Gegenwärtig 137 Länder haben sich dem Rahmenwerk der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) 2.0 (BEPS 2.0) angeschlossen und fordern eine globale Mindeststeuer von 15 % für multinationale Unternehmen mit einem Konzernumsatz von mehr als 750 Millionen Euro in mindestens zwei der vorangegangenen vier Jahre. Damit wurde global eine völlig neue überdachende Besteuerung eingeführt; dies ist die größte koordinierte Anstrengung zur Angleichung an ein gemeinsames internationales Steuersystem.
Pillar 2 ist sowohl von ihrer Reichweite als auch von ihrer Komplexität her sehr umfangreich, da es Regeln zur Festlegung einer neuen Steuerbemessungsgrundlage und eine Formel mit einigen Parametern zur Berechnung der GloBE-Tax, jeweils auf die einzelnen Jurisdiktionen bezogen, enthält.
Die Budgets und Kapazitäten der Steuerabteilungen stehen bereits unter erheblichem Druck, und für Unternehmen, die unter Pillar 2 fallen, werden sich Melde- und Compliance-Pflichten erheblich erhöhen; dies alles vor dem Druck Verwaltungskosten weiter einzusparen. Diese Unternehmen müssen die Datenbeschaffung, IT-Systeme, Prozesse und Kontrollen weiterentwickeln, um die neue GloBE-Tax künftig zu administrieren. Neben der Verpflichtung IFRS/US-GAAP Konzernabschlüsse zu erstellen, sind Unternehmen verpflichtet HGB Einzelabschlüsse und ggf. Steuerbilanzen zu erstellen. Zusätzlich zu diesen regulatorischen Anforderungen kommt mit Pillar 2 ein eigenes Rechnungswerk hinzu. Für Unternehmen aus der Versicherungsbranche sind ggf. zusätzlich noch die Regelungen zu Solvency II zu berücksichtigen, so dass für diese Unternehmen man letztlich mit fünf unterschiedlichen Rechnungslegungswerken operieren muss. Für Banken sind die Anforderungen von Basel III zu beachten.
Nachfolgend fünf maßgebliche Themenbereiche für Tax Accountants, die bei der Umsetzung der kommenden Änderungen zu beachten sind:
1. Analyse der Gruppen-/Unternehmensstruktur
Im Rahmen von Pillar 2, auch als "Global Anti-Base Erosion" (GloBE) bezeichnet, bilden die Einzelabschlüsse der einzelnen Unternehmen eines multinationalen Konzerns die Grundlage für die Berechnung der Mindeststeuer. Wenn der multinationale Konzern in einem Land einen kombinierten effektiven Steuersatz (Effective Tax Rate, kurz ETR) von weniger als 15 % ermittelt (berechnet nach den globalen Mindeststeuervorschriften, welche national umzusetzen sind), muss standardmäßig die oberste Konzernmutter eine zusätzliche Mindeststeuer zahlen, um eine effektive Steuerbelastung von 15 % in diesem Land zu erreichen.
Ein erster Schritt, den Unternehmen in Angriff nehmen sollten, ist die Erstellung eines Inventars aller Rechtseinheiten und Betriebsstätten des multinationalen Konzerns, einschließlich des Sitzes, der Eigentümerstruktur und der steuerlichen Qualifikation, z.B. als steuerlich transparent oder nicht durchlässig. Anhand dieser Informationen können die Unternehmen feststellen, welche Unternehmensteile bzw. Geschäftseinheiten in den Anwendungsbereich der globalen Mindeststeuer fallen und welchen Ländern sie zuzurechnen sind bzw. ob sich Mindeststeuerverpflichtungen ggfs. in weiteren Jurisdiktionen aufgrund z.B. zwischengeschalteter Muttergesellschaften, an denen die oberste Muttergesellschaft lediglich mehrheitsbeteiligt ist, ergeben. (Unternehmen können in Erwägung ziehen, die Analyse auf "Niedrigsteuerländer" zu beschränken. Die Regeln der globalen Mindeststeuer sind jedoch so gestaltet, dass selbst für Unternehmen, die in "Hochsteuerländern" tätig sind, in bestimmten Fallkonstellationen eine ETR von unter 15 % resultieren kann).
Obwohl dieser Schritt scheinbar einfach ist, kann er für einige multinationale Unternehmensgruppen mit einer Vielzahl von juristischen Personen, Personengesellschaften und Betriebsstätten nicht ganz einfach sein. Unternehmen, die sich im Besitz von Minderheiten befinden, konsolidierte Unternehmen ohne Kapitalbeteiligung, Joint Ventures, Mehrmüttergruppen, Beteiligungen an Investmentfonds können zusätzliche Herausforderungen darstellen.
2. Durchführung einer Betroffenheitsanalyse
Da die Berechnung der Mindeststeuer eine Reihe von Wahlrechten und Anpassungen von Berechnungsgrundlagen (z.B. bei den latenten Steuern) sowie die Aggregation von Unternehmen nach Ländern vorsieht, ergibt sich die ETR für jedes Land oft nicht intuitiv. Daher kann es sich im Einzelfall als schwierig erweisen, vorherzusagen, in welchen Ländern die Mindeststeuer nach Pillar 2 anfallen wird. Eine Betroffenheitsanalyse wird einen klareren Überblick darüber geben, in welchen Ländern die GloBE-ETR unter 15% liegen könnte.
Die Analyse der Auswirkungen sollte die Bewertung möglicher Wahlrechte beinhalten, welche die Höhe der GloBE-Tax erheblich verändern können. So kann beispielsweise die Anwendung zeitlich befristeter oder dauerhafter GloBE-Safe-Harbours für einige Unternehmen zu Vereinfachungen führen, indem bestimmte Länder von den detaillierten GloBE-Berechnungen, zumindest temporär, ausgenommen werden können. Als Beispiel sei hierzu das Wahlrecht genannt, den für steuerliche Zwecke akzeptierten Betriebsausgabenabzug für aktienbasierte Vergütungen für die Ermittlung GloBE-Einkommen zu wählen anstatt des in der Rechnungslegung gebuchten Aufwands. Die Anwendung dieses Wahlrechts kann für einige Unternehmen vorteilhaft und für andere Unternehmen nachteilig sein.
3. Multidisziplinäre Zusammenarbeit im Unternehmen
Unternehmen, die Pillar 2 unterliegen, müssen neue Daten sammeln (z.B. transaktionale Daten für Korrekturen bei den latenten Steuern), die deutlich über das hinausgehen, was für die traditionelle Steuer-Compliance und -Berichterstattung benötigt wird. Diese Unternehmen sollten jetzt damit beginnen, die neuen Datenanforderungen zu identifizieren, die relevanten Eigentümer der Daten zu ermitteln und mit ihnen einen Prozess für den zuverlässigen und wiederholbaren Austausch der erforderlichen Informationen – möglichst automatisiert - zu erstellen.
In den meisten Fällen erfordern die Berechnungen und die Berichterstattung im Rahmen Pillar 2 eine enge Zusammenarbeit der Steuerteams mit den Teams aus den Bereichen Rechnungswesen, Recht, Personalwesen, und vor allem IT. Funktionsübergreifende Teams benötigen ein gemeinsames Verständnis und Vorgehen für die neuen Datenanforderungen von Pillar 2, um den rechtzeitigen Zugang zu den erforderlichen Informationen, die Daten für die Planung, Forecasts, Zwischenberichts- und Jahressteuerberechnungen, Steuer-Compliance und Rechtbehelfsverfahren zu ermöglichen. In vielen Fällen müssen die Finanz-, Buchhaltungs- und Steuerprozesse angepasst oder gar neu aufgesetzt werden; es ist sicherzustellen, dass die bestehenden Zeitpläne für die Berichterstattung von Pillar 2 eingehalten werden können. Weiter zu beachten ist, dass Prognosedaten und Ist-Daten des laufenden Jahres sehr oft unterschiedliche Datenmodelle und -eigentümer haben, was die Beschaffung und Verwaltung der Datenanforderungen für Pillar 2 zusätzlich erschwert.
Die Unternehmen müssen möglichst frühzeitig die Parameter und Wahlmöglichkeiten kennen, welche ihre Mindeststeuer-Berechnungen beeinflussen, und alternative Szenarien prüfen.
4. IT-Systeme auf die neuen Anforderungen vorbereiten
Die Anforderungen von Pillar 2 können erfordern, dass ein Unternehmen zum Teil deutlich mehr als 180 neue spezifische Datenanforderungen berücksichtigen muss, die beschafft, zusammengestellt und analysiert werden müssen. Betroffene Unternehmen müssen Daten aus einer Vielzahl von IT-Systemen einsammeln, um die neue Mindeststeuer zu berechnen, den Mindeststeuerbericht sowie die GloBE-Steuererklärungen zu erstellen.
Im traditionellen Ertragsteuer-Prozess wird das prognostizierte Vorsteuerergebnis auf ein zu versteuerndes Einkommen übergeleitet, aus dem die Unternehmen den laufenden Steueraufwand berechnen. Die Unternehmen bewerten dann die temporären Differenzen zwischen der IFRS-/Handels und Steuerbilanz, um den latenten Steueraufwand zu berechnen. Für die Ermittlung des Mindeststeuergewinns-/Verlusts (GloBE-Ergebnis) wird das prognostizierte oder tatsächliche Einkommen vor Steuern um Hinzurechnungen und Kürzungen angepasst; dann werden zusätzliche Korrekturen auch bei der Ermittlung des Steueraufwands erforderlich, um die angepassten erfassten Steuern zu bestimmen. Aus dem GloBE-Ergebnis und den angepassten erfassten Steuern ergibt sich als Quotient die GloBE-ETR. Die GloBE-ETR wird verwendet, um den Prozentsatz der etwaigen Mindeststeuer zu bestimmen, der auf das GloBE-Einkommen in einem Land anzuwenden ist; letzteres kann noch um einen substanzbasierten Freibetrag gemindert werden.
Die Berechnung der GloBE-Tax wird auch durch andere Einflussgrößten komplexer, z. B., wenn mehrere Unternehmen eines Konzerns im gleichen steuerlichen Hoheitsgebiet tätig sind, wenn ein Unternehmen für Steuerzwecke transparent ist, wenn ein konsolidiertes Unternehmen zu weniger als 100 % im Anteilsbesitz steht oder wenn Gesellschaften umgewandelt werden oder sich die rechtliche Organisation während eines Berichtszeitraums ändert.
Tax-Reporting Teams müssen daher prüfen, ob ihre bestehenden Systeme die Berechnungen von Pillar 2 bewältigen können, was regelmäßig nicht der Fall sein dürfte. Viele Unternehmen werden ihre Steuerprozesse und -systeme weiterentwickeln oder umgestalten müssen, eine Herkulesaufgabe.
Unternehmen, die Pillar 2 unterliegen, sollten sich deshalb fragen:
- Haben wir Zugriff auf die richtigen Daten?
- Müssen unsere Prozesse oder Systeme geändert werden, um die erforderlichen Daten zu erfassen?
- Können relevante Daten durch automatisierte Prozesse beschafft und in Data-Hubs/Datamarts zusammengestellt werden?
- Inwieweit können die besonderen Datenanforderungen in laufende Finanztransformationsprozesse integriert werden?
Letztendlich müssen die Unternehmen entscheiden, ob sie maßgeschneiderte IT-Lösungen entwickeln oder externe Tools zur Verwaltung der zweiten Säule einsetzen oder gar den gesamten Prozess auslagern möchten.
5. Dynamische Entwicklung beobachten
Die OECD hat eine Reihe von Materialien veröffentlicht (u.a. Leitlinien zu Safe Harbours und Straferleichterungen, ein öffentliches Konsultationspapier zum Mindeststeuerbericht und ein öffentliches Konsultationspapier zur Steuersicherheit bei den GloBE-Regeln); weitere Informationen bzw. Auslegungen sind in Vorbereitung. Die betroffenen Jurisdiktionen müssen Umsetzungsgesetze erlassen, um die Mindeststeuer in nationales Recht zu übernehmen. Die Länder werden die Regeln nicht zur gleichen Zeit erlassen, und nicht alle Jurisdiktionen werden die gleichen Regeln übernehmen. In Deutschland hat das Bundesfinanzministerium kürzlich einen 242-seitigen Diskussionsentwurf veröffentlicht und zur Kommentierung eingeladen. Mit einer Verabschiedung des Gesetzes wird in der zweiten Jahreshälfte gerechnet.
Bei der globalen Einführung von BEPS 2.0 – Pillar 2, sollten sich die Unternehmen auf eine gestaffelte und unterschiedliche Einführung der Mindeststeuer in den unterschiedlichen Ländern vorbereiten, was zusätzliche Komplexität mit sich bringt. So kann ein multinationales Unternehmen zunächst einer Mindeststeuer nach der sogenannten Sekundärergänzungsteuer-Regel (SES) für Tochtergesellschaft in einem Staat unterliegen, später kann das multinationale Unternehmen der Mindeststeuer nach der sogenannten Primärergänzungsteuer-Regel (PES) im Sitzstaat der Muttergesellschaft unterliegen, sobald diese dort gesetzlich gilt. Schließlich kann das multinationale Unternehmen in einzelnen Ländern einer nationalen Ergänzungsteuer unterliegen, welche andere Länder vom Zugriff auf das Steuersubstrat des jeweiligen Landes ausschließt.