Beihilfenkonforme Finanzierung einer Seilbahn im ÖPNV

Europäische Kommission gibt den Weg frei

Bislang bestanden Unsicherheiten, ob und wie Investitions- und Betriebskosten für in den ÖPNV integrierte Seilbahnen beihilfenkonform durch die öffentliche Hand getragen werden können. Nun trägt die Europäische Kommission zur Klärung bei.

In einigen Städten wird derzeit zur Entlastung des Individualverkehrs die Einführung einer Seilbahn mit einer ÖPNV- und SPNV-Anbindung geprüft. Regelmäßig sollen die Fahrgäste das neue Angebot mit den üblichen Verbundfahrscheinen nutzen können. Ebenso sollen die Betriebszeiten zur Integration der Seilbahn in den sonstigen ÖPNV auf diesen angepasst werden. Es wird erwartet, dass eine hohe Zahl von Fahrgästen pro Tag vom Individualverkehr auf den Seilbahnverkehr umsteigt, sodass eine CO2-Einsparung von mehr als 1.000 Tonnen pro Jahr realisiert werden kann.

Die Errichtung einer Seilbahn ist mit hohen Investitionen verbunden. Selbst der Betrieb von Seilbahnen kann oft nicht kostendeckend über die Fahrgeldeinnahmen finanziert werden. Daher sind sowohl Zuschüsse von Bund und Land für die Errichtung als auch Zuschüsse der Städte für den Betrieb notwendig.

Grundsätzlich verstoßen aber Zuwendungen der öffentlichen Hand, die den grenzüberschreitenden Wettbewerb verzerren könnten, gegen das Beihilfenrecht. Für den Verkehrssektor werden Ausnahmen auf Basis der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 geregelt – allerdings erfasst diese Verordnung nicht die Beförderung mit Seilbahnen. Daher bleiben grundsätzlich zwei Wege, um beihilferechtliche Risiken zu minimieren:

  • Die Finanzierung wird als nicht beeinträchtigend für den grenzüberschreitenden Wettbewerb angesehen oder
  • Die Finanzierung wird mit der Europäischen Kommission abgestimmt.

Die Rechtsfolgen eines Beihilfenverstoßes wären enorm. Wird ein solcher angenommen, sind sämtliche Zuwendungen verzinst zurückzugewähren. In der Praxis würden die Zuwendungsgeber die Zuwendungen bei Zweifeln an der Beihilfenkonformität aber gar nicht erst gewähren. Eine formelle Abstimmung mit der Europäischen Kommission, also eine Notifizierung, dauert aktuell wegen der Ukrainekrise weit über ein Jahr. Die dadurch ausgelösten Verzögerungen könnten zur Nichtdurchführung des Projekts führen. Eine Lösung bietet hier die sogenannte informelle Abstimmung mit der Europäischen Kommission als Grundlage für die Entscheidung über die Gewährung von Zuwendungen. Am Ende der informellen Abstimmung erlässt die EU-Kommission einen sogenannten Comfort Letter. In einem solchen Comfort Letter bestätigt die Europäische Kommission ihre vorläufige Einschätzung der beihilfenrechtlichen Situation auf Basis der vom Zuwendungsgeber eingereichten Unterlagen. Diese Einschätzung ist zwar nicht abschließend verbindlich. Doch gibt sie dann, wenn der EU-Kommission sämtliche notwendigen Informationen gegeben wurden, eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für den Zuwendungsgeber.

Die EU-Kommission hat im Oktober 2022 im Rahmen einer solchen informellen Abstimmung entschieden, dass deutsche Behörden sowohl die Investitionen für die Errichtung einer Seilbahn (ggf. sogar bis zu 100 Prozent) als auch den Betrieb der Seilbahn beihilfenkonform fördern dürfen. Zum einen sei davon auszugehen, dass die Errichtung und der Betrieb der Seilbahn grundsätzlich keine grenzüberschreitende Wettbewerbsbeeinträchtigung auslösen würden. Zum anderen wäre aber selbst dann, wenn keine „rein lokale Bedeutung“ der Förderung vorläge, diese mit dem Beihilfenrecht vereinbar, sofern folgende Bedingungen eingehalten würden:

  • Die Beihilfe trägt zu einem Ziel von gemeinsamem Interesse bei (bspw. Umweltschutz).
  • Die Beihilfe ist notwendig und hat einen Anreizeffekt.
  • Die Beihilfe ist verhältnismäßig.
  • Die Beihilfe oder die geförderte Tätigkeit steht allen Nutzern in nicht diskriminierender Weise offen.

Diese Kriterien werden bei den meisten, wenn auch nicht allen, Seilbahnprojekten erfüllt.

Durch die – wenngleich nicht abschließend bindende – Einschätzung der Europäischen Kommission zur Beihilfenkonformität der Investitions- und Betriebskostenzuschüsse wird den Überlegungen zur Stärkung des ÖPNV mit weiteren Seilbahnen neuer Rückenwind verliehen.

Autor:innen: StB Dr. Oliver Wittig, StB Susanne Müller-Kabisch