Pressemitteilung
06 Juni 2024 

Angestellte riskieren für die eigene Karriere viel - vier von zehn Befragten zu unethischem Verhalten bereit

  • 47 Prozent der befragten Angestellten weltweit geben an, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das größte interne Integritätsrisiko für das eigene Unternehmen darstellen
  • 38 Prozent der Befragten geben an, dass sie bereit wären, sich unethisch zu verhalten, wenn sie von einem Manager oder Vorgesetzten dazu aufgefordert würden
  • Lediglich 49 Prozent geben an, dass sich die Integritätsstandards in ihren Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren verbessert haben – und dass, trotz massiver Investitionen in Compliance-Maßnahmen
  • 31 Prozent finden, dass unethisches Verhalten bei leitenden Angestellten eher toleriert wird als bei der breiten Belegschaft

Die Integritätsstandards steigen – und mit ihnen offenbar auch der Druck auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Fast jede und jeder zweite Befragte (49 Prozent) glaubt, dass sich die Integritätsstandards in ihren Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren verbessert haben. Neun von zehn Befragten (90 Prozent) sind zudem zuversichtlich, dass ihre Kolleginnen und Kollegen sich an Gesetze, Verhaltensregeln und Branchenvorschriften halten.

Gleichzeitig geben allerdings auch fast vier von zehn Befragten (38 Prozent) an, dass sie bereit wären, sich unethisch zu verhalten, wenn sie von einem Manager dazu aufgefordert würden. Jede und jeder zweite Befragte (50 Prozent) sagt zudem, dass es für ihre Unternehmen insgesamt eine Herausforderung ist, Integritätsstandards unter schwierigen Marktbedingungen ein- und aufrechtzuerhalten. Fast jede und jeder Dritte (30 Prozent) gibt zudem an, dass das aktuelle makroökonomische Umfeld der größte externe Druckfaktor für Angestellte ist, gegen Integritätsstandards zu verstoßen.

Dies sind Ergebnisse des „EY Global Integrity Report 2024“. Für die Analyse wurden 5.464 Angestellte und Vorstands- und Geschäftsleitungsmitglieder in 53 Ländern befragt.

Tobias Schumacher, Partner bei EY und Deutschland-Leiter der Forensic & Integrity Services: „Die aktuelle, positive Einschätzung bezüglich steigender Sicherheits- und Integritätsstandards in Unternehmen ist ein starkes Signal. Und dies entspricht auch der Realität: Compliance-Themen spielen eine immer größere Rolle in den Unternehmen und werden sehr ernst genommen.“ Dies sei aber kein Grund, sich auf diesen Erfolgen auszuruhen, so Schumacher: „Der interne und externe Druck auf Unternehmen und die eigene Mitarbeiterschaft ist weiterhin vorhanden – und er wird vor dem Hintergrund einer schwachen Konjunktur, der immer unübersichtlicher werdenden geopolitischen Weltlage und anhaltenden Cyberbedrohungen eher zu- als abnehmen.“

Neben Bedrohungen aus dem Bereich Cyber Security (26 Prozent) benennen Befragte auch Gesundheitskrisen (22 Prozent), Erwartungen an die finanziellen Ergebnisse (22 Prozent), Unterbrechungen der Lieferkette (21 Prozent) und geopolitische Bedrohungen (15 Prozent) als externe Druckfaktoren, die Compliance-Verstöße auslösen können. Interne Faktoren sind dagegen aus Sicht fast der Hälfte der Befragten (47 Prozent) die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Außerdem werden hohe Fluktuation der Angestellten (26 Prozent), fehlende Ressourcen (25 Prozent) und Druck seitens des eigenen Managements (24 Prozent) genannt.

Zudem ist längst nicht alles Gold, was glänzt. So können offenbar die Integritätsstandards in den Unternehmen je nach Rang variieren bzw. anders ausgelegt werden – dabei werden leitende Angestellte oft nachsichtiger behandelt. Fast ein Drittel der Befragten (31 Prozent) gibt an, dass im eigenen Unternehmen unethisches Verhalten toleriert wird, wenn es sich bei den Beteiligten um leitende Angestellte oder besonders erfolgreiche Kollegen handelt. „Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann die Versuchung groß sein, über Fehlverhalten im eigenen Unternehmen hinweg zu sehen, wenn Top-Mitarbeiter daran beteiligt waren. Die Botschaft, die ein solches Vorgehen ins Unternehmen sendet, ist allerdings verheerend und untergräbt alle Integritätsbemühungen“, warnt Schumacher.

Whistleblowing-Hotlines auf dem Vormarsch

Der Anteil von Unternehmen, die eine Whistleblowing-Hotline haben, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Allerdings gibt mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) an, die eine solche Hotline bereits genutzt haben, dass sie Druck aus dem eigenen Unternehmen verspüren, dies nicht zu tun. Hierzu sagt Andreas Pyrcek, Partner von EY Deutschland und Globaler Leiter der Integrity & Compliance Advisory Services: „Die Tools, die Unternehmen zur Verfügung stehen, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei zu unterstützen, mögliches Fehlverhalten zu melden, werden immer besser. Diese Werkzeuge funktionieren aber nur in einer intakten Unternehmenskultur, in der diese Maßnahmen nicht nur ein Feigenblatt sind. Managerinnen und Manager müssen mit ihren Integritätsmaßnahmen jede Person in der Mitarbeiterschaft erreichen und ihnen das Gefühl geben, sicher zu sein, falls Bedenken bezüglich bestimmter Vorgänge im Unternehmen geäußert werden – ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen.“

Führungskräfte neigen dazu, die Fortschritte in diesem Bereich zu überschätzen: Während 40 Prozent der befragten Vorstandsmitglieder sagen, dass es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfacher geworden ist, ihre Bedenken zu melden, stimmen nur 26 Prozent der befragten Angestellten dieser Aussage zu.

Pyrcek: „Verstoßen Unternehmen gegen Regeln, kommt dies ans Licht: manchmal früher, manchmal später – aber am Ende immer. Diese Verstöße werden geahndet und können für Konzerne existenzbedrohend sein. Deshalb muss sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter darüber im Klaren sein: Im Graubereich zu wirtschaften kann keinen nachhaltigen Erfolg bringen, denn der Vertrauensverlust ist kaum wieder gutzumachen.“

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