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Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte

Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte mit mehr als drei Beteiligten ab 01.01.2023 – Erleichterungen und mögliche Stolpersteine


Überblick

  • Rechtslage bis 31.12.2022
  • Ausweitung ab 01.01.2023
  • Unterschiedliche Rechtsauffassungen in verschiedenen Mitgliedstaaten

Die Anwendung der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte erfährt durch das Abgabenänderungsgesetz 2022 mit Wirkung ab 01.01.2023 eine Neuerung. Art. 25 UStG wird dahin gehend geändert, dass die Vereinfachung auch bei Reihengeschäften mit mehr als drei Beteiligten anwendbar sein kann.

Diese Änderung eröffnet einerseits mehr Gestaltungsspielraum bei Reihengeschäften, da in gewissen Lieferkonstellationen derzeitige Registrierungs- und Meldepflichten im Bestimmungsmitgliedstaat vermieden werden können. Andererseits werden sich dadurch einige (zusätzliche) Risikofelder ergeben, da nämlich nicht nur die Rechtslage im Bestimmungsmitgliedstaat entscheidend sein wird, sondern auch die des Mitgliedstaates des Erwerbers.

Rechtslage bis 31.12.2022

Ein Dreiecksgeschäft liegt vor, wenn drei Unternehmer, die UID-Nummern aus drei verschiedenen EU-Mitgliedstaaten verwenden, über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer (Empfänger) gelangt. Dabei muss bei der Lieferung des ersten Unternehmens an das mittlere (Erwerber) stets eine sogenannte bewegte Lieferung vorliegen. Die gegenständliche Vereinfachungsregelung ist daher nicht anzuwenden, wenn das letzte Unternehmen (Empfänger) den Gegenstand abholt. 

Ausweitung ab 01.01.2023

Nach der Neufassung des Art. 25 UStG liegt ab 01.01.2023 ein Dreiecksgeschäft vor, „wenn bei einem Reihengeschäft (§ 3 Abs. 15) die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen erfüllt werden“. Das Dreiecksgeschäft wird mit der Neuregelung als Reihengeschäft definiert und kann folglich auch auf Reihengeschäfte mit mehr als drei Beteiligten angewandt werden. Wie schon bisher kann aber auch weiterhin nur eines der am Reihengeschäft beteiligten Unternehmen die Vereinfachung für sich beanspruchen, da nur einem Umsatzgeschäft in der Reihe die Warenbewegung zugeordnet werden kann. Folglich kann nur derjenige in der Reihe, der die bewegte Lieferung erhält und damit den innergemeinschaftlichen Erwerb tätigt (also der Erwerber der bewegten Lieferung), die Vereinfachungsregelung anwenden.

Unverändert besteht die Vereinfachung darin, dass der Erwerber sich nicht im Bestimmungsmitgliedstaat (also in jenem Mitgliedstaat, in dem die Beförderung endet) umsatzsteuerlich registrieren und Compliance-Verpflichtungen nachkommen muss. Die bewegte Lieferung an ihn gilt als innergemeinschaftlicher Erwerb in jenem Mitgliedstaat als versteuert, unter dessen UID-Nummer der Erwerber auftritt. Der innergemeinschaftliche Erwerb ist im Bestimmungsmitgliedstaat von der Umsatzsteuer befreit, wenn i) der Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat weder sein Unternehmen betreibt noch dort eine Betriebsstätte hat, ii) der Erwerber für den Erwerb eine UID-Nummer verwendet, die weder eine des Bestimmungsmitgliedstaates noch eine des Mitgliedstaates ist, aus dem die Gegenstände stammen, iii) der Erwerb für Zwecke einer anschließenden Lieferung des Erwerbers im Bestimmungsmitgliedstaat an ein Unternehmen oder eine juristische Person erfolgt, der bzw. die für Zwecke der Umsatzsteuer dort erfasst ist (Abnehmer), und iv) die Steuer für die anschließende Lieferung vom Abnehmer geschuldet wird.

Der Erwerber hat an den Abnehmer Rechnungen auszustellen, die einen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuld des Abnehmers enthalten. Die Rechnungsausstellung richtet sich nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, von dem aus der Erwerber sein Unternehmen betreibt. Wird die Lieferung von einer Betriebsstätte des Erwerbers ausgeführt, ist das Recht des Mitgliedstaates maßgebend, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Darüber hinaus hat der Erwerber entsprechende Zusammenfassende Meldungen zur Vorlage zu bringen.

Unterschiedliche Rechtsauffassungen in verschiedenen Mitgliedstaaten
 

Neben der Rechtslage im Bestimmungsmitgliedstaat ist auch die Rechtslage des Mitgliedstaates, dessen UID-Nummer der Erwerber verwendet, entscheidend. Erkennt der Mitgliedstaat, dessen UID-Nummer der Erwerber verwendet, die Anwendung der Vereinfachung nicht an, so hat die umsatzsteuerliche Beurteilung des Sachverhalts nach den allgemeinen Regelungen für Reihengeschäfte zu erfolgen und der Erwerb des Erwerbers gilt nicht mehr als besteuert. Dies führt zu einem Doppelerwerb (ohne das Recht auf Vorsteuerabzug) in jenem Mitgliedstaat, dessen UID-Nummer der Erwerber verwendet.
 

Erkennt der Bestimmungsmitgliedstaat die Anwendung der Vereinfachung nicht an, so schuldet nicht das letzte Unternehmen im Rahmen des Dreiecksgeschäftes die Steuer für die Lieferung an den Empfänger (sofern kein lokales Reverse-Charge-Verfahren greift), sondern vielmehr das Unternehmen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, gefolgt von einer lokalen „ruhenden“ Lieferung an das letzte Unternehmen.
 

Durch die umsatzsteuerliche Falschbehandlung von Reihengeschäften können sich folglich sowohl im Bestimmungsmitgliedstaat als auch in dem Mitgliedstaat, dessen UID-Nummer der Erwerber verwendet, Säumnisstrafen, Umsatzsteuerzinsen (neuerdings auch in Österreich) sowie mögliche finanzstrafrechtliche Konsequenzen ergeben.

Beispiel 1 (Reihengeschäft mit vier Beteiligten und Abtrennungsmöglichkeit zwischen den letzten drei Beteiligten): Ein slowenisches Unternehmen (SI) bestellt Waren bei einem österreichischen Unternehmen (AT), das die Waren wiederum bei einem tschechischen Unternehmen (CZ1) bestellt. CZ1 wiederum bestellt die Waren bei einem weiteren Lieferanten in Tschechien (CZ2). CZ1 beauftragt und bezahlt den Transport der Waren von Tschechien direkt nach Slowenien und trägt auch das Risiko des Untergangs der Ware. Alle Unternehmen treten unter der UID-Nummer ihres Sitzstaates auf. Es sei angenommen, dass die jeweiligen Mitgliedstaaten die Zulässigkeit des Dreiecksgeschäfts anerkennen.

Lösung 1: Da CZ1 mit seiner tschechischen UID-Nummer auftritt, findet die „bewegte Lieferung“ zwischen CZ1 und AT statt. AT ist somit Erwerber und kann die Vereinfachung in Anspruch nehmen. Das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft bilden die Umsatzgeschäfte zwischen CZ1, AT und SI. AT bewirkt somit einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich, der in Slowenien als befreit gilt. Die Steuerschuld im Zusammenhang mit der slowenischen Inlandslieferung geht von AT auf SI über. AT muss den Rechnungslegungs- und Meldevorschriften im Zusammenhang mit einem Dreiecksgeschäft in Österreich nachkommen.

Beispiel 2 (Reihengeschäft mit vier Beteiligten und Abtrennungsmöglichkeit zwischen den ersten drei Beteiligten): Ein italienisches Unternehmen (IT1) bestellt Waren bei einem anderen italienischen Unternehmen (IT2). IT2 bestellt die Waren wiederum bei einem österreichischen Unternehmen (AT), der diese wiederum bei einem ungarischen Unternehmen (HU) bestellt. HU beauftragt und bezahlt den Transport der Waren von Ungarn nach Italien und trägt auch das Risiko des Untergangs der Ware. HU, AT und IT2 treten unter der UID-Nummer ihres Sitzstaates auf. Es sei angenommen, dass die jeweiligen Mitgliedstaaten die Zulässigkeit des Dreiecksgeschäfts anerkennen.

Lösung 2: Die „bewegte Lieferung“ findet zwischen HU und AT statt. AT ist somit „Erwerber“ und kann die Vereinfachung für innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte in Anspruch nehmen. Das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft bilden die Umsatzgeschäfte zwischen HU, AT und IT2. AT bewirkt somit einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich, der in Italien als befreit gilt. Die Steuerschuld im Zusammenhang mit der italienischen Inlandslieferung geht von AT auf IT2 über. AT muss den Rechnungslegungs- und Meldevorschriften im Zusammenhang mit einem Dreiecksgeschäft in Österreich nachkommen.

Beispiel 3 (Reihengeschäft ohne mögliche Vereinfachung für Dreiecksgeschäfte): Ein deutsches Unternehmen (D1) bestellt Waren bei einem weiteren deutschen Unternehmen (D2), das die Waren wiederum bei einem österreichischen Unternehmne (AT) bestellt. AT wiederum bestellt die Waren bei einem weiteren Lieferanten in Ungarn (HU). HU beauftragt und bezahlt den Transport der Waren von Ungarn direkt nach Deutschland und trägt auch das Risiko des Untergangs der Ware. Alle Unternehmen treten unter der UID-Nummer ihres jeweiligen Sitzstaates auf. Es sei angenommen, dass der Bestimmungsmitgliedstaat die Zulässigkeit des Dreiecksgeschäfts nicht anerkennt.

Lösung 3: Die „bewegte“ Lieferung findet zwischen HU und AT statt. Das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft würde sich für die Umsatzgeschäfte zwischen HU, AT und D2 ergeben. Da Deutschland (derzeit) die Vereinfachung nur anerkennt, wenn die letzten drei Unternehmen der Kette die Voraussetzungen eines Dreiecksgeschäfts erfüllen, kann gegenständlich die Vereinfachungsregelung nicht in Anspruch genommen werden. AT tätigt in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb mit einer anschließenden steuerpflichtigen innerdeutschen Lieferung. Insofern muss es den Registrierungs- und Meldepflichten in Deutschland nachkommen. Zusätzlich hat AT durch die Verwendung der österreichischen UID-Nummer einen Doppelerwerb in Österreich zu versteuern, ohne dass ihm zunächst das Recht auf Vorsteuerabzug aus dieser Erwerbsteuer zusteht. Eine Korrektur des Doppelerwerbs in Österreich ist bei Nachweis der Erwerbsbesteuerung in Deutschland möglich.

Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass auch die systemseitigen Einstellungen der jeweiligen IT-Systeme an diese Änderung angepasst werden müssen, sofern Unternehmen von der gesetzlichen Änderung betroffen sind bzw. künftig in den Genuss der Vereinfachungsregelung kommen möchten. Bestehende Lieferketten sollten ehestmöglich dahin gehend neu bewertet werden, ob künftig ein Dreiecksgeschäft abgebildet werden kann, welche Einstellungen und Deklarationseinstellungen hierzu geändert werden müssen und wie die Rechtslage in den anderen Mitgliedstaaten ist. Weiters sollte insbesondere bei Reihengeschäften mit vier oder mehr Beteiligten analysiert werden, wie die Transportvorgänge gestaltet werden können, um unangenehme Registrierungs- bzw. Meldepflichten zu vermeiden. Transportvorgänge müssten hier sachlich und zeitlich unabhängig voneinander vorliegen, ohne wirtschaftliche/ logistische Nachteile zu erzeugen.

Fazit

Eine genaue Analyse der Reihengeschäfte – insbesondere im Hinblick auf die Änderungen ab 01.01.2023 – lohnt sich, denn die Sanierung von Dreiecksgeschäften erweist sich in der Praxis meist als schwierig und kostspielig und zusätzlich können aus der falschen Abwicklung Säumnisfolgen bzw. finanzstrafrechtliche Konsequenzen resultieren.

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