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Warum inkongruente Gewinnausschüttungen jetzt steuerlich anerkannt sind

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Zu inkongruenten Gewinnausschüttungen gibt es neue Rechtsgrundsätze.

Überblick

  • Neue Rechtsgrundsätze ermöglichen unter bestimmten Bedingungen inkongruente Gewinnausschüttungen bei GmbHs und AGs.
  • Das aktuelle BMF-Schreiben vom 4. September 2024 ersetzt das alte Schreiben von 2013 und unterscheidet zwischen GmbHs und AGs.
  • Für die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen bleibt die Dokumentation sachlicher Gründe und die Einhaltung zivilrechtlicher Vorgaben entscheidend.

Inkongruent sind Gewinnausschüttungen, wenn sie nicht dem Anteil eines Aktionärs oder eines GmbH-Gesellschafters am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft entsprechen. Ein einfaches Beispiel: Herr Meier und Herr Müller sind jeweils zu 50 Prozent am Stammkapital der MM GmbH beteiligt. Im Jahr 2024 erhält Meier eine Gewinnausschüttung aus der MM GmbH, Müller nicht. Gründe dafür können sein: Meier ist bei der GmbH aktiver, z. B. durch seine erfolgreiche Vertriebstätigkeit im Dienste der GmbH. Allerdings muss das Finanzamt bei inkongruenten Gewinnausschüttungen mitspielen und darf keinen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch vermuten, etwa wenn die Gewinnverteilungsabrede nur kurzzeitig gilt oder wiederholt geändert wird. Inzwischen gibt es dazu neue Rechtsgrundsätze und ein frisches BMF-Schreiben.

BMF-Schreiben nach BFH-Urteil

So hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass unter bestimmten Umständen auch ein satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Ausschüttung steuerrechtlich anzuerkennen ist (Urteil vom 28. September 2022, VIII R 20/20). Das steht im Widerspruch zu einem alten Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) aus dem Jahr 2013. Bund und Länder haben daher gemeinsam die Grundsätze über die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen aktualisiert. Das Ergebnis ist das BMF-Schreiben vom 4. September 2024. Vor die Klammer gezogen gilt: Es ist entscheidend, dass die inkongruente Gewinnausschüttung zivilrechtlich wirksam ist. Dabei unterscheidet das BMF zwischen inkongruenten Gewinnausschüttungen bei GmbHs und AGs.

Grafik: Firmen mit Handelsregistereintrag nach Rechtsform

Bei einer GmbH …

Bei GmbHs erkennt das neue BMF-Schreiben inkongruente Gewinnausschüttungen in folgenden Fällen an:

  1. Der Gesellschaftsvertrag sieht eine abweichende Gewinnverteilung vor.
  2. Der Gesellschaftsvertrag sieht eine Öffnungsklausel vor, die eine abweichende Gewinnverteilung mit Zustimmung der betroffenen Gesellschafter erlaubt.
  3. Die Gesellschafter fassen einstimmig einen punktuell satzungsdurchbrechenden Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung.
  4. Es gibt einen Beschluss über die Einstellung des Gewinnanteils des Mehrheitsgesellschafters in eine gesellschafterbezogene Rücklage, auch wenn die Minderheitsgesellschafter ihren Gewinnanteil ausgezahlt bekommen.

… und bei einer AG

Bei AGs sieht das BMF die Rechtslage so: Eine inkongruente Gewinnausschüttung ist nur anzuerkennen, wenn in der Satzung ein abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine Öffnungsklausel in der Satzung oder einen satzungsdurchbrechenden Beschluss akzeptiert das BMF bei AGs nicht.

Das BMF-Schreiben ersetzt das frühere Schreiben vom 17. Dezember 2013 und ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Vielfältige Konstellationen

Die Praxis kann mit dem neuen BMF-Schreiben arbeiten. Wichtig wird es – weiterhin sein, dass die zivilrechtlichen Grundlagen wirksam sind. Dies betrifft insbesondere Zustimmungs- und Mehrheitserfordernisse, aber auch formelle Erfordernisse (Eintragung im Handelsregister, notarielle Beurkundung). Ansonsten wird die Finanzverwaltung die steuerliche Anerkennung der Gewinnausschüttung versagen. Auffällig ist: Das BMF-Schreiben ist nicht abschließend. Das lässt zumindest das Wörtchen „insbesondere“ im Eingangssatz zu den Fällen, die als rechtlich wirksam anzusehen sind, vermuten. Das Wirtschaftsleben und dessen rechtliche Abbildung sind eben vielfältig und es kann zu unterschiedlichen Fallkonstellationen kommen. Umso wichtiger ist in diesen Fällen die eingehende rechtliche und steuerliche Prüfung.

Grafik: Gewinnausschuettung

Gründe dokumentieren

Im Vergleich zum alten BMF-Schreiben aus dem Jahr 2013 fällt auf, dass der steuerliche Gestaltungsmissbrauch nicht mehr erwähnt ist. Es ist nicht ganz klar, wie man das zu bewerten hat. Wird die Finanzverwaltung nunmehr gar nicht mehr prüfen, ob die Voraussetzungen eines steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs vorliegen? Das wäre wohl doch etwas realitätsfern. Für die Praxis heißt das: Es bleibt wichtig, sachliche Gründe für die inkongruente Gewinnausschüttung zu dokumentieren und diese Gründe der Finanzverwaltung erklären zu können.

 

Ansprechpartner: Sebastian Sachs

Fazit

Im Eingangsbeispiel fahren Herr Meier, Herr Müller und die MM GmbH gut, wenn sie die inkongruente Gewinnausschüttung durch eine rechtliche und steuerliche Beratung absichern lassen. Konkret sind die entsprechenden Beschlüsse in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben (gesetzlich und/oder vertraglich) zu erstellen und danach von einem Experten auf ihre steuerliche Anerkennung hin zu prüfen.

Perspektiven

Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen

Nachdem der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung zur steuerlichen Anerkennung eines ohne Satzungsgrundlage beschlossenen inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses widersprochen hat, reagiert nun das BMF und fasst sein bisheriges Schreiben hierzu neu. Dabei arbeitet es auch das BFH-Urteil zur Behandlung zeitlich inkongruenter Gewinnausschüttungen ein.

05 Sept. 2024 National Office Tax

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