Am 15. Februar 2024 genehmigte die EU-Kommission die lang ersehnte dritte Welle namens IPCEI (Important Project of Common European Interest) Hy2Infra, um die Wasserstoffinfrastruktur gemäß den EU-Beihilfevorschriften zu fördern. Geplant sind 33 Projekte aus sieben Mitgliedstaaten – darunter 24 deutsche Projekte –, die den Großteil einer europäischen Wasserstoff-Wertschöpfungskette abdecken würden. Diese reichen von der Installation von Großelektrolyseuren zur Produktion von grünem Wasserstoff über Fern- und Verteilerleitungen bis hin zu Speicheranlagen und Umschlagterminals für flüssige, organische Wasserstoffträger. Insgesamt stellt die EU-Kommission bis zu 6,9 Milliarden Euro öffentliche Mittel für die „IPCEI Hy2Infra“-Projekte zur Verfügung. Es wird erwartet, dass hierdurch zudem privatwirtschaftliche Investitionen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro ermöglicht werden. Nun stellt sich die Frage, wie es mit dem geplanten Wasserstoffhochlauf weiter vorangeht und welche nächsten Schritte die EU-Kommission und die Bundesregierung vorsehen.
RED III für erneuerbaren Wasserstoff
Einen wichtigen Rahmen steckt die dritte Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive, kurz RED III) ab, die der Europäische Rat im Oktober 2023 erlassen hat. Danach soll der Anteil der erneuerbaren Energien am EU-Gesamtenergieverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 42,5 Prozent ansteigen. War der Vorgänger RED II mit der RFNBO-Definition („renewable fuels of non-biological origin“) noch auf den Verkehrssektor begrenzt, so gilt die dritte Richtlinie sektorübergreifend. Das heißt, RED III umfasst auch Vorgaben für Industrie, Schifffahrt und Luftverkehr. Durch diese Sektorenerweiterung werden die Mitgliedstaaten unweigerlich zum Handeln aufgefordert, um die neuen Vorgaben zeitig umzusetzen. Beispielsweise setzt die EU-Kommission für den Industriesektor die Benchmark, dass bis 2030 mindestens 42 Prozent des verwendeten Wasserstoffs aus RFNBO-Quellen stammen müssen, damit dieser als erneuerbarer Wasserstoff gilt. Bis 2035 müssen es sogar mindestens 60 Prozent sein. Dafür müssen viele Unternehmen hohe Investitionen tätigen, um beispielsweise bis 2030 den Einsatz von grünem Wasserstoff gewährleisten zu können. Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband (DWV) forderte daher 2023 zusätzliche europaweite Ausschreibungen zur Förderung von grüner Energie. Tatsächlich nimmt – neben den regulatorischen Anpassungen – die Politik Fahrt auf, um die Fördermittellandschaft entsprechend auszurichten.
Ausbau der Infrastruktur
Die Bundesregierung hat dazu ihre nationale Wasserstoffstrategie aus dem Jahr 2020 im Juli 2023 aktualisiert. Allein für die Förderung der Wasserstofferzeugung und -nutzung sowie für den Infrastrukturausbau sollen mehrere Milliarden Euro aus Mitteln des Bundes und der Länder zur Verfügung gestellt werden (wesentliches Vehikel ist die o. g. IPCEI-Förderung). In diesem Kontext sieht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beispielsweise rund 9.700 km Leitungen vor, die Teil des bis 2040 geplanten über 53.000 km langen Wasserstoffnetzes namens „European Hydrogen Backbone“ sein sollen.
Die ganze Wertschöpfungskette
Neben Produktion und Transport soll die Marktreife von Derivaten und Anwendungstechnologien weiter gefördert werden. Genau dafür haben EU-Kommission und Bundesregierung in den vergangenen Jahren bereits Förderinstrumente erarbeitet, weitere werden zeitnah folgen. Einige dieser Instrumente können in den nächsten Jahren den Wasserstoffhochlauf weiter beschleunigen:
- Der EU Innovation Fund ist seit 2021 eines der weltweit größten Förderprogramme für Vorzeigeprojekte mit hochinnovativen Technologien, die durch erhebliche Emissions- und Treibhausgasreduktionen entscheidend zu einem grünen Europa beitragen sollen. Dafür stehen bis 2030 voraussichtlich 40 Milliarden Euro zur Verfügung. Es wird ein breites Spektrum an Technologien und Branchen abdeckt. Auch das Thema „Grüner Wasserstoff“ wurde bereits mehrfach gefördert. Angesichts der steigenden Relevanz des Wasserstoffeinsatzes wurde 2023 erstmals ein EU-weites Auktionsverfahren unter dem Dach des EU Innovation Fund veröffentlicht, um ausschließlich Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff im Europäischen Wirtschaftsraum zu fördern. Das Interesse ist groß: Für 132 Projekte wurden bis zum 8. Februar 2024 Gebote abgegeben, um am 800 Millionen Euro umfassenden ersten Auktionsverfahren teilzuhaben. Die Bundesregierung stellt zusätzlich 350 Millionen Euro für Elektrolyseur-Projekte in Deutschland bereit.
- Der Just Transition Fund wird auch als EU-Fonds für den gerechten Übergang bezeichnet, da er den regionalen Strukturwandel in einzelnen Teilen Europas begleiten und betroffene Gebiete fördern möchte. In Deutschland betrifft dies beispielsweise den Braunkohleausstieg. Dafür werden im Förderzeitraum von 2021 bis 2027 insgesamt 17,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Unter anderem sollen Produktion, Transport und Nutzung von Wasserstoff gefördert werden. Der Freistaat Sachsen hat Ende 2023 einen Förderaufruf veröffentlicht, auf den sich ansässige Unternehmen mit ihren Vorhaben zum Ausbau, Neubau oder zur Anpassung lokaler Gasverteilnetze für den Transport und die Verteilung von grünem Wasserstoff bewerben können.
- Mit Klimaschutzverträgen (engl. Carbon Contracts for Difference) sollen Unternehmen bei der Umstellung auf klimafreundliche Produktionsverfahren unterstützt werden. Dabei sollen die erwarteten Mehrkosten nach dem Konzept der CO2-Differenzverträge ausgeglichen werden. Auch hier erfolgt die Vergabe über ein Gebotsverfahren. In Deutschland gab es bereits im Spätsommer 2023 ein verbindliches Vorverfahren, an dem sich Unternehmen beteiligen konnten, um ihr Interesse an dem Programm zu bekunden. Das erste Gebotsverfahren wird jedoch erst im zweiten Quartal 2024 erwartet, da die EU-Kommission erst am 16. Februar 2024 die beihilferechtliche Genehmigung erteilt hat. Auch hier ist damit zu rechnen, dass Unternehmen die Möglichkeit bekommen, sich die Produktion von Wasserstoffderivaten fördern zu lassen – sofern diese nicht der energetischen Nutzung oder der Erzeugung von Stoffen zur energetischen Nutzung dienen.
- Bei der Carbon-Management-Strategie handelt es sich um den Nachfolger des bisherigen Förderprogramms „Dekarbonisierung der Industrie“. Im Februar 2024 veröffentlichte die Bundesregierung wichtige Eckpunkte. Danach möchte sie zukünftig auch auf das Abscheiden, den Transport und das Speichern von CO2 (CCS und CCU) setzen, um den Weg zur Klimaneutralität zu schaffen. Unter Berücksichtigung des voraussichtlichen Wasserstoffhochlaufs ergeben sich durch diese Förderung Synergien. Denn die Kombination von abgeschiedenem CO2 mit grünem Wasserstoff könnte ein wertvoller Schritt sein, um beispielsweise chemische Prozesse – wie die Produktion von grünem Methanol – weiter voranzutreiben.
Co-Autorin: Kira Krüger