Bunte horizontale veschiedene Socken auf Holzregal

Sechs Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Transformation im Modeeinzelhandel

Verwandte Themen

Der Modeeinzelhandel steht unter Transformationsdruck. Sechs Faktoren führen zum Erfolg.


Überblick

  • Für eine erfolgreiche Transformation oder Restrukturierung im Modeeinzelhandel sind sechs Faktoren entscheidend.
  • Diese Faktoren sind Datentransparenz, Positionierung, Priorisierung von Investitionen, effiziente Prozesse, Komplexitätsreduktion und eine solide Finanzierung.
  • Die Umsetzung erfordert Disziplin und eine strikte Governance, begleitet von einem engen Monitoring und Umsetzungsmanagement.

Der Modeeinzelhandel durchläuft starke Veränderungen, bedingt durch sich wandelnde Verbraucherpräferenzen, technologischen Fortschritt und ein generell dynamisches Marktumfeld. Insbesondere die Unternehmen der DACH-Region sehen sich mit massiven Herausforderungen aufgrund einer sinkenden Kaufkraft der Konsumenten, steigenden Finanzierungskosten und laufenden strukturellen Veränderungen der Branche konfrontiert.

Entwicklung der Insolvenzen im Modeeinzelhandel 2023 gegenüber 2022 (Halbjahreszahlen)

Um in dem wettbewerbsintensiven Umfeld der Modeindustrie zu bestehen, sind Restrukturierung und Transformation unabdingbar für Unternehmen – für einige als Präventivmaßnahme, für andere als Notwendigkeit aufgrund ihrer finanziell angespannten Situation. Für eine erfolgreiche Transformation gilt es bestimmte Faktoren zu beachten, die essenziell für einen langfristigen Erfolg des Unternehmens sind. Aufgrund seiner Erfahrung aus zahlreichen Projekten in der Modeindustrie hat EY-Parthenon sechs Erfolgsfaktoren identifiziert. Sie werden in diesem Artikel beleuchtet und in ihrer praktischen Umsetzung erläutert.

1. Transparenz

Ein entscheidendes Element für eine erfolgreiche Transformation ist Datentransparenz. Sie ermöglicht es Unternehmen, die relevanten Informationen zur Unterstützung der Entscheidungsfindung zu gewinnen.

Nur mittels transparenter Daten ist die Identifikation von gewinn- und verlustbringenden Absatzkanälen und Produkten sowie idealerweise Kunden (Customer Lifetime Value) möglich. Eine umfassende Analyse von Umsatz, Kosten und Ergebnis ermöglicht dann die Ableitung von Strategien wie zum Beispiel Überarbeitung von Portfolios, Preisanpassungen, Lagerbestandsoptimierungen oder Feinschliff von Marketingaktivitäten.



Insbesondere in Turnaround-Situationen ist eine 80-Prozent-Lösung in kurzer Zeit wertvoller als eine 99-prozentige Transparenz, wenn sich zeitgleich der Handlungsspielraum einschränkt.



Zur Schaffung von Transparenz sind drei Voraussetzungen entscheidend: erstens die Einigung auf eine leitende Datenbasis – „one single source of truth“ –, zweitens eine Deckungsbeitragsrechnung für Absatzkanäle und Produkte mit der entsprechenden Allokation von Kosten (auch Gemeinkosten) und drittens empfiehlt EY-Parthenon seinen Kunden einen gesunden Pragmatismus, da besonders bei der Kostenallokation die Gefahr besteht, sich in Details und potenziell unwichtigen Diskussionen zu verlieren. Insbesondere in Turnaround-Situationen ist eine 80-Prozent-Lösung in kurzer Zeit wertvoller als eine 99-prozentige Transparenz, wenn sich zeitgleich der Handlungsspielraum einschränkt. Solche Sachverhalte sind typischerweise Anwendungsgebiete für Big-Data-Analysen und die Nutzung von KI, aber auch dann sind die drei genannten Voraussetzungen entscheidend.

2. Positionierung und langfristige strategische Ausrichtung

Eine klare Positionierung und eine klar formulierte langfristige Strategie sind ebenfalls ausschlaggebend für den Erfolg. Was leicht gesagt ist, stellt in der Realität eine echte Herausforderung dar, besonders wenn es sich um einen volatilen Markt handelt. Um als Modeunternehmen eine erfolgreiche, langfristige Strategie entwickeln zu können, müssen zunächst der Zielmarkt und die Kundenbedürfnisse bestimmt werden, um dann eine geeignete Value Proposition darauf auszurichten. Dieses Vorgehen dient der Organisation anschließend als Kompass in der Transformation: Es hilft Entscheidungsträgern, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, die richtigen Entscheidungen zu treffen und sich in einer wettbewerbsintensiven Landschaft zu differenzieren.



Eine Änderung der Strategie muss sichtbar sein – innerhalb des Unternehmens und von außen – und dazu braucht es auch ein gewisses Maß an Risikobereitschaft.



Für die Entwicklung einer effektiven Strategie sind ebenfalls drei Punkte wesentlich. Der erste ist die genaue Kenntnis der Kunden, aber auch von Nichtkunden: Warum kauft der Kunde oder warum kauft er nicht (mehr)? Liegt es am Preis, an der Passform der Bekleidung oder an etwas anderem? Obwohl CRM-Daten und allgemeine Marktstudien wertvolle Einblicke bieten, empfiehlt EY-Parthenon in der Regel die Durchführung gezielter Marktumfragen, um die Zielgruppe besser zu verstehen. Zweitens braucht es Mut bei der Umsetzung. EY-Parthenon hat festgestellt, dass eine kleine Kursänderung in den meisten Fällen nicht funktioniert. Eine Änderung der Strategie muss sichtbar sein – innerhalb des Unternehmens und von außen – und dazu braucht es auch ein gewisses Maß an Risikobereitschaft. Der dritte wesentliche Punkt ist Stringenz in der Umsetzung. Einige Veränderungen benötigen bis zu zwei Saisons Zeit, um sichtbar zu werden, insbesondere wenn sie das Produktangebot betreffen. Aus diesem Grund sollten vor der Bewertung der Maßnahmen – zum Beispiel durch Investoren oder Entscheidungsträger – zunächst zwei Saisons abgewartet werden, damit der Markt die Veränderung auch wahrnehmen kann.

 

3. Investitionen in Absatzkanäle priorisieren

Bei einer Restrukturierung oder Transformation ist es entscheidend, Investitionen in die verschiedenen Absatzkanäle strategisch zu priorisieren. In vielen Fällen besteht bei aktuellen Cash-Cow-Kanälen keine hohe Wachstumserwartung für die Zukunft, wodurch sie künftig an Bedeutung für das Unternehmen verlieren werden. Aus diesem Grund muss die Kanal-Priorisierung mit der langfristigen Strategie übereinstimmen. Für die Bestimmung der jeweiligen Kanalstrategie gilt es zunächst die Performance der verschiedenen Vertriebskanäle (eigene Läden, Wholesale-Business und E-Commerce) zu evaluieren und anschließend die folgenden drei Schlüsselfragen zu beantwortet: 1. Welche sind die aktuellen Cash Cows und wie können wir sie optimieren? Dies geschieht für jeden einzelnen Point of Sale, wodurch Maßnahmen wie Prozessoptimierungen, Mietnachverhandlungen, andere Kosteneinsparungen oder gegebenenfalls eine Schließung des Point of Sale abgeleitet werden können. 2. Stehen die Kanäle vor zukünftigem Wachstum? Und als oft entscheidende Frage 3. Wie können wir das zukünftige Wachstumspotenzial erschließen und welche Investitionen und Fähigkeiten sind dafür erforderlich? Es gibt dafür leider keine allgemeingültige Antwort, aber in der Regel besteht das Erfolgsrezept auch in der Zukunft aus einem Kanal-Mix und nicht einem singulären Absatzkanal. 

 

4. Effiziente End-to-End-Prozesse

Neben einer klaren strategischen Positionierung entscheiden vor allem das Geschäftsmodell und die Effizienz der End-to-End-Prozesse, ob das Unternehmen profitabel ist. Letztendlich geht es hierbei um Disziplin in der gesamten Organisation. Voraussetzungen für die Optimierung von Prozessen sind die Reduzierung von Komplexität (siehe nächsten Abschnitt), eine klare Strategie und die bereits genannte Transparenz. Die Vorteile von schlanken und gut funktionierenden Prozessen liegen auf der Hand. Sie ermöglichen eine Verringerung operativer Engpässe, die Optimierung des Working Capital, eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit und letztlich auch eine höhere Produktivität.



Allerdings ist ein perfekter Prozess nicht allein der Schlüssel zum Erfolg – ebenso bedeutend sind gute Governance und Mechanismen, die festlegen, wie (operative) Entscheidungen getroffen werden. Es lohnt sich, hier Zeit zu investieren und das Verhalten der Organisation zu reflektieren.



Welche Schritte sind allerdings notwendig und welche Herausforderungen bestehen? Voraussetzung und Grundlage für weitere Optimierungen ist eine saubere End-to-End-Prozessdefinition: Wer macht was? Dazu gehört auch die Definition der Schnittstellen zwischen den Prozessschritten sowie die Definition der „Deliverables“ aus jedem Prozessschritt. Gerade hier sieht EY-Parthenon, dass einige Unternehmen ihre Hausaufgaben noch machen müssen. Idealerweise wird bei der End-to-End-Prozessdefinition auch die Komplexität reduziert (siehe nächsten Abschnitt). Allerdings ist ein perfekter Prozess nicht allein der Schlüssel zum Erfolg – ebenso bedeutend sind gute Governance und Mechanismen, die festlegen, wie (operative) Entscheidungen getroffen werden. Es lohnt sich, hier Zeit zu investieren und das Verhalten der Organisation zu reflektieren. Für EY-Parthenon zeigt sich gute Governance darin, wie Konflikte gehandhabt werden. Inhärente und entscheidende Konflikte bei Modehändlern finden typischerweise zwischen den Funktionen Brand, Vertrieb und Produkt statt. Der Raum für eine neutrale und sachorientierte Lösung dieser Konflikte sollte – unterstützt von Datentransparenz – gegeben sein. Die Realität, die wir beobachten, ist oft jedoch eine andere: Nur in Teilen gibt es klar definierte Prozesse, dafür aber viele eingeschliffene Routinen, Massen von (ungeordneten) Daten, zahlreiche Systeme und die klassischen Königreiche Produkt und Vertrieb, die ihren Einfluss verteidigen wollen.

5. Komplexitätsreduktion

Durch ein breites Sortiment und Vertriebskanäle mit verschiedenen Betriebsmodi sind die Abläufe bei Modefirmen oft sehr komplex. Allerdings bergen die oft notwendige Reduzierung der Produktpalette und die Standardisierung der Kanalbewirtschaftung auch Risiken. Der Gefahr von weniger Umsatz aufgrund der Reduktion von Farboptionen oder einer zu harten Nachverhandlung von Lieferantenverträgen wird gerne aus dem Weg gegangen. Allerdings ist dies häufig notwendig, um das Geschäftsmodell und seine End-to-End-Prozesse zu verschlanken.



Letztlich ermöglicht eine Reduktion der Komplexität effizientere betriebliche Abläufe, was dem Unternehmen beispielsweise die Chance bietet, mit den frei gewordenen Kapazitäten und finanziellen Mitteln in neue Ideen und Innovationen zu investieren und diese zu testen.



Während eine Komplexitätsreduktion aus analytischer Sicht einfach ist, präsentiert sich die Implementierung der Maßnahmen oft als sehr herausfordernd. Ein Erfolgsfaktor hierbei ist einmal mehr ein klares Ziel, das durch eine langfristige Strategie, Disziplin und eine gut funktionierende Governance, die gesunde Konflikte ermöglicht, gestützt wird.

 

Letztlich ermöglicht eine Reduktion der Komplexität effizientere betriebliche Abläufe, was dem Unternehmen beispielsweise die Chance bietet, mit den frei gewordenen Kapazitäten und finanziellen Mitteln in neue Ideen und Innovationen zu investieren und diese zu testen. 

 

6. Solide Finanzierung

Angesichts der Saisonalität der Modebranche ist die Sicherung der Finanzierung vor allem in den Spitzen sehr wichtig. Eine ausreichende kurzfristige Finanzierung in Zeiten, in denen hohe Cash-outs (zum Beispiel Aufbau neuer Lagerbestände) auf niedrige Cash-ins (niedrige Nachfrage während des Ausverkaufs) treffen, ist entscheidend. Ein integrierter Businessplan auf monatlicher Ebene sowie eine sorgfältige Cashflow-Prognose auf wöchentlicher Ebene bilden die Grundlage für die Ableitung saisonaler Finanzierungsspitzen und damit die Bestimmung des Volumens der kurzfristigen Kreditlinien. Durch Sensitivitäts- und Szenarioanalysen können dann Entscheidungen über die Ressourcenverwendung, Investitionsprioritäten und das Kostenmanagement getroffen werden.

 

Mit der zunehmenden Bedeutung von ESG-Governance führen Banken Due-Diligence-Prüfungen potenzieller Kreditnehmer durch, um deren ESG-Risiken zu bewerten. Unternehmen mit unzureichenden ESG-Praktiken können mit höheren Kreditkosten oder sogar der Verweigerung von Finanzierungen konfrontiert werden, wenn ihr Geschäftsmodell erhebliche Umwelt- oder soziale Risiken darstellt. Eine solide Finanzierung korreliert daher auch mit ethischen und nachhaltigen Geschäftsaktivitäten, die mit der Positionierung des Unternehmens und der langfristigen Strategie definiert sind. Investitionen in umweltfreundliche Materialien, ethische Produktion und Beschaffung und sozial verantwortliche Initiativen erfüllen nicht nur die Forderungen von Verbrauchern und tragen zu einem positiven Markenimage bei, sondern sind auch wichtig, um Zugang zu (günstiger) Finanzierung zu erhalten.



Eine solide Finanzierung korreliert daher auch mit ethischen und nachhaltigen Geschäftsaktivitäten, die mit der Positionierung des Unternehmens und der langfristigen Strategie definiert sind.



Dabei sollte nicht vergessen werden, dass nachhaltige Lieferantenbeziehungen schon immer ein großer Teil der Unternehmensfinanzierung waren, da Modeunternehmen oft auf ein Netzwerk von Lieferanten angewiesen sind. Die Schaffung starker Beziehungen führt nicht nur zu Kosteneinsparungen, sondern ermöglicht auch flexible und längere Zahlungspläne, wodurch der Finanzierungsbedarf reduziert wird.

Zusammenfassend sehen eine erfolgreiche Restrukturierung und eine erfolgreiche Transformation im Modegeschäft nur auf dem Papier leicht aus. Nach der relativ kurzen Entwicklungszeit der Konzepte ist der Schlüssel zum Erfolg die strikte Umsetzung und Disziplin. Dabei ist es unerlässlich, die langfristige strategische Vision des Unternehmens in jedem Schritt im Auge zu behalten.

Die Transformation sollte durch ein enges Umsetzungsmanagement und Monitoring begleitet werden, das entsprechend Governance, Change Management und Reporting sicherstellt. Auf dieses Thema wird EY-Parthenon in einer seiner nächsten Veröffentlichungen eingehen.

Fazit

Der Modeeinzelhandel in der DACH-Region steht vor Herausforderungen, darunter sinkende Kaufkraft und strukturelle Veränderungen. EY-Parthenon hat sechs Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Transformation identifiziert:

  1. Datentransparenz für bessere Entscheidungen
  2. eine klar formulierte Strategie und Positionierung 
  3. Priorisierung der Investitionen in Absatzkanäle
  4. effiziente End-to-End-Prozesse und klare Governance
  5. Reduktion von Komplexität für schlankere Abläufe
  6. solide Finanzierung unter Berücksichtigung von ESG-Aspekten

Die Umsetzung erfordert Disziplin und eine langfristige strategische Vision, begleitet von klarem Umsetzungsmanagement und Monitoring.

Mehr zum Thema

    Über diesen Artikel