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Wie Investor-Erwartungen in Zeiten volatiler Märkte gesteuert werden

Zukunftsbezogenen Aussagen haben im Kapitalmarkt und in der Finanzberichterstattung einen hohen Stellenwert für Investoren und Analysten.

An der Börse zählt die Zukunft. Deshalb sind Glaubwürdigkeit und Investorenvertrauen in Zukunftsaussagen so wichtig für Unternehmen am Kapitalmarkt. Doch unvorhersehbare externe Schocks und volatile Märkte beeinflussen zunehmend die Planbarkeit und Prognosefähigkeit von Unternehmen. Zugleich steigen seit Jahren die Prognoseanpassungen kontinuierlich, zuletzt erreichten Ad-hoc Meldungen einen neuen Höchststand. Gründe dafür liegen vor allem in Veränderungen im Konjunktur-, Markt- und Geschäftsausblick. Eine gemeinsame Studie des Deutschen Investor Relations Verbands (DIRK) und EY zeigt, wie die Investor Relations (IR) Funktion in diesem dynamischen Umfeld das Management von Erwartungen mit Investoren und Analysten meistert.

Welche Erwartungen Investoren haben

Den zukunftsbezogenen Aussagen wird im Kapitalmarkt und in der Finanzberichterstattung ein hoher Stellenwert beigemessen. Sie bilden eine wesentliche Grundlage für Anlageentscheidungen von Investoren und Bewertungsmodelle von Analysten. Die Ergebnisse der Befragung von IR-Verantwortlichen zeigen, dass das Interesse der Investorengruppen an zukunftsbezogenen Informationen groß bis sehr groß ist.

 

Das größte Interesse zeigen erwartungsgemäß die institutionellen Anleger mit langfristiger Orientierung, die ihren Blick grundsätzlich eher in die Zukunft richten. Sie erwarten von Unternehmen, dass sie in der Kapitalmarktkommunikation nicht nur Rechenschaft über vergangene Geschäftsaktivitäten und -zahlen ablegen, sondern auch Transparenz über zukünftige Aktivitäten, die strategische Ausrichtung, die künftigen operativen Tätigkeiten und die erwartete finanzielle Lage des Unternehmens schaffen.

 

Nach Ansicht der IR-Befragten sind für die Mehrheit der Investoren zukunftsbezogene Informationen bei ihrer Anlageentscheidung wichtiger als vergangenheitsbezogene. Dies trifft insbesondere für Investoren bei stark wachsenden, jüngeren Unternehmen zu, da der Fokus der Beurteilung und Bewertung stärker in den Zukunftsaussichten liegt.


 

An der Börse werden Erwartungen gehandelt. Zukunftsbezogene Aussagen zählen mehr denn je in der Kapitalmarktkommunikation und bei der Stärkung von nachhaltigem Investorenvertrauen

 


Primäre Kommunikationsformate

Zukunftsbezogene Informationen werden durch verschiedene Formate und Medien kommuniziert. Dabei geben die IR-Officer an, dass vor allem die Analyst Guidance als Format verwendet wird, gefolgt vom obligatorischen Prognosebericht im Lagebericht. Dabei scheint die Grenze zwischen Prognosebericht und Analyst Guidance zu verschwimmen, denn beide Formate geben Auskunft über die voraussichtliche Entwicklung, die zukünftige Finanz-, Vermögens- und Ertragslage und die Aussichten des Emittenten. Unterschiede sehen zwei Drittel der befragten IR-Verantwortlichen allerdings beim Adressatenkreis, Inhalt und Zeitraum der Veröffentlichung.

Bereits im Rahmen der historischen Finanzberichterstattung müssen sich die Unternehmen nach den internationalen Rechnungslegungsstandards, die bei zahlreichen Bilanzierungs- und Bewertungsfragen einen Zukunftsbezug und subjektive, mit Unsicherheiten behaftete Schätzungen der Unternehmensleitung erfordern, auseinandersetzen, zum Beispiel bei Standards rund um die Fair-Value-Betrachtung.

Analyst Guidance
der Befragten gaben an, dass die Kommunikation der Analyst Guidance für die Jahresprognose im ersten Quartal des Planjahres erfolgt.

Prognosen in der Praxis

Jedes Jahr von September bis Dezember finden in den meisten Unternehmen die Jahresplanung und Zielsetzung für das folgende Jahr statt. Die Kommunikation der Analyst Guidance für die Jahresprognose erfolgt bei 62 Prozent der Unternehmen laut der IR-Befragten im ersten Quartal des Planjahres. 63 Prozent der IR-Verantwortlichen verwenden insbesondere die Intervallprognose als Prognosemethode gefolgt von der qualifiziert-komparativen Methode.

 

Dabei scheint die Mehrheit der Befragten (59 Prozent) dem Prognosebericht eine so wichtige Rolle zukommen zu lassen, dass eine separate Darstellung vom Chancen- und Risikobericht präferiert wird. Der Prognosebericht umfasst für die Mehrheit der IR-Officer eine relativ überschaubare Seitenanzahl von ein bis zwei Seiten. Rund 76 Prozent der IR-Officer geben an, dass die Unternehmen einen Prognosehorizont von einem Jahr zugrunde legen. Knapp ein Viertel nutzt mindestens zwei Jahre. Während aus Sicht der IR-Officer der Umsatz und das EBIT die wichtigsten finanziellen Leistungsindikatoren sind, werden als bedeutsamste nichtfinanzielle Leistungsindikatoren CO2-bezogene Angaben, Kundenzufriedenheit und Mitarbeiteranzahl genannt. Prognosekorrekturen erfolgen ausschließlich bei den finanziellen Leistungsindikatoren.

 

„Underpromise und Overdeliver“ als Strategie

Mit einer positiven Prognosehistorie, dem regelmäßigen Erreichen der prognostizierten Angaben, kann sich die Unternehmensleitung eine gewisse Prognosereputation und Glaubwürdigkeit zukünftiger Prognosen aufbauen. Die Treffergenauigkeit stellt somit eine Art „Vertrauensgut“ dar.

IR
der Befragten sehen eine Prognose, die auf jeden Fall erfüllt werden kann, als geeignete Kommunikationsstrategie an.

Eine geeignete Kommunikationsstrategie ist laut 72 Prozent der IR-Befragten daher eine Prognose, die auf jeden Fall erfüllt werden kann. Für gerade einmal sechs Prozent eignet sich eine Prognose, die auf jeden Fall übertroffen werden kann – also eine bewusst vorsichtige Prognose – zum langfristigen Aufbau von Vertrauen am Kapitalmarkt. Für fast Dreiviertel der Befragten spielt das potenzielle Haftungsrisiko eine Rolle bei zukunftsbezogenen Aussagen.

Vor allem aufgrund der hohen Dynamik und den sich rasant ändernden Umständen veranlasst die Unternehmensleitung zu vorsichtigeren Aussagen im Prognosebericht. Nach Ansicht von 64 Prozent der IR-Officer wird daher an den Formulierungen genau gefeilt – und die Unternehmensleitung verwendet nur solche, die einerseits konkret genug sind, andererseits genug Spielraum lassen. Etwas mehr als ein Viertel der Befragten tendiert dazu, vorsichtige Prognosen abzugeben.

Verbesserungspotenziale für Prognosebericht und Analyst Guidance

Das europäische Kapitalmarktrecht sieht insbesondere den Prognosebericht im Lagebericht als Pflichtpublizität für zukunftsbezogene Informationen. Darin müssen Unternehmen die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens beurteilen und erläutern.

Prognosebericht
sagen, der Prognosebericht sei ein geeignetes Mittel, um über die zukünftige Lage des Unternehmens zu informieren.

Eine zu späte Veröffentlichung der Prognose, ein zu kurzer Prognosehorizont oder zu schwammige Formulierungen – der Prognosebericht steht häufig in der Kritik. Für insgesamt 63 Prozent der IR-Verantwortlichen stellt der Prognosebericht jedoch generell ein geeignetes Mittel dar, um über die zukünftige Lage des Unternehmens zu informieren. Als eines der von den IR-Officern genannten häufigsten Bedenken der IR-Stakeholder zum Prognosebericht wird angeführt, dass dieser zu ungenau, zu allgemein und zu pauschal sei. Die größten Verbesserungspotenziale werden in folgenden Bereichen gesehen: Reduktion der Unterschiede zwischen Analyst Guidance und Prognosebericht, Erhöhung der Vergleichbarkeit und regulatorischer Anpassungsbedarf hinsichtlich der Prognosegenauigkeit und Detailtiefe.

Ansätze in der IR-Praxis

Unvorhersehbare externe Schocks und volatile Märkte führen dazu, dass Jahres- und unterjährige Planungen für das Erwartungsmanagement immer schwieriger werden und Prognosen in rasantem Tempo ihre Gültigkeit verlieren können. In diesen unsicheren Zeiten ist IR mehr denn je aufgefordert, verlässliche zukunftsbezogene Informationen nach außen zu kommunizieren. Die Umfrage zeigt, dass das IR-Erwartungsmanagement und zukunftsbezogene Informationen eine sehr große Rolle für Investoren und Analysten spielen. So besteht trotz der derzeit anhaltenden Unsicherheiten die Chance, im Dialog mit den IR-Stakeholdern transparent über die aktuelle und zukünftige Unternehmenslage zu informieren und Glaubwürdigkeit im Kapitalmarkt und Investorenvertrauen zu stärken.

Fazit

Volatile Märkte, die von externen Schocks wie der Corona-Krise massiv beeinflusst werden; Prognosen, die von Unternehmen zunehmen im Jahresverlauf angepasst werden; nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, die zunehmend wichtiger werden. Eine gemeinsame Studie des Deutschen Investor Relations Verbands (DIRK) und EY zeigt, dass das IR-Erwartungsmanagement und zukunftsbezogene Informationen eine sehr große Rolle für Investoren und Analysten spielen.


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