Fallbeispiel: Wie die Blockchain Schiffsbetreiber besser versichert

EY und Guardtime reduzieren das Risiko im globalen Handel, indem sie eine Blockchain-Plattform bereitstellen, um die Transportversicherung transparenter und effizienter zu machen.
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The better the question.

Stellen Sie sich vor, Risiken sind wie Ebbe und Flut. Wie können sich Versicherungsprämien flexibel daran anpassen?

Schiffs- und Transportversicherung sind vielfach noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen. Derzeit befasst sich die Branche mit der Frage, wie moderne Technologien die Steuerung dynamischer Risiken unterstützen können.

Die Frage ist: Wie viele Branchen stützen sich heute immer noch auf Prozesse und Geschäftsmodelle aus dem 17. Jahrhundert?

Trotz der Fülle der zur Verfügung stehenden Technologien, bevorzugen Versicherer die Sicherheit von Papier, E-Mails, Wettervorhersagen und vagen Vermutungen. 

Aus diesem Grund arbeiten EY und das Blockchain-Unternehmen Guardtime mit Microsoft und anderen Akteuren der Branche daran, den Übergang ins digitale Zeitalter gemeinsam zu meistern.

Typisch für die Schiffsversicherungen ist die  dynamische Natur des Risikos, das die Versicherer übernehmen.

„Viele Papierverträge, die zwischen Versicherern, Maklern, Reedereien und Kapitänen geschlossen werden, kommen erst dann zustande, wenn das Schiff Belgien verlassen hat und in Sydney angekommen ist“, so Shaun Crawford, EY Global Insurance Leader. „Alles basiert auf Erfahrungen und historischen Beispielen. Das Risikopotenzial kann sich jedoch auf dem Weg von A nach B erheblich verändern. Ein Schiff kann Schäden erleiden, Kriegsgebiete durchfahren, unter anderer Flagge oder mit einem anderen Kapitän auslaufen.“

Solche Veränderungen erfordern, dass alle an der Versicherung beteiligten Parteien ihre Unterlagen aktualisieren. Da alles auf Papier festgehalten wird, ist dies ein langwieriger Prozess, anfällig für Fehler und Betrug. Diese Unsicherheiten erhöhen die Kosten für die Vertragspartner in jeder Phase der Wertschöpfungskette.

Schiffsversicherungen bedürfen dringend einer Modernisierung durch Digitalisierung, Automatisierung und mehr Transparenz.

„Aus der Sicht des Versicherers sieht es so aus, als habe man keinen Zugriff auf wesentliche risikorelevante Informationen. Das führt dazu, dass man einen großen Teil des Kapitals in der Bilanz für den „Worst Case“ reservieren muss ­­– bspw. den Untergang des Schiffes”, erklärt Crawford.

Offshore-Ölplattform bei rauer See
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The better the answer.

Die Blockchain auf hoher See.

Eine neue Blockchain-gestützte Plattform automatisiert den Versicherungsprozess, um den komplexen und sich ständig verändernden Risiken in der Schifffahrt gerecht zu werden.

EY und Guardtime arbeiten mit dem Azure Blockchain-Team von Microsoft an der Entwicklung einer revolutionären Blockchain-gestützten Versicherungsplattform für die Schifffahrtsbranche.

Diese Plattform digitalisiert die Regelwerke für Käufer und Verkäufer. „Wir automatisieren den gesamten Prozess, indem wir sogenannte Smart Contracts verwenden. So minimieren wir Papierunterlagen“, sagt Crawford. „Die Versicherungsgesellschaften können Daten unmittelbar online aktualisieren und sehen, wo sich ein Schiff auf der Welt zu einem beliebigen Zeitpunkt befindet oder ob sich etwas verändert hat.“

In einer Industrie mit so vielen Marktteilnehmern müssen alle zusammenarbeiten. Die Plattform wird daher in mit der weltweit größten Containerschiff-Reederei Maersk, einer großen internationalen Agentur, dem internationalen Normungsorgan für die Versicherungsbranche ACORD und zahlreichen Spezialversicherungsunternehmen gemeinsam entwickelt.

Durch die Zusammenarbeit mit Endkunden und Beteiligten in der gesamten Lieferkette hatten EY, Guardtime und Microsoft Zugriff auf Informationen, um einen  20-wöchigen Proof-of- Concept zu entwickeln und die Plattform auf Azure zu kalibrieren.

Die Stärken der Blockchain

Die elementare Stärke der Blockchain und Distributed Ledgers liegen in der Fähigkeit, alle beteiligten Parteien miteinander zu vernetzen und eine kollektive Datenbank mit vollkommener Transparenz und Visibilität zu schaffen. Sie bieten damit eine Lösung, die in der gesamten Versicherungsbranche und über die Besonderheiten der Schifffahrtsbranche hinaus zum Einsatz kommen könnte.

Mit Beinahe-Echtzeitdaten, die direkt mit Smart Contracts verbunden sind, sorgt die Technologie für bessere Entscheidungsprozesse, mehr Sicherheit und Transparenz. So können Aufsichtsbehörden oder Rechnungsprüfer die Datenbank ebenfalls einsehen.

„Präzisere Informationen bedeuten weniger liquides Kapital in der Bilanz und ermöglichen Maklern, die größtenteils mit kostspieligen Verwaltungstätigkeiten beschäftigt sind, ihre Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten zu nutzen“, sagt Crawford.

Das volle Potenzial der Blockchain-Technologie branchenweit zu nutzen, ist eine komplexe Aufgabe. Die Versicherungsbranche unterliegt zahlreichen Rechtsordnungen und Regulierungen. Weitreichende Veränderungen im gesamten Ökosystem sind daher langwierig und herausfordernd.

Um die digitale Lösung in der Branche erfolgreich zu etablieren, hat EY direkt mit der Reederei Maersk zusammengearbeitet.

„Wenn wir nur mit Versicherungsgesellschaften und Maklern zusammengearbeitet hätten, hätte sich wahrscheinlich nichts geändert“, sagt Crawford. „Aber für eine Reederei, die jedes Jahr hunderte Millionen für Versicherungen ausgibt, ist eine Blockchain-Lösung die Chance auf günstigere Prämien und eine bessere Schadenabwicklung. Das ist für sie eindeutig von Wert. Wir fangen beim Endkunden an, um schließlich die ganze Industrie zu transformieren.“

Mehr als ein Proof-of-Concept

Nach Abschluss der 20-wöchigen Prototypen-Testphase gründeten EY und der Technologiepartner Guardtime ein Joint Venture, welches eng mit Microsoft zusammenarbeitet. Das erklärte Ziel: die Plattform weiteren interessierten Kunden zur Verfügung zu stellen.

„Unsere Blockchain-Plattform ist genau auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten“, so Crawford. „Durch Workshops mit Kunden haben wir ein tiefgreifendes Verständnis der praktischen Anforderungen der Zielgruppe gewonnen. Und wir waren in der Lage, das gewonnene Wissen so einzusetzen, um daraus die geeignete Lösung zu finden. Das war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer kundenzentrierten Lösung.“

 

Die Entwicklung der Plattform erforderte ein global vernetztes Team:

  • Die Teams von Guardtimes sitzen in Estland, Großbritannien, den Niederlanden und den USA. Um den besonderen Eigenheiten der Schifffahrtsbranche gerecht zu werden, agieren die Teams von EY auf globaler und lokaler Ebene.
  • EY arbeitet direkt mit den Endkunden, Versicherern und Rückversicherern in Europa, den USA und Japan zusammen.
  • Die EY-Technologieteams in Indien und Polen arbeiten eng mit Microsoft zusammen. Sie koordinieren die Implementierung der Plattform in der jeweiligen Kundenumgebung.

Luftaufnahme eines Containerschiffs in Seattle, USA
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The better the world works.

Blockchain über die Seetransportversicherung hinaus nutzen

Die neue Plattform transformiert Schiffsversicherungen, weil sie Vertrauen zwischen allen Unternehmen der Wertschöpfungskette schafft. Ohne Zweifel: Die Blockchain-Technologie besitzt das Potenzial, auch in anderen Unternehmen und Branchen für Innovation zu sorgen.

Die Plattform schafft enormen Mehrwert für alle Akteure in der Schifffahrtsbranche. Maersk profitiert als Unternehmen unmittelbar von der exakteren Prämienkalkulation und schnelleren Schadenbearbeitung. Die Qualität und Exaktheit der Daten für die Versicherer und Rückversicherer steigt. Gleichzeitig profitieren sie von frei werdenden Ressourcen, da zeitaufwändige Verwaltungsaufgaben dank der Plattform wegfallen.

So sind mehr Kapazitäten vorhanden, um wertschöpfende Dienstleistungen und innovative Lösungen für die Kunden und das eigene Geschäft zu entwickeln. Die Visibilität und Transparenz der Blockchain-gestützten Plattform stärken zudem das gegenseitige Vertrauen aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen und fördern Zusammenarbeit und Innovation.

Auch außerhalb der Versicherungswelt hält die Blockchain-Technologie Einzug. Immer häufiger  implementieren Finanzdienstleister und Banken auf ihr basierende Dienste. Dennoch gibt es weiterhin Nachholbedarf mit Blick auf die Einsatzmöglichkeiten der Technologie. Das volle Potenzial für den Einsatz in der Wirtschaft wird längst noch nicht abgerufen.

Bis vor kurzem wurde die Technologie häufig mit dem Bitcoin und anderen digitalen Währungen in Verbindung gebracht. Doch gerade für die Versicherungsbranche sind es die Datenströme und Analysemöglichkeiten, die der Blockchain-Technologie und Distributed Ledger großes revolutionäres Potenzial verleihen.

Eine Technologie mit diesem Veränderungspotenzial in einer traditionell geprägten Branche mit über Jahrzehnte lang gepflegten Datenbanken und Beziehungen einzuführen, ist keine leichte Aufgabe. Deshalb war die Zusammenarbeit mit Maersk entscheidend für die Verwirklichung der Plattform: Dort war und ist man aktiv daran interessiert, Innovation zu fördern und die Möglichkeiten der digitalen Transformation zu identifizieren.

„Wir stören den kulturellen Status quo und alle existierenden Verfahren, die diese Kultur ausmachen“, sagt Crawford.
„Die Branche sieht keinen Anlass, sich zu ändern und eine Pionierrolle zu übernehmen. Ohne die Kundenperspektive würde sie sich kein Stück bewegen.“

Das Potenzial dieser Plattform reicht über Spezialversicherungen hinaus und ist sowohl Präzedenzfall als auch Methode für Unternehmen und Branchen, um gemeinsam Innovation voranzutreiben.

„Hier geht es nicht nur um das Versicherungswesen“, so Crawford.
„Es geht um die Vernetzung und Konvergenz der Branchen in neuen Ökosystemen. Wir nutzen die Schiffsdaten, um Versicherern und Maklern die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zu ermöglichen. Wir beobachten, dass unsere Aktivitäten in der Schifffahrt auch auf andere Branchen übergreifen.“

Die Blockchain mit ihrer Fähigkeit, digitale Verzeichnisse für reale Objekte zu erstellen, bietet sich für jeden Sektor an, in dem eine Lieferkette für physische Güter besteht – unabhängig davon, ob es sich dabei um Fahrzeuge, Flugzeuge oder Diamanten handelt.

„Man muss sich eine völlig neue Wertschöpfungskette vorstellen“, erklärt Crawford. „Es geht nicht darum, ein vorhandenes System zu automatisieren oder zu digitalisieren. Es geht darum, Menschen und verschiedene Branchen miteinander zu vernetzen, um ihnen zu helfen, das jetzige Modell zum Vorteil aller zu verändern.“

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