wenn die kirchengesetzliche Regelung für die beteiligten Träger der öffentlichen Verwaltung ein Sonderrecht schafft, das sich von den für alle Marktteilnehmer geltenden Bestimmungen (deutlich) unterscheidet.
Im Falle der Einbindung von Körperschaften des Privatrechts ist eine Anwendung von § 2b UStG in der Regel ausgeschlossen. Nur in Ausnahmefällen und unter ganz bestimmten Umständen kann sich eine Körperschaft des Privatrechts auf die Rechtsprechung des EuGH (Rechtssache C-174/14, Saudaçor) berufen und als jPdöR nach § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG behandelt werden.
Zur Nichtwirtschaftlichkeit von Tätigkeiten und Steuerbefreiungen
Bei Überlassungen von beamteten Personen im Wege der Amtshilfe, Zuweisung, Abordnung usw. ist eine Wettbewerbssituation ausgeschlossen, wenn die jeweilige Tätigkeit nur durch eine Person mit Beamtenstatus ausgeführt werden kann. Kann die jeweilige Tätigkeit hingegen auch ein am Markt verfügbarer Verwaltungsexperte durchführen, würde eine steuerschädliche Wettbewerbssituation bestehen.
Erzielen kirchliche jPdöR anlässlich von Pfarrfesten und Kirchenkonzerten Einnahmen, bspw. aus dem Verkauf von Eintrittskarten, Speisen oder Getränken, handelt es sich laut Finanzministerium regelmäßig um eine steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem EuGH-Urteil vom 06.10.2009 (C-267/08), wonach „Tätigkeiten der Außenwerbung“ gemeinnütziger Organisationen nur im Einzelfall nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen seien.
Die beschriebenen Einnahmen sind in der Regel auch steuerpflichtig. Eine Anwendung der Steuerbefreiung nach des Art. 132 Abs. 1 Buchst. o i. V. m. Buchst. l MwStSystRL kommt nicht infrage.
Kommunion- und Konfirmationsfahrten sowie kirchliche Kindergärten und Schulen können hingegen nach anderen Vorschriften steuerbefreit sein, insbesondere nach § 4 Nr. 23 Buchst. a und Nr. 25 UStG. Zudem kann bei Kirchenkonzerten und Umsätzen aus dem kulturellen Bereich die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG Anwendung finden. Insoweit ist mit Anpassung des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG zum 01.01.2023 für kirchliche Einrichtungen die Notwendigkeit des besonderen Bescheinigungsverfahrens nach Satz 2 entfallen.
Fazit
Die Anwendung des § 2b UStG wird auch nach der Veröffentlichung des Finanzministeriums Schleswig-Holstein häufig im Einzelfall zu prüfen sein. Spielräume für die Kirchen ergeben sich vor allem bezüglich der rechtlichen und vertraglichen Ausgestaltung von Tätigkeiten. Gern unterstützen wir Sie dabei.
Autoren: StB Dr. Carolin Rublack, StB Jörn Sievering