Gibt ein Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft (1 Prozent oder mehr) seinen Wohnsitz in Deutschland auf, ist grundsätzlich die seit der Anschaffung eingetretene Wertsteigerung steuerpflichtig. Die Steuer kann auf Antrag in sieben Jahresraten entrichtet werden; sofern eine Rückkehrabsicht (wie beispielsweise bei einer Entsendung) besteht, ist eine Stundung des gesamten Betrags möglich. Allerdings entfällt der Zahlungsaufschub unter anderem dann, wenn die Mitwirkungspflichten verletzt oder die Anteile verschenkt bzw. veräußert werden. Arbeitgeber sollten potenziell betroffene Beschäftigte vorsorglich über aus einem Wegzug resultierende Pflichten und eventuelle Risiken informieren.
Besteuerung der Wertsteigerung einer Beteiligung bei Wegzug
Insbesondere die Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland kann für Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft gravierende steuerliche Konsequenzen haben. Betroffen von der sogenannten Wegzugsbesteuerung sind Personen, die
- in den letzten zwölf Jahren vor dem Wegzug mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig waren und
- innerhalb der letzten fünf Jahre eine Beteiligung von mindestens 1 Prozent an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft gehalten haben (Beteiligung i. S. v. § 17 Abs. 1 Satz 1EStG).
Neben einem Wegzug lösen auch
- die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland,
- die unentgeltliche Übertragung der Anteile auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person oder
- der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile aus anderen Gründen
die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) aus.
In diesem Fall unterstellt § 6 AStG die Veräußerung der Anteile zum Verkehrswert. Der deutsche Fiskus sichert sich so das Besteuerungsrecht für die bis zum Wegzug eingetretene Wertsteigerung. Auf Antrag kann die Wegzugsteuer in sieben gleichen Jahresraten gezahlt werden, ohne dass Zinsen anfallen. Allerdings ist die noch nicht entrichtete Steuer innerhalb eines Monats fällig, soweit die Anteile veräußert oder übertragen werden.
Da dem Anteilseigner anders als bei einer Veräußerung tatsächlich keine liquide Mittel zufließen, kann dies zu einer erheblichen finanziellen Belastung führen.
Steuer entfällt bei vorübergehender Abwesenheit
Im Falle einer lediglich vorübergehenden Abwesenheit von Deutschland entfällt die Wegzugsteuer rückwirkend, wenn der Anteilseigner innerhalb von sieben Jahren wieder in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig wird. Dies gilt allerdings insbesondere nur dann, wenn der oder die Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht als nach einem DBA in einem anderen Staat ansässig gilt.
Die Finanzverwaltung kann die Frist von sieben Jahren auf Antrag um bis zu fünf Jahre verlängern, wenn die Rückkehrabsicht unverändert fortbesteht. Der Stundungszeitraum richtet sich dann nach der vom Finanzamt eingeräumten Frist. Auf Antrag entfällt die Zahlung von jährlichen Raten. Allerdings entstehen hier Zinsen in Höhe von jährlich 6 Prozent, wenn die Steuer später doch nicht aufgrund einer nur vorübergehenden Abwesenheit entfällt.
Diese Regelungen entschärfen die Problematik für die Mehrzahl der Entsendungen, doch nicht in jedem Fall. Mögliche Stolpersteine sind etwa
- Ausschüttungen bzw. die Rückgewährung von Einlagen, sofern sie ein Viertel des gemeinen Werts im Zeitpunkt des Wegzugs übersteigen, oder
- eine Verletzung der Mitwirkungspflichten während des Auslandseinsatzes (mit Wohnsitzaufgabe in Deutschland).
Mitwirkungspflichten
Der oder die Steuerpflichtige hat dem Finanzamt jährlich bis zum 31. Juli nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch seine bzw. ihre aktuelle Anschrift mitzuteilen und zu bestätigen, dass die Anteile ihm bzw. ihr weiterhin zuzurechnen sind. Zuständig ist hier das Finanzamt, das im Zeitpunkt des steuerauslösenden Ereignisses (Wegzug …) zuständig ist. Auf Antrag kann die Finanzbehörde auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall ist die Mitteilung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und vom Steuerpflichtigen eigenhändig zu unterschreiben.
Werden die Anteile veräußert oder übertragen (bzw. tritt ein anderes steuerauslösendes Ereignis ein), ist dies innerhalb eines Monats dem zuständigen Finanzamt zu melden. Auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten ist ein solches Ereignis.
Werden die Mitwirkungspflichten verletzt, ist die noch nicht entrichtete Steuer innerhalb eines Monats nach diesem Versäumnis fällig. Außerdem können je nach Einzelfall strafrechtliche Folgen nicht ausgeschlossen werden.
Alte und neue Rechtslage teilweise europarechtswidrig
Wie der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hat, darf bei einem Wegzug in die Schweiz nach alter Rechtslage die Steuer zwar festgesetzt werden, sie ist jedoch dauerhaft zinslos zu stunden (Urteil vom 06.09.2023, I R 35/20). Diese Entscheidung erging in einem Fall, zu dem der BFH den europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen hatte.
Laut Urteil des EuGH vom 26.02.2019 (C-581/17) ist auch bei einem Wegzug in die Schweiz (nach altem Recht) die Steuer zinslos zu stunden. Die damalige Begrenzung der zinslosen Stundung auf Wegzüge in EU-/EFTA-Staaten widersprach dem Freizügigkeitsabkommen der EU mit der Schweiz.
Denn deutsche Steuerpflichtige, die Anteile an Schweizer Gesellschaften und ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen, wurden in zweierlei Hinsicht unterschiedlich behandelt. Zum einen müssen Steuerpflichtige, die ihren Wohnsitz in Deutschland belassen, die Wertzuwächse erst bei ihrer Realisierung, also bei der Veräußerung, versteuern. Zum anderen wurde bei Wegzug ins EU-Ausland – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – die Steuer ohne Zinsen oder Sicherheitsleistung bis zur Veräußerung der Vermögenswerte gestundet.
Die zweite unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung hat der Gesetzgeber inzwischen durch die Änderung des AStG beseitigt, doch die erste trifft nun alle unter § 6 AStG fallenden Wegzüge in einen EU-/EFTA-Staat bzw. in die Schweiz.