Der Entwurf zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) beschreibt die Veränderungen. Die Veröffentlichung erfolgt künftig ausschließlich in den Lageberichten, die ab 1. Januar 2024 erscheinen. Auch wenn die endgültige Fassung der EU-Richtlinie möglicherweise erst im Juni 2022 verabschiedet wird, ist der Weg klar: Die EU legt nicht nur neue Umfänge für die Verfasser vor, sondern regelt auch die obligatorische Überwachung und Prüfung neu. Die neuen Pflichten zur nichtfinanziellen Berichterstattung greifen dann ab 1. Januar 2024 für große und für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Eine Erleichterung gibt es zunächst für kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen. Für diese KMU tritt die Pflicht zur Veröffentlichung erst ab 1. Januar 2026 in Kraft. Schätzungen gehen davon aus, dass künftig EU-weit rund 49.000 Unternehmen unter diese Berichtspflichten fallen, derzeit sind es etwa 11.700.
Vielen Unternehmen sind die praktischen Folgen unklar
Vielen Unternehmen ist noch unklar, welche Kompetenzen sie nun aufbauen müssen und wie sich unternehmensweit die Anforderungen verändern werden. Die folgenden fünf Denkanstöße zu Einzelaspekten sollen praktische Auswirkungen zeigen und interne Diskussionen starten. Sie beschreiben die Verknüpfung finanzieller und nichtfinanzieller Kennzahlen, die generelle Bewertung nachhaltigkeitsbezogener Kennzahlen, neu erforderliche Inside-out-Perspektiven, den Einbezug von Lieferanten, die organisatorische Neuausrichtung und das Streben danach, über die gleichen Parameter zu berichten wie die Konkurrenz.
- Verknüpfung finanzieller und nichtfinanzieller Kennzahlen
Seit Jahrzehnten dominieren finanzielle Kennzahlen die Berichterstattung der Unternehmen, allen voran vergangenheitsorientierter Umsatz und Gewinn. Nach der CSR-Richtlinie der EU muss eine Vielzahl neuer, nichtfinanzieller Kennzahlen erfasst werden: Unter anderem geht es um weitreichende Themen wie Umwelt, Beschäftigte, Menschenrechte und Korruption. Dabei ist nicht nur die unmittelbare Auswirkung der Unternehmenstätigkeit von Interesse, sondern etwa auch die CO2-Emissionen der Beschäftigten auf dem Weg zur Arbeit, sofern diese wesentlich sind. Ebenfalls zu beachten sind die neuen Angabepflichten der EU-Taxonomie-Verordnung. Künftig werden Umsatzerlöse, Investitionen (CapEx) und Betriebsaufwendungen (OpEx) danach aufgeschlüsselt, wie sehr sie zu ökologischen Zielen beitragen, und perspektivisch vermutlich sogar in drei Kategorien eingeteilt: Neben dem Ausweis des Anteils positiv behafteter „grüner“ Umsatzerlöse, CapEx und OpEx am Gesamtumsatz ist es in der Diskussion, auch „neutrale“ und negativ behaftete „braune“ Anteile auszuweisen. Im Kern beschreibt die EU-Taxonomie-Verordnung die Details zu diesen Regeln, für deren Anwendung wird es Expertise in den Unternehmen brauchen.
- Inside-out-Auswirkungen bewerten
Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit gute Expertise für Scanning und Bewertung möglicher externer Risiken auf das Betriebsgeschehen aufgebaut – eine Outside-in-Perspektive. Die Berichterstattung über diese Risiken beschränkt sich dabei auf einen kurzfristigen Zeitraum. Die neue CSR-Richtlinie erweitert diese Sichtweise und erwartet zusätzliches Wissen darüber, welches Risiko das Unternehmen seinerseits für die Umwelt und Gesellschaft darstellt (Inside-out-Perspektive). Das Konzept der „doppelten Wesentlichkeit“ ist auch ein Kernelement der noch zu entwickelnden EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Außerdem fordert die CSR-Richtlinie die Berücksichtigung kurz-, mittel- und langfristiger Nachhaltigkeitsrisiken von Unternehmen. Nötig wird dadurch eine Impact-Messung externer Umwelt- und Sozialeffekte, wodurch die Zahl der Berichtsthemen, der Umfang des Lageberichts und die Komplexität der Erfassungs- und Berichterstattungsprozesse erheblich steigen. So ist im Bericht explizit zur Resilienz des Geschäftsmodells Stellung zu nehmen – im Grunde erwartet die neue Berichterstattung teilweise Antworten auf Fragen, die heute noch gar nicht gestellt werden.
- Lieferanten einbeziehen
Unternehmen müssen die Umfänge der neuen CSR-Richtlinie nicht nur für sich bedenken, sondern auch auf ihre Lieferkette beziehen. Während einige von ihnen beispielsweise zu Menschenrechtsthemen bereits Prozesse aufgebaut haben, ist ein solches Denken im Bereich CO2 immer noch neu. Es wird eine Klarstellung in den EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erwartet, bis zu welcher Ebene die Einhaltung der kommunizierten Unternehmensstandards erfolgt.
- Berichten wie die Konkurrenz
Die von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) zu erarbeiteten EU-Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen die Berichtspflichten konkretisieren. Durch diese Standards wird die Berichterstattung besser vergleichbar als bisher, aber die Zeit drängt: Die EU will bis Oktober 2022 die Kernstandards vorlegen, schon im darauf folgenden Geschäftsjahr sollen die Unternehmen danach berichten. Die EU will auch ihre Anforderungen an die Datenqualität erhöhen, die nachhaltigkeitsbezogenen Daten werden viel stärker als früher nachvollziehbar sein müssen. Intern heißt das auch, dass mehr Schulungsbedarf entsteht und Kontrollschleifen nötig sein werden.
- Die neue CSR-Berichterstattung in der Organisationsmatrix verankern
Die verpflichtende Verortung der CSR-Berichterstattung im Lagebericht dürfte dazu führen, dass Nachhaltigkeit stärker in die bestehenden Prozesse der Finanzberichterstattung integriert wird – aus einem immer noch häufig qualitativen Kommunikationsthema wird ein stärker quantitatives Finanzthema. Dabei wird auch die interne Zusammenarbeit komplizierter: Über Aktivitäten im Governance-Kontext und zu prozessualen Aspekten der Berichterstattung muss stärker Rechenschaft abgelegt werden. Konzepte, Chancen und Risiken, ergriffene Maßnahmen und Ergebnisse dieser Prozesse müssen transparenter werden – die Koordination zahlreicher Informationsstränge wird nötig.