In der komplexen Landschaft des Steuerrechts stehen Unternehmen vor der Herausforderung, Steuererklärungen richtig und vollständig abzugeben. Wird ein Fehler nachträglich entdeckt, kommt es im besten Fall zu einer unverzüglichen Berichtigung der fehlerhaften Steuererklärung. Mit einer Änderung der entsprechenden Steuerfestsetzung durch das Finanzamt und der Nachzahlung der Steuern könnte der Fall dann abgeschlossen sein. Leider sieht es in der Praxis häufig anders aus. Die Finanzverwaltung behandelt eine Berichtigung als Selbstanzeige und prüft – ggf. im Rahmen eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens –, ob diese wirksam ist. Ist bereits die ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO mitunter eine Herausforderung, gelten für eine strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 noch einmal deutlich strengere Anforderungen. Wir geben einen Überblick über die wesentlichen Unterschiede.
Schwierige Prognose
Wurde dem Finanzamt eine berichtigte Steuererklärung bzw. Steueranmeldung übermittelt, bleibt die spannende Frage: Wie reagiert die Finanzverwaltung? Eine verlässliche Prognose lässt sich kaum treffen. Neben regionalen Unterschieden können insbesondere die betroffene Steuerart und die Höhe der nacherklärten Steuern eine Rolle spielen. Berichtigungen im Bereich der Umsatz- und Lohnsteuer werden von der Finanzverwaltung vielfach – aber eben nicht immer – kritischer gesehen als z. B. die Berichtigung von Ertragsteuern. Berichtigungen im Millionenbereich führen eher zu einem strafrechtlichen Aufgriff als Korrekturen im Bagatellbereich. Ein erhöhtes Risiko für eine strafrechtliche Verfolgung besteht, wenn die Berichtigung im Rahmen einer laufenden steuerlichen Außenprüfung erfolgt. Nach einer entsprechenden Verwaltungsanweisung sind die Veranlagungs- und Betriebsprüfungsstellen dann grundsätzlich verpflichtet, die Berichtigung zur weiteren Prüfung und Auswertung an die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes weiterzuleiten.
So reagiert das Finanzamt
Im Wesentlichen hat das Finanzamt die folgenden Möglichkeiten, auf eine Berichtigung von Steuererklärungen zu reagieren:
- Es akzeptiert die Berichtigung ohne weitere Nachfrage, erlässt entsprechend geänderte Steuerbescheide und setzt ggf. Nachzahlungszinsen nach § 233a AO fest (0,15 Prozent pro Monat)
- Es fragt – insbesondere bei der Berichtigung von Umsatzsteuererklärungen und Umsatzsteuer-Voranmeldungen – formularmäßig an, worauf die Berichtigung zurückzuführen ist. Teilweise wird dies mit dem Hinweis verbunden, dass die Behörde zu prüfen habe, ob eine Selbstanzeige vorliegt oder Hinterziehungszinsen festzusetzen sind
- Neben einer geänderten Steuerfestsetzung ergeht ein Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen (0,5 Prozent pro Monat). Der Nachweis einer für die Zinsfestsetzung erforderlichen vorsätzlichen Steuerhinterziehung wird in der Regel nicht geführt.
- Den Beschuldigten – bei Unternehmen sind dies in der Regel die gesetzlichen Vertreter – wird häufig ohne eine detaillierte Prüfung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung bekannt gegeben. Es wird darauf hingewiesen, dass die Berichtigung als Selbstanzeige behandelt und im Rahmen des Ermittlungsverfahrens überprüft wird, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Selbstanzeige vorliegen.
Diese Reaktionsmöglichkeiten sollten Unternehmen bereits im Vorfeld der Berichtigung in den Blick nehmen. Nur so können sie entscheiden, ob eine bloße Berichtigung nach § 153 AO ausreicht oder ob mit der Berichtigung vorsorglich auch die Voraussetzung einer straf- oder bußgeldbefreienden Selbstanzeige erfüllt werden soll.
Berichtigung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO
Die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO besteht, wenn ein Steuerpflichtiger bzw. sein gesetzlicher Vertreter nachträglich erkennt: Eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung ist objektiv unrichtig oder unvollständig und es ergibt sich dadurch eine Steuerverkürzung. Die Anzeige- und Berichtigungspflicht ist zweistufig ausgestaltet. Auf der ersten Stufe ist der Finanzbehörde unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, anzuzeigen, dass eine Erklärung unrichtig oder unvollständig ist, im Anschluss daran hat der Steuerpflichtige die fehlerhaften Angaben zu berichtigen bzw. die fehlenden Angaben nachzuholen.
Nachträgliches Erkennen
Die Anzeige- und Berichtigungspflicht knüpft an das nachträgliche Erkennen also das positive Wissen der Unrichtigkeit an. Die bloße Möglichkeit eines Fehlers löst noch keine Pflichten aus, ebenso wenig besteht eine Verpflichtung, nach Fehlern zu suchen. Wurde aber die Unrichtigkeit einer Steuererklärung erkannt, gilt die oben dargestellte kurze Reaktionszeit. Gerade bei Dauersachverhalten, die über mehrere Jahre nicht zutreffend behandelt wurden, kann die Aufarbeitung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen und die Berichtigung verzögern.
Berichtigungszeitraum
Die Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung muss nach der Abgabe bei der Finanzbehörde und vor dem Ablauf der (regelmäßig vierjährigen) Festsetzungsfrist eintreten. Die Anzeige- und Berichtigungspflicht erlischt mit dem Ablauf der Festsetzungsfrist, da die fehlerhafte Erklärung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu steuerlichen Änderungen führen kann und daher keine steuerliche Bedeutung mehr hat.
Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO
Auslöser einer Selbstanzeige ist wie bei der Berichtigung eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung. Allerdings knüpft eine Selbstanzeige nicht an das nachträgliche Erkennen der Unrichtigkeit an, sondern setzt voraus, dass der Steuerpflichtige bereits bei Abgabe der Steuererklärung leichtfertig bzw. zumindest bedingt vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Abweichend von der Praxis der Finanzverwaltung, die den zweiten Schritt hier häufig vor dem ersten geht, stellt sich die Frage einer Selbstanzeige also erst, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen einer leichtfertigen Steuerverkürzung (Steuerordnungswidrigkeit nach § 378 Abs. 1 AO) bzw. einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung (Steuerstraftat nach § 370 Abs. 1 AO) vorliegen.
Unterschiedliche Folgen
Die Berichtigung und die Selbstanzeige unterscheiden sich zudem in ihren jeweiligen Folgen: Die Berichtigung einer Erklärung hat lediglich die Nachversteuerung der fehlerhaften oder unterlassenen Angaben und möglicherweise die Zahlung von Nachzahlungszinsen zur Folge. Bei der Selbstanzeige geht es jedoch um die Erlangung von individueller Straffreiheit. Der Betroffene will die Festsetzung eines Bußgeldes bzw. die Verhängung einer Geld- oder Freiheitsstrafe verhindern.
Wer berichtigt?
Bei einer Berichtigung handelt es sich um eine Erklärung des steuerpflichtigen Unternehmens, das durch die in §§ 34, 35 AO genannten Personen (insbesondere Geschäftsführer und Vorstände) vertreten wird. Bei einer Selbstanzeige handelt es sich hingegen um eine persönliche Erklärung derjenigen natürlichen Personen, denen das Finanzamt den Vorwurf einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung machen könnte. Dies sind im Unternehmenskontext zwar vielfach auch die gesetzlichen Vertreter, jedoch kommen hier auch weitere Personen in Betracht, z. B. Leiter der Steuerabteilung oder Mitarbeiter des Finanz- und Rechnungswesens.
Zeitlicher Rahmen
Orientiert sich der Zeitraum einer Berichtigung an dem Ablauf der regelmäßig vierjährigen steuerlichen Festsetzungsfrist, knüpft eine Selbstanzeige an steuerstrafrechtliche Verjährungsvorschriften an. So muss eine Selbstanzeige im Falle einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung Angaben zu allen nicht verjährten Steuerstraftaten enthalten. Dabei gilt für eine einfache Steuerhinterziehung eine Verjährungsfrist von fünf Jahren und für eine besonders schwere Steuerhinterziehung (z. B. Hinterziehung von mehr als 50.000 Euro pro Steuerart und Besteuerungszeitraum) eine solche von 15 Jahren. Mindestens sind Angaben zu allen Steuerstraftaten der letzten zehn Kalenderjahre erforderlich („Mindestberichtigungszeitraum“).
Autor: Boris Salzmann