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Nachhaltigkeitsreporting: Warum die neue EU-Richtlinie wegweisend ist

Zehntausende Unternehmen sollten jetzt Veränderungen einleiten, um sich auf die CSR-Richtlinie vorzubereiten. Fünf Denkanstöße.


Überblick

  • Die EU erweitert mit ihrem Entwurf zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) deutlich die Anforderungen an das Berichtwesen.
  • Rund 49.000 statt bisher 11.600 Unternehmen werden umfangreich über Ökologie, Soziales und Unternehmensführung Rechenschaft ablegen müssen.
  • Betroffene Unternehmen müssen schon für das Geschäftsjahr 2023 interne Kompetenzen und Prozesse deutlich ausbauen.

Die Europäische Kommission hat Großes vor. Schon mit den Lageberichten zum Geschäftsjahr 2023 sollen Zehntausende Unternehmen in der EU in viel größerem Umfang als bisher Stellung zu Nachhaltigkeitsthemen beziehen. Egal ob es um ökologische oder soziale Aspekte oder um Methoden der Unternehmensführung geht: Die Konsequenzen des unternehmerischen Handelns für Umwelt und Gesellschaft müssen dann viel deutlicher als bisher berechnet und beschrieben werden.

Nichtfinanzielle Aussagen und Kennzahlen gewinnen stark an Bedeutung und nähern sich damit den Finanzkennzahlen an – nicht mehr nur weil das Aktivisten, manche Kunden oder immer mehr Investoren einfordern, sondern auch weil die Mitgliedstaaten die Umsetzung der Richtlinien in Gesetze verabschieden werden, die genau das vorschreiben. Die dabei kommunizierten Daten müssen ähnlichen Qualitätsstandards standhalten wie die Kennzahlen der Finanzberichterstattung.

Der Entwurf zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) beschreibt die Veränderungen. Die Veröffentlichung erfolgt künftig ausschließlich in den Lageberichten, die ab 1. Januar 2024 erscheinen. Auch wenn die endgültige Fassung der EU-Richtlinie möglicherweise erst im Juni 2022 verabschiedet wird, ist der Weg klar: Die EU legt nicht nur neue Umfänge für die Verfasser vor, sondern regelt auch die obligatorische Überwachung und Prüfung neu. Die neuen Pflichten zur nichtfinanziellen Berichterstattung greifen dann ab 1. Januar 2024 für große und für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Eine Erleichterung gibt es zunächst für kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen. Für diese KMU tritt die Pflicht zur Veröffentlichung erst ab 1. Januar 2026 in Kraft. Schätzungen gehen davon aus, dass künftig EU-weit rund 49.000 Unternehmen unter diese Berichtspflichten fallen, derzeit sind es etwa 11.700.

Vielen Unternehmen sind die praktischen Folgen unklar

Vielen Unternehmen ist noch unklar, welche Kompetenzen sie nun aufbauen müssen und wie sich unternehmensweit die Anforderungen verändern werden. Die folgenden fünf Denkanstöße zu Einzelaspekten sollen praktische Auswirkungen zeigen und interne Diskussionen starten. Sie beschreiben die Verknüpfung finanzieller und nichtfinanzieller Kennzahlen, die generelle Bewertung nachhaltigkeitsbezogener Kennzahlen, neu erforderliche Inside-out-Perspektiven, den Einbezug von Lieferanten, die organisatorische Neuausrichtung und das Streben danach, über die gleichen Parameter zu berichten wie die Konkurrenz.

  1. Verknüpfung finanzieller und nichtfinanzieller Kennzahlen
    Seit Jahrzehnten dominieren finanzielle Kennzahlen die Berichterstattung der Unternehmen, allen voran vergangenheitsorientierter Umsatz und Gewinn. Nach der CSR-Richtlinie der EU muss eine Vielzahl neuer, nichtfinanzieller Kennzahlen erfasst werden: Unter anderem geht es um weitreichende Themen wie Umwelt, Beschäftigte, Menschenrechte und Korruption. Dabei ist nicht nur die unmittelbare Auswirkung der Unternehmenstätigkeit von Interesse, sondern etwa auch die CO2-Emissionen der Beschäftigten auf dem Weg zur Arbeit, sofern diese wesentlich sind. Ebenfalls zu beachten sind die neuen Angabepflichten der EU-Taxonomie-Verordnung. Künftig werden Umsatzerlöse, Investitionen (CapEx) und Betriebsaufwendungen (OpEx) danach aufgeschlüsselt, wie sehr sie zu ökologischen Zielen beitragen, und perspektivisch vermutlich sogar in drei Kategorien eingeteilt: Neben dem Ausweis des Anteils positiv behafteter „grüner“ Umsatzerlöse, CapEx und OpEx am Gesamtumsatz ist es in der Diskussion, auch „neutrale“ und negativ behaftete „braune“ Anteile auszuweisen. Im Kern beschreibt die EU-Taxonomie-Verordnung die Details zu diesen Regeln, für deren Anwendung wird es Expertise in den Unternehmen brauchen.

  2. Inside-out-Auswirkungen bewerten
    Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit gute Expertise für Scanning und Bewertung möglicher externer Risiken auf das Betriebsgeschehen aufgebaut – eine Outside-in-Perspektive. Die Berichterstattung über diese Risiken beschränkt sich dabei auf einen kurzfristigen Zeitraum. Die neue CSR-Richtlinie erweitert diese Sichtweise und erwartet zusätzliches Wissen darüber, welches Risiko das Unternehmen seinerseits für die Umwelt und Gesellschaft darstellt (Inside-out-Perspektive). Das Konzept der „doppelten Wesentlichkeit“ ist auch ein Kernelement der noch zu entwickelnden EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Außerdem fordert die CSR-Richtlinie die Berücksichtigung kurz-, mittel- und langfristiger Nachhaltigkeitsrisiken von Unternehmen. Nötig wird dadurch eine Impact-Messung externer Umwelt- und Sozialeffekte, wodurch die Zahl der Berichtsthemen, der Umfang des Lageberichts und die Komplexität der Erfassungs- und Berichterstattungsprozesse erheblich steigen. So ist im Bericht explizit zur Resilienz des Geschäftsmodells Stellung zu nehmen – im Grunde erwartet die neue Berichterstattung teilweise Antworten auf Fragen, die heute noch gar nicht gestellt werden.

  3. Lieferanten einbeziehen
    Unternehmen müssen die Umfänge der neuen CSR-Richtlinie nicht nur für sich bedenken, sondern auch auf ihre Lieferkette beziehen. Während einige von ihnen beispielsweise zu Menschenrechtsthemen bereits Prozesse aufgebaut haben, ist ein solches Denken im Bereich CO2 immer noch neu. Es wird eine Klarstellung in den EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erwartet, bis zu welcher Ebene die Einhaltung der kommunizierten Unternehmensstandards erfolgt.

  4. Berichten wie die Konkurrenz
    Die von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) zu erarbeiteten EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen die Berichtspflichten konkretisieren. Durch diese Standards wird die Berichterstattung besser vergleichbar als bisher, aber die Zeit drängt: Die EU will bis Oktober 2022 die Kernstandards vorlegen, schon im darauf folgenden Geschäftsjahr sollen die Unternehmen danach berichten. Die EU will auch ihre Anforderungen an die Datenqualität erhöhen, die nachhaltigkeitsbezogenen Daten werden viel stärker als früher nachvollziehbar sein müssen. Intern heißt das auch, dass mehr Schulungsbedarf entsteht und Kontrollschleifen nötig sein werden.

  5. Die neue CSR-Berichterstattung in der Organisationsmatrix verankern
    Die verpflichtende Verortung der CSR-Berichterstattung im Lagebericht dürfte dazu führen, dass Nachhaltigkeit stärker in die bestehenden Prozesse der Finanzberichterstattung integriert wird – aus einem immer noch häufig qualitativen Kommunikationsthema wird ein stärker quantitatives Finanzthema. Dabei wird auch die interne Zusammenarbeit komplizierter: Über Aktivitäten im Governance-Kontext und zu prozessualen Aspekten der Berichterstattung muss stärker Rechenschaft abgelegt werden. Konzepte, Chancen und Risiken, ergriffene Maßnahmen und Ergebnisse dieser Prozesse müssen transparenter werden – die Koordination zahlreicher Informationsstränge wird nötig.

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Neben mehr Aufwand bietet die neue Berichterstattung auch Chancen

All diese Aspekte bedeuten für viele Unternehmen eine Zeitenwende. Aber die Umfänge können auch für andere Zwecke genutzt werden. Viele Anspruchsgruppen erwarten ohnehin eine belastbarere Kommunikation zu Nachhaltigkeitsthemen als bisher. Wenn dann Transparenz und Reputation steigen, erfüllt die neue Berichterstattung nicht nur gesetzliche Vorschriften, sondern ist auch ein aktives Argument in vielen anderen Bereichen – vom Arbeitgebermarketing über die Finanzkommunikation bis hin zum Umgang mit den Menschen im lokalen Umfeld vor Ort. 

Fazit

Die EU will dafür sorgen, dass Unternehmen künftig viel mehr als bisher zu Nachhaltigkeitsthemen Stellung beziehen. Im Lagebericht werden nichtfinanzielle Aspekte zum ökologischen und sozialen Handeln sowie zur Unternehmensführung deutlich wichtiger werden.

Viele Unternehmen können bisher kaum praktisch abschätzen, was diese Veränderungen für sie bedeuten. Häufig fehlt es noch an Kompetenzen in der Unternehmensberichterstattung.

Fünf Denkanstöße helfen, interne Diskussionen zu starten und Vorbereitungen einzuleiten: zur Berichterstattungsperspektive, zum Messen nichtfinanzieller Kennzahlen, zum Einbeziehen von Lieferanten, zur Organisationsgestaltung und zur Vergleichbarkeit mit der Konkurrenz.

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