Case Study

(K)ein Deal wie jeder andere

Die Bayer AG setzt bei Carve-outs auf Zentralisierung und Digitalisierung.

The better the question.

Carve-outs von morgen, Methoden von gestern?

Normalerweise erfordern Verkäufe von Unternehmensteilen einen hohen Ressourceneinsatz in den Ländern und Gesellschaften vor Ort. Für Bayer kein Modell mit Zukunft.

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Am 10. März 2022 verkündete die Bayer AG einen Milliardendeal. Für umgerechnet 2,4 Milliarden Euro, so die Meldung, erwirbt die Beteiligungsgesellschaft Cinven den Geschäftsbereich „Environmental Science“ vom Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern. Damit wechselt ein in über 100 Ländern tätiger Geschäftsbereich mit 800 Beschäftigten und einem Portfolio mit verschiedenen Lösungen zur Bekämpfung von Schädlingen, Krankheiten und Unkräutern den Besitzer.

Ein Geschäft, das für beide Seiten Sinn ergibt. Private-Equity-Investor Cinven erwirbt einen weltweit führenden, diversifizierten und global wachsenden Geschäftsbereich samt gut aufgestelltem R&D-Bereich; der Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern folgt seinem Weg, sich im Bereich CropScience noch stärker auf das Kerngeschäft mit Kunden aus der Landwirtschaft zu konzentrieren und die Nettoverschuldung im Konzern zu reduzieren.

Milliardendeal
bezahlt die Beteiligungsgesellschaft Cinven für den Geschäftsbereich „Environmental Science“ der Bayer AG.

Der Verkauf von Environmental Science folgt für Bayer auf den Verkauf des Tiermedizingeschäfts im Jahr 2020 als Teil einer Serie von Transaktionen nach der Monsanto-Akquisition, die zum Streamlining des Konzernportfolios beitragen.

Ein Deal wie jeder andere war Bayers Veräußerung der Environmental Science allerdings nicht – selbst in Anbetracht der hohen Schlagzahl an Verkäufen in den letzten Jahren. Wer hinter die Kulissen blickt, der lernt eine neue Generation von Financial Carve-outs kennen, mit deren Methodik Bayer vor allem das wichtige Management von Finanzdaten zentraler, automatisierter und ressourcensparender gestaltet als bisher. Ein Team von EY hat den Konzern genau dabei unterstützt.

Traditionell: Carve-out Financials

„Unser Ziel war es, einen Veräußerungsprozess der nächsten Generation durchzuführen. Nachdem wir für den Bereich Group Finance ein neues, stärker auf die Nutzung unserer Shared-Service-Center ausgerichtetes Operating Model etabliert hatten, wollten wir die lokalen Accounting-Teams in den Landesorganisationen maximal entlasten und zentralisiert, datengetrieben und technologieunterstützt arbeiten. Große Teile klassischer auditierter Carve-outs basieren im Financial-Carve-out-Prozess immer noch auf jeder Menge lokaler Arbeit mit vielen involvierten Personen. Das Team von EY hat einen neuen, innovativeren Weg vorgeschlagen“, sagt Jens Schedler, bei der Bayer AG global verantwortlich für M&A-Themen im Finanzbereich. 

Unser Ziel war es, einen Veräußerungsprozess der nächsten Generation durchzuführen. Wir wollten die lokalen Accounting-Teams in den Landesorganisationen maximal entlasten und zentralisiert, datengetrieben und technologieunterstützt arbeiten.

Eine zentrale, flexible Datenschnittstelle könnte, so der Ansatz, den Aufwand in den Ländergesellschaften massiv reduzieren. Denn die Quellen der Finanzdaten des Carve-outs wären nun nicht mehr die Accounting- und Controlling-Abteilungen in den Gesellschaften, sondern eine zentrale Datenbank basierend auf dem Enterprise Resource Planning (ERP) des Bayer-Konzerns. Das Ziel: ein Ende von Mehrfachanfragen und Doppelarbeit, mit einer gleichzeitigen, überleitbaren Datenbasis zum ebenfalls zu erstellenden Financial Fact Book.

Keine Einmallösung

„Gerade bei stark integrierten Geschäftseinheiten und einem dezentralen Ansatz kann die Erstellung von Carve-out-Finanzdaten herausfordernd sein. Das gilt insbesondere dann, wenn verschiedene Teams zu unterschiedlichen Zeitpunkten entsprechende Daten anfordern. Gelingt allerdings die digitale und automatisierte Konsolidierung der relevanten Carve-out Financials, hat man zugleich eine wiederverwendbare Lösung für ähnlich gelagerte Prozesse“, sagt Tobias Ranker, Partner bei EY.

Genau das war unser großes gemeinsames Ziel: keine Einmallösung, sondern ein neuer Standard, zugeschnitten auf Bayer, nach dem neuesten Stand der Technologie.

Das bedeutet: Die Investition in eine neue Lösung macht sich bereits im Rahmen des ersten Projekts bezahlt. Einmal erreichte Effizienzgewinne können darüber hinaus aber vervielfacht werden, und zwar mit jeder zusätzlichen geprüften Periode oder jedem weiteren Projekt, bei dem auditierte Financials benötigt werden.

„Genau das war unser großes gemeinsames Ziel“, sagt Schedler von Bayer, „keine Einmallösung, sondern ein neuer Standard, zugeschnitten auf Bayer, nach dem neuesten Stand der Technologie.“


Hands of a scientific investigator in a laboratory of molecular biology realizing works of of plantation of seeds modified geneticallys

The better the answer.

Vereinfachung, Verschlankung und Technologisierung

Das EY-Team setzte für die Finanzdaten der Transaktion auf eine zentrale Datenplattform – allerdings nicht ohne einen Testlauf.

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Der Carve-out der Environmental Science war für Bayer das erste größere M&A-Projekt im einem neuen, modernisierten Finance-Setup. Schedler wollte, dass sich Bayers Investments in das interne Data-Analytics-Team nun auch im Feld der M&A-Transaktionen bezahlt machen. Vor allem Finanzprozesse sollen im Bayer-Konzern zukünftig verstärkt über zentrale Shared-Service-Center gehandhabt werden. Dafür sind ERP-Systeme und Prozesse modernisiert und harmonisiert worden.

Eine Skizze davon, wie in der neuen Bayer-Welt eine wiederholt einsetzbare, zentralisierte und datengetriebene Carve-out-Financials-Plattform aussehen kann, präsentierten Tobias Ranker und Peter Krzyzanowski, Partner bei EY, Ende 2020 in Leverkusen. Die Transformation im Sack kauften Schedler und sein Team allerdings nicht. Allen Projektbeteiligten war es wichtig, die tatsächliche Machbarkeit des neuen Ansatzes im Vorfeld zu überprüfen.

Machbarkeitsstudie vor dem Detailkonzept

Entsprechend führte das Team eine „Feasibility Study“ durch. Im Kern wurde hier anhand einer Landesgesellschaft exemplarisch durchgespielt, was im neuen Setup genau geschehen würde, wo die Grenzen des zentralen Ansatzes liegen und welche Herausforderungen konkret zu meistern sind. Ein Testlauf.

„Die von EY begleitete Vorstudie hat geholfen, uns im Detail davon zu überzeugen, wie genau die Abläufe aussehen werden, welche Methoden dahinterstecken und wie flexibel wir die Plattform handhaben können. Nachdem wir davon überzeugt waren, dass der Ansatz zu unseren internen Schnittstellen und Finanzprozessen gut passt, hatten wir ein hohes Vertrauen, dass wir den Weg gemeinsam erfolgreich beschreiten können“, so Schedler.

Die von EY begleitete Vorstudie hat geholfen, uns im Detail davon zu überzeugen, wie genau die Abläufe aussehen werden, welche Methoden dahinterstecken und wie flexibel wir die Plattform handhaben können.

Umsetzung nach dem Testlauf: Die CARVEx-Plattform entsteht

Anfang 2021 arbeitete das Team von EY am Detailkonzept und dem Aufbau der sogenannten CARVEx-Plattform für Bayer. Ende Februar 2021 verkündete Bayer dann am Markt die Veräußerungsabsicht des Environmental-Science-Geschäfts, damit war der offizielle Startschuss gefallen.

Anschließend ging es an das eigentliche Carve-out-Handwerk im neuen, digitalen und zentralen Aufbau des konkreten Modells: das Ausrollen des vorbereiteten Konzeptes, organisiert in verschiedenen Arbeitsschritten:

  • Deep Dives zu Datenbedarf und -anforderungen mit M&A-Stakeholdern wie etwa dem Separation-Team, dem Fact-Book-Team sowie beteiligten Rechtsanwaltskanzleien und den mandatierten Wirtschaftsprüfern
  • zentrales Sammeln, Extrahieren und Konsolidieren der Finanzrohdaten aus Bayers IT-Systemen – unter Berücksichtigung der verschiedenen Informations- und Formatierungsbedürfnisse aller Projektbeteiligten
  • Transformation der Rohdaten in die verschiedenen Ausgabeformate
  • zentrales Erstellen der zu auditierenden Combined Financial Statements (CFS) für stakeholderspezifische Analysen und Reportings
  • Übergabe der CFS an die zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einschließlich zugrunde liegender validierter Datenbasis und Prüfungsdokumentation
  • ausgehend von den CFS Übergabe der für andere Stakeholder des M&A-Prozesses relevanten Daten und Analysen

Ressourcenschonung in den lokalen Teams, Komplexitätsreduktion und Effizienzgewinne bei der Verarbeitung, Konsolidierung und Aufbereitung von Daten waren beim Einsatz der neuen Technologie sichtbar. Schließlich winken gerade dort Effizienzsprünge, wo existierende Informationen automatisiert und verlässlich in verschiedene Formate konvertiert werden können und sich CARVEx als „single source of truth“ bezahlt macht.

Wo sonst viele Menschen an unterschiedlichen Standorten mühsam die Daten hätten aufbereiten müssen, ermöglichte die CARVEx-Plattform eine nahezu vollständige Prozessautomatisierung – für das Gesamtprojekt ein Tempo- und Qualitätsschub.

„Um es herunterzubrechen: Wo sonst viele Menschen an unterschiedlichen Standorten mühsam die Daten hätten aufbereiten müssen, ermöglichte die CARVEx-Plattform eine nahezu vollständige Prozessautomatisierung – für das Gesamtprojekt ein Tempo- und Qualitätsschub“, sagt EY-Partner Peter Krzyzanowski.

Shortlist stand noch 2021, Signing im März 2022

Eine Shortlist mit Kaufinteressenten stand bereits im Winter 2021. Nach konkreten Verhandlungen mit dem späteren Käufer Cinven folgte am 10. März 2022 das erwähnte Signing. Von der Machbarkeitsstudie bis zum Signing brauchten Schedler und sein Team damit nur 15 Monate. Für ein Geschäft mit dem Volumen der Environmental Science und der eingewobenen sehr hohen Komplexität beim Einweben in die bei Bayer verbleibenden Strukturen, beispielsweise in der Supply Chain, ist dies eine kurze Zeit.

„Ohne die Nutzung von Technologie und das Beschreiten neuer Wege wäre dies sicherlich nicht in diesem Tempo und mit dem geringen Ressourceneinsatz möglich gewesen. Dem Team ist es gelungen, allen Transaktionsbeteiligten eine zentrale, integrierte und detaillierte Zahlenbasis, zum Teil auf Transaktionsniveau, zur Verfügung zu stellen. Insbesondere die von Beginn an enge Zusammenarbeit mit dem Fact-Book-Team hat sich gelohnt. So wurde das Ziel erreicht, bei dem Projekt Datenkonsistenz zwischen allen Parteien zu gewährleisten, die Zugang zu den Zahlen brauchten“, sagt Schedler. 

Ohne die Nutzung von Technologie und das Beschreiten neuer Wege wäre dies sicherlich nicht in diesem Tempo und mit dem geringen Ressourceneinsatz möglich gewesen.

Von großem Wert für den Projekterfolg war dabei vor allem das intern bei Bayer bereits tätige Data-Analytics-Team. Angesiedelt im Shared-Service-Center konnte dieses gleich von Beginn an eingebunden werden und das Vorhaben maßgeblich unterstützen, was eine zentrale Erstellung der Zahlensets erst ermöglicht hat.


Black African female farmer in white coat holding a digital tablet inspecting and collecting data of young lettuce plants in a hydroponic farm

The better the world works.

Buyer happy, Bayer happy

Mit dem anstehenden Closing im vierten Quartal 2022 gelingt Bayer ein Financial Carve-out der nächsten Generation – ein neuer Standard für kommende Transaktionen.

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Der Blick hinter die Carve-out-Kulisse zeigt: Mit dem Verkauf des Environmental-Science-Geschäftsbereichs ist Bayer ein Carve-out modernster Prägung gelungen – unterstützt von Technologie, verschlankt durch die Zusammenarbeit über Team- und Unternehmensgrenzen hinweg, ausgerichtet an den Interessen der Verkäufer und Käufer.

Bemerkenswert: Durch den zentralen Erstellungsansatz für die „Audited Combined Financials“ konnte auch die zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft einen sehr viel stärker zentral ausgerichteten Prüfungsansatz verfolgen. So konnten auch hier lokale Accounting- und Konsolidierungsteams geschont werden, ohne dass Qualität verloren ging.

Automatisierungsgrad von bis zu 90 Prozent

Mit einem Automatisierungsgrad von bis zu 90 Prozent hat der technologiegetriebene Projektansatz wie erwähnt signifikant Zeit gespart. Doch die neu eingeführte Vorgehensweise bringt auch Effizienzvorteile über die eigentliche Datenverarbeitung hinaus. 

Zeitsparer
betrug der Automatisierungsgrad.

So kann nun etwa das Shared-Services-Team von Bayer gleich von Beginn des Prozesses bei der Gewinnung der Daten eingebunden werden. Separationsbuchungen bei der Ausbuchung des veräußerten Unternehmensteils können direkt mit den konkreten Daten vorbereitet werden. Auch das ist ein klarer Effizienzgewinn im Gesamtprozess und ein weiteres Beispiel für den großen Wert eines internen Data-Analytics-Teams im Shared-Services-Umfeld.

Im Vergleich zu vorangegangen Transaktionen sieht der globale M&A-Accounting-Leiter Schedler eine steile Verbesserungskurve. „Nachdem wir den Prozess nun im neuen Aufbau durchlaufen haben, können wir sagen, dass die eigentlichen Erstellungszeiträume insgesamt merklich kürzer und unkomplizierter waren – was auch stark an der Nutzbarkeit der Daten für das Wirtschaftsprüfungstestat liegt.“

Proaktiv statt reaktiv

Ranker und Krzyzanowski von EY sehen im Bayer-Projekt einen Beleg für einen Wandel im Carve-out-Geschäft. „Bisher wurde mit prüfbaren Carve-out Financials im europäischen Umfeld eher reaktiv umgegangen. Einzelne Parteien haben Daten angefragt, die Teams der Mandanten mussten reagieren. Bayer hat sich für eine proaktive Umsetzung entschieden. Daten liegen aufbereitet und in höchster Qualität vor, jede Partei kann bedarfsgerecht mit robusten Daten bedient werden. Das spart Zeit, Geld und erhöht die Transaktionssicherheit“, betont Ranker.

Bayer hat sich für eine proaktive Umsetzung entschieden. Daten liegen aufbereitet und in höchster Qualität vor, jede Partei kann bedarfsgerecht mit robusten Daten bedient werden. Das spart Zeit, Geld und erhöht die Transaktionssicherheit.

Krzyzanowski sieht den größten Nutzen der eingerichteten Lösung in ihrer Zukunftsfähigkeit: „Bei Bayer passt nun alles zusammen. Die Organisation des Financial Carve-out passt sehr gut zur Gesamtstrategie der Finanzabteilung bei Bayer. Effizienzvorteile werden nun mit jeder kommenden Transaktion repliziert“, sagt der EY-Partner.

Finanzdatenqualität ist Wettbewerbsfaktor – über Private Equity hinaus

Das zentrale, automatisierte Modell wird Schule machen. Darin sind sich die M&A-Experten Schedler, Ranker und Krzyzanowski einig, allein schon weil Finanzdatenqualität gepaart mit schneller Verfügbarkeit im schnelllebigen M&A-Geschäft ein handfester Wettbewerbsfaktor ist.

„Zahlen haben nun einmal eine dominante Relevanz für die Finanzierungsmöglichkeiten eines Käufers, gerade im Umfeld von Private Equity wie nun bei Cinven. Auch wenn jeder Deal anders ist, die Technologieuhr lässt sich nicht aufhalten. Digitale, datenanalytische Ansätze mit ressourcenschonendem Einsatz, wie EY sie mit uns zusammen eingerichtet hat, werden sich in Zukunft durchsetzen. Und das ist für die Finanz-Community eine gute Nachricht“, fasst Schedler zusammen.

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