Hintergrund
Die Bestimmung des wirtschaftlichen Arbeitgebers im Steuerrecht ist häufig komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hierzu zählen die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien, die tatsächliche Kontrolle über die Arbeitnehmer sowie die wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung der beteiligten Unternehmen. Das BMF hat nun in seinem Schreiben die Dokumentations- und Mitwirkungspflichten deutlich verschärft. Zudem wurde der Kriterienkatalog zur Bestimmung der betrieblichen Interessenlage aus dem BMF-Schreiben zur Einkunftsabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen (Verrechnungspreise) für die Bestimmung des wirtschaftlichen Arbeitgebers vollumfänglich übernommen.
Anwendungsbereich der Verschärfungen
Das neue BMF-Schreiben stellt im ersten Schritt grundsätzlich klar, in welchen Fällen die verschärften Regelungen Anwendung finden. Dazu ist zunächst zu klären, was unter dem weit gefassten Begriff der grenzüberschreitenden „Arbeitnehmerentsendung“ zu verstehen ist. Laut BMF-Schreiben liegt eine Entsendung vor, wenn ein Arbeitnehmer bei einem verbundenen Unternehmen in einem anderen Staat tätig wird, dabei der Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Unternehmen ruht und entweder
- der Arbeitnehmer mit dem aufnehmenden Unternehmen
- einen weiteren Vertrag abschließt oder
- eine Nebenabrede zum bestehenden Arbeitsvertrag trifft
(klassische Entsendungen), oder
Wann ist ein Unternehmen wirtschaftlicher Arbeitgeber?
Grundsätzlich ist ein Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen, wenn nach dem Gesamtbild der Umstände
- der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingegliedert ist und
- dieses Unternehmen die Kosten getragen hat oder die Kosten nach Fremdvergleichsgrundsätzen hätte tragen müssen.
Die Ausführungen zur Beurteilung der Eingliederung sind dabei unverändert geblieben, neu ist allerdings die explizite Übernahme der Kriterien zur Bestimmung der betrieblichen Interessenlage aus dem BMF-Schreiben vom 09.11.2001 (BStBl. I, S. 796 „Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen in Fällen der Arbeitnehmerentsendung“):
- Welche Funktion wird ausgeübt (genaue Tätigkeitsbeschreibung z. B. im Arbeits- oder Entsendevertrag)?
- Welche fachliche Qualifikation wird dafür benötigt?
- Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Aufwendungen für den entsandten Arbeitnehmer und seinem Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens?
- Wo ist der Tätigkeitsort?
- Von welchem Unternehmen geht die Initiative für die Arbeitnehmerentsendung aus?
- Welches Unternehmen profitiert am meisten von der Entsendung?
- Ist die Tätigkeit des entsandten Arbeitnehmers einzelprojektbezogen?
- Ist auf dem lokalen Arbeitsmarkt des aufnehmenden Unternehmens ein Angebot an Arbeitskräften mit der nach objektiven Maßstäben erforderlichen Qualifikation nicht vorhanden und auch nicht im Rahmen betrieblicher Ausbildung oder Qualifizierung zu schaffen?
- Sind gleichwertig qualifizierte Arbeitnehmer auf dem lokalen Arbeitsmarkt des aufnehmenden Unternehmens verfügbar, die einen geringeren Aufwand verursachen?
- Übt der Arbeitnehmer Planungs-, Koordinierungs- oder Kontrolltätigkeiten aus?
- Werden nach Rückkehr des Arbeitnehmers dessen gesammelte Auslandserfahrungen im Rahmen seiner weiteren Beschäftigung beim entsendenden Unternehmen genutzt?
- Wird der Arbeitnehmer im Rahmen eines Rotationssystems entsandt?
- Wie hoch ist der prozentuale Anteil der entsandten Arbeitnehmer an der Gesamtbelegschaft?
- Sind Sprachkenntnisse oder persönliche Beziehungen in Verbindung mit der ausgeübten Funktion oder andere Spezialkenntnisse objektiv erforderlich?
Zudem enthält das Schreiben eine Aufzählung von Beispielen, anhand derer die Interessenlage künftig vom Steuerpflichtigen dargelegt werden kann:
- Entsendevertrag, ggf. Konzernentsenderichtlinie, Schriftverkehr zur Begründung der Entsendung
- Beschreibung der Tätigkeit des aufnehmenden Unternehmens sowie seiner Produkte bzw. Dienstleistungen; Tätigkeitsbeschreibungen für den entsandten Arbeitnehmer
- konkrete Tätigkeitsnachweise, z. B. Berichte, Protokolle, die der entsandte Arbeitnehmer für das entsendende Unternehmen angefertigt hat
- Arbeitsverträge des Arbeitnehmers mit dem entsendenden und ggf. aufnehmenden Unternehmen
- Nachweis über die Höhe des Arbeitslohns vor der Entsendung
- Zeitnachweise für Art und Umfang der Tätigkeit
- Reisekostenabrechnungen
Neu eingeführte Mitwirkungspflichten
Wie schon an anderen Stellen hat das Finanzministerium nun explizit Auskunfts- und Beweismittelbeschaffungspflichten im Sinne des § 90 Abs. 2 AO kodifiziert. So sind künftig die Interessenlage, die Höhe der weiterbelasteten Kosten wie auch die Aufteilung des Arbeitslohns auf Mitarbeiterebene zu dokumentieren und darzulegen.
Diese neu eingeführte Dokumentationsverpflichtung für jeden einzelnen Mitarbeiter ist nach unseren Erfahrungen für einen Großteil der Unternehmen derzeit wohl kaum zu leisten. Weder stehen notwendige Verrechnungspreisdaten in erforderlicher Granularität zur Verfügung noch können diese dem einzelnen Mitarbeiter zugeordnet werden. Häufig gibt es auch kein Medium, mit dem die erforderlichen Daten den Mitarbeitenden effizient zur Verfügung gestellt werden können.