EY black logo

Lohnsteuer auf Inlandsdienstreisen


Beschäftigte von Betriebsstätten im Ausland

FG Niedersachsen: Urteile vom 16.12.2021, Aktenzeichen 11 K 14196/20, 11 K 14197/20, 11 K 14198/20

Die ausländische Betriebsstätte einer im Inland ansässigen rechtlich selbständigen Person ist nicht als Arbeitgeber i. S. d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA anzusehen. Der von der Rechtsprechung entwickelte Begriff „wirtschaftlicher Arbeitgeber“ stellt auf eine rechtlich selbständige Person ab. So das Niedersächsische Finanzgericht (FG) in drei Urteilen vom 16.12.2021. Bei Redaktionsschluss waren die Urteile noch nicht rechtskräftig.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische Aktiengesellschaft, hatte im Streitjahr (2020) sowohl im deutschen Stammhaus als auch in ihren ausländischen Zweigniederlassungen Beschäftigte. Die in den Auslandsniederlassungen Tätigen waren im jeweiligen Beschäftigungsstaat ansässig. Sie unternahmen kurzfristige Dienstreisen nach Deutschland, beispielsweise um an Schulungen, Workshops, Projekten oder Managementforen teilzunehmen. Die jeweilige ausländische Zweigniederlassung trug die volle Tätigkeitsvergütung und die Reisekosten.

Die Klägerin berücksichtigte gemäß einer Anrufungsauskunft, die das beklagte Finanzamt 2017 erteilt hatte, in der Lohnsteueranmeldung Schätzwerte für die Lohnsteuer auf diese Inlandsdienstreisen. Sie erhob Einspruch gegen die Lohnsteueranmeldung, den die Finanzbehörde jedoch zurückwies.

FG-Urteil

Nationales Recht

Das FG hat die dagegen erhobene Klage aus den folgenden Gründen abgewiesen: Die Klägerin ist lohnsteuerrechtlich inländische Arbeitgeberin i. S. d. § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und war zur Abführung der Lohnsteuer verpflichtet, § 39b Abs. 1 EStG. Die Beschäftigten ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland waren mit ihren Einkünften für ihre Tätigkeit in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, § 19 EStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG.

DBA-Recht

Diese Bezüge sind auch nicht nach § 15 OECD-MA von der Besteuerung freizustellen. Art. 15 Abs. 1 OECD-MA weist Deutschland als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Vergütung zu. Die Ausnahmeregelung des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA sieht vor, dass das Besteuerungsrecht an den Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zurückfällt, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  1. Der Empfänger hält sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, auf.
  2. Die Vergütungen werden von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt, der nicht im anderen Staat ansässig ist.
  3. Die Vergütungen werden nicht von einer Betriebsstätte getragen, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.

Strittig war, ob die in Deutschland ansässige Klägerin oder ihre im Ausland befindlichen Betriebsstätten jeweils als Arbeitgeber i. S. d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. b) OECD-MA anzusehen sind.

Das Finanzgericht beruft sich in seiner Urteilsbegründung auf die Rechtsprechung des BFH: Die höchstrichterliche Rechtsprechung wendet den sog. wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff an. Danach kommt es abkommensrechtlich nicht darauf an, ob ein zivilrechtlicher Arbeitsvertrag besteht bzw. mit wem der Arbeitnehmer ggf. einen solchen Vertrag geschlossen hat. Arbeitgeber ist diejenige rechtlich selbständige Person, die die Vergütungen für die geleistete unselbständige Arbeit wirtschaftlich trägt.

Die im Ausland befindlichen Zweigniederlassungen sind unstreitig Betriebsstätten. Doch diese Betriebsstätten sind keine wirtschaftlichen Arbeitgeber im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Buchst. b) OECD-MA. Unselbständige Zweigniederlassungen sind zivilrechtlich nicht rechtsfähig. Doch der in der Rechtsprechung entwickelte Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers stellt auf eine rechtlich selbständige Person ab. Betriebsstätten werden nur zum Zweck der Gewinnzuordnung nach Art. 7 OECD-MA fiktiv als selbständig behandelt. Somit ist die in Deutschland ansässige Klägerin als rechtlich selbständiger Arbeitgeber im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Buchst, b) OECD-MA zu qualifizieren. Daher sind nicht alle drei Voraussetzungen der Vorschrift kumulativ erfüllt und das Besteuerungsrecht wird dem Tätigkeitsstaat Deutschland zugewiesen.

Der Senat sah zudem weder einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit noch gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Er hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.

Handlungsempfehlung

Die Entscheidung überrascht zwar nicht, doch sie beschert inländischen Stammhäusern einen erhöhten Verwaltungsaufwand. Die Tendenz zu virtuellen Schulungen und Meetings sollte das Problem entschärfen. Kommt es doch zu Dienstreisen von Beschäftigten ausländischer Zweigniederlassungen, sollte das deutsche Stammhaus sicherstellen, dass die lohnsteuerlichen Pflichten im Inland erfüllt werden. Hierfür hat der Gesetzgeber seit 2020 die Möglichkeit geschaffen, die Lohnsteuer mit einem Pauschalsteuersatz in Höhe von 30 Prozent zu erheben (§ 40a Abs. 7 EStG), sofern die Tätigkeit des Mitarbeiters der ausländischen Betriebsstätte 18 zusammenhängende Arbeitstage in Deutschland nicht übersteigt.

Ansprechpartner: Thore Schmitz