Befreiung in der Sozialversicherung bei nachträglicher Lohnsteuer-Pauschalierung
Grundsätzlich sind Vergütungsbestandteile, die nach § 40 Abs. 2 EStG pauschal mit 25 Prozent versteuert werden, von der Sozialversicherung befreit. Strittig ist, ob dies auch dann gilt, wenn bisher nicht versteuerte Einnahmen erst nach Ende Februar des Folgejahres pauschal versteuert werden. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in seinem Urteil vom 24.03.2022 (L 12 BA 3/20) entschieden, dass auch in diesem Fall die Befreiung greift. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat gegen das Urteil Revision eingelegt.
Korrigierte Lohnsteueranmeldung im März des Folgejahres
Das klagende Unternehmen feierte 2015 im Rahmen einer Betriebsveranstaltung sein Jubiläum. Erst im März 2016 gab es eine korrigierte Lohnsteueranmeldung ab und versteuerte die Kosten insoweit, als sie den Freibetrag von 110 Euro je teilnehmender Person überstiegen, pauschal mit 25 Prozent. Sozialversicherungsbeiträge führte es darauf nicht ab.
Nachforderung von Beiträgen in Höhe von 60.000 Euro
Die DRV führte im August eine Betriebsprüfung durch und forderte im Nachgang rund 60.000 Euro nach. Eine unzutreffende steuer- und beitragsfreie Behandlung könne grundsätzlich längstens bis Ende Februar des Folgejahres durch eine nachträgliche Pauschalbesteuerung geändert werden. Das Sozialgericht Oldenburg (SG) gab der dagegen erhobenen Klage statt.
LSG entscheidet zugunsten des Arbeitgebers
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Entscheidung des SG bestätigt. Es komme auf die tatsächliche pauschale Versteuerung (bzw. Behandlung der Einnahmen als lohnsteuerfrei) an (§ 1 Abs. 1 Satz 2 SEV).
Finanzamt hat pauschale Versteuerung akzeptiert
Laut Gesetzesbegründung sind bereits abgeführte Sozialversicherungsbeiträge zwar nicht zu erstatten, wenn die Steuerfreiheit bzw. die pauschale Besteuerung erst nachträglich geltend gemacht wird und die steuerliche Behandlung nicht mehr geändert werden kann, doch dies sei hier nicht der Fall. Das Finanzamt habe die Pauschalbesteuerung akzeptiert und das klagende Unternehmen verlange auch keine Erstattung von Beiträgen.
Bindung an die steuerrechtliche Behandlung
Die DRV ist laut LSG an die Entscheidung der Finanzverwaltung gebunden. Zudem finde die Auffassung der Beklagten, eine Pauschalbesteuerung könne nur bis Ende Februar geltend gemacht werden, keine hinreichende Stütze im Gesetz. Diese Vorgabe gelte lediglich für die Lohnsteuerbescheinigung. Die Änderung einer Lohnsteueranmeldung sei dagegen nach den allgemeinen Korrekturvorschriften der Abgabenordnung (AO) möglich.
Ausnahmen greifen nicht
Seit dem 31.07.2014 ist eine Minderung der Lohnsteuer nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO nur in Ausnahmefällen zulässig. Doch die erstmalige pauschale Versteuerung der Einnahmen führt nicht zu einer Minderung der Lohnsteuer.
Eine Lohnsteuerbescheinigung könne einer nachträglichen pauschalen Versteuerung entgegenstehen, wenn die Einnahmen aus der Betriebsveranstaltung schon mit dem Regelsteuersatz versteuert wurden und daher in der Lohnsteuerbescheinigung enthalten sind. Im Streitfall seien jedoch die Vergütungsbestandteile erstmals in der Lohnsteuerbescheinigung erfasst worden und somit eine rückwirkende pauschale Versteuerung möglich.
Sachgerechtes Ergebnis
Schließlich sei dieses Ergebnis auch sachgerecht. Wenn trotz der pauschalen Versteuerung das auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallende Arbeitsentgelt für die Berechnung der Beiträge zur Sozialversicherung ermittelt werden müsse, würde dies den Zweck der Pauschalversteuerung – nämlich die einfache und ökonomische Handhabung der betreffenden Einnahmen – zunichtemachen.
Ausblick
Das Verfahren ist beim Bundessozialgericht (BSG) unter dem Aktenzeichen B 12 BA 3/22 R anhängig. Das BSG wird nun zu klären haben, ob Einnahmen nach § 40 Abs. 2 EStG dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, wenn sie erst nach Ende Februar des Folgejahres pauschal besteuert werden.