Frau, die von zu Hause aus arbeitet und einen Laptop und ein Smartphone benützt

Aktuelle Entwicklungen bei Betriebsstätten

Ist das Ende der Homeoffice-Betriebsstätte und der finalen Verlustverwertung bei Auslands-Betriebsstätten eingeläutet?

Nicht erst durch die Corona-Pandemie sind sogenannte Homeoffice-Betriebsstätten in den steuerlichen Fokus gerückt. Jedoch ist die Frage, ob und gegebenenfalls wann durch eine Homeoffice-Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet wird, nach Corona so relevant wie noch nie. In einer Entscheidung vom 22.06.2022 (Ro 2020/13/0004) stellt der VwGH klar, dass die Möglichkeit der Mitbenutzung eines Schreibtisches in Büroräumlichkeiten eines anderen Steuerpflichtigen nicht ausreichend ist, um die Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung zu bejahen. Im Lichte dieser Entscheidung scheint es fraglich, ob die Begründung einer Homeoffice-Betriebsstätte weiterhin durch die Finanzverwaltung durchsetzbar bleibt.

Hintergrund

Dem Streitfall lag die Frage zugrunde, ob die Möglichkeit zur Mitbenutzung eines Schreibtisches in den Räumlichkeiten eines Dritten (eines Kunden) eine „feste Geschäftseinrichtung“ begründen kann. Geklagt hatte eine ungarische Dolmetscherin und Übersetzerin (die Beschwerdeführerin), die mit ihrer Familie in Ungarn, in Grenznähe zu Österreich, ansässig war. Sie hatte erklärt, dass sie in den Streitjahren ihre Dolmetscher- und Übersetzungstätigkeiten in Österreich ausgeübt habe und damit dort steuerpflichtig gewesen sei. Hierzu habe ihr Auftraggeber ihr einen Schreibtisch in seinen Büros in Österreich zur kostenlosen Mitbenutzung überlassen. Die österreichischen Finanzbehörden gingen dagegen von einer Arbeitsausübung und -verwertung in Ungarn aus. Folglich wurde eine Steuerpflicht in Österreich verneint.
Nach der Rechtsprechung des österreichischen VwGH ist eine „feste Einrichtung“ eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Bindung zur Erdoberfläche, die für eine gewisse Dauer besteht, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die es eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.
Kern des vorliegenden Falles war das Kriterium der nicht nur vorübergehenden Verfügungsmacht der Beschwerdeführerin über die Räumlichkeiten des Auftraggebers. Konkret musste beurteilt werden, ob die Möglichkeit zur (Mit-)Benutzung des Schreibtisches in den Räumlichkeiten des Auftraggebers eine Verfügungsmacht der Beschwerdeführerin über diese Räumlichkeiten begründet hatte.

Keine Betriebsstätte durch bloße Mitbenutzungsmöglichkeit einer Büroeinrichtung

Mit Beschluss vom 22.06.2022 wies der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) die Revision ab. Er stellte klar, dass die Möglichkeit zur Mitbenutzung eines Schreibtisches in Büroräumlichkeiten eines Dritten (hier: des Auftraggebers) nicht ausreiche, um eine Verfügungsmacht zu bejahen. Eine Mitbenutzungsmöglichkeit an einem Schreibtisch in den Räumlichkeiten eines Dritten könne aus steuerlicher Sicht somit auch keine Betriebsstätte begründen.

Praxisfolgen

Auch wenn der streitgegenständliche Fall nicht die Frage der Begründung einer Homeoffice-Betriebsstätte selbst behandelt, könnte die Entscheidung des VwGH in Bezug auf die Frage, ob die private Wohnung einer Einzelperson eine Betriebsstätte des Arbeitgebers darstellen könnte, so ausgelegt werden, dass ein Arbeitszimmer in der Privatwohnung einem Unternehmen als Arbeitgeber nicht zur Verfügung steht. Mit anderen Worten: Wenn schon die ausdrückliche (Mit-)Benutzung von Räumlichkeiten beim Auftraggeber keine Betriebsstätte begründet, dann kann durchaus argumentiert werden, das die Nutzung eines Raumes in der privaten Wohnung eines Arbeitnehmers erst recht keine Betriebsstätte für den Arbeitgeber begründen sollte.


Für die künstliche Konstruktion eines „faktischen“ Verfügungsmachtkonzepts (oder einer „effektiven Nutzungsmacht“) bleibt u. E. kein Raum, da der Arbeitgeber auch nicht „faktisch“ über private Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfügt oder eine „effektive Nutzungsmacht“ über diese erwirbt.
 

Auch wenn dieses Judikat nicht zu einer Homeoffice-Betriebsstätte ergangen ist und die Auffassung der österreichischen Finanzverwaltung zur Begründung einer Homeoffice-Betriebsstätte noch unverändert ist, ist im Lichte der aktuellen Rechtsprechung das Vorliegen einer Homeoffice-Betriebsstätte im Einzelfall genauer zu analysieren.

EuGH: Keine Berücksichtigung finaler Verluste einer DBA-Betriebsstätte

Der EuGH hat mit Urteil vom 22.09.2022 (C-538/20) entschieden, dass die Versagung der Abzugsfähigkeit „finaler“ ausländischer Betriebsstättenverluste aufgrund einer DBA-Befreiung nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. Das Urteil könnte damit das Ende der Berücksichtigung finaler (Betriebsstätten )Verluste bedeuten.

Hintergrund

Der Steuerpflichtige ist ein in Deutschland ansässiges Unternehmen, das im Jahr 2004 eine Betriebsstätte im Vereinigten Königreich eröffnete. Die Betriebsstätte war nicht rentabel und wurde 2007 geschlossen. Infolge der Schließung waren die Verluste der Betriebsstätte nicht mehr für einen steuerlichen Verlustvortrag im Vereinigten Königreich verfügbar und der Steuerpflichtige versuchte daher, die britischen Verluste als endgültige Verluste mit seinen eigenen Gewinnen in Deutschland für das Steuerjahr 2007 zu verrechnen. Die deutschen Steuerbehörden verweigerten den Abzug der britischen Verluste.

Haben zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Befreiungsmethode für gebietsfremde Betriebsstätten abgeschlossen, sind die positiven wie auch die negativen Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte im Inland von der Besteuerung ausgenommen. Strittig ist, ob bei sog. finalen Verlusten, die beispielsweise bei Einstellung des Geschäftsbetriebs der ausländischen Betriebsstätte auftreten und endgültig im anderen EU-Staat nicht mehr vorgetragen oder anderweitig verrechnet werden können, die Niederlassungsfreiheit einen grenzüberschreitenden Verlustabzug dennoch gebietet.

Der EuGH schließt sich der Auffassung des Generalanwalts an und bestätigt, dass die Niederlassungsfreiheit keine Berücksichtigung finaler Verluste einer Betriebsstätte unter der DBA-Befreiungsmethode beim deutschen Stammhaus erforderlich macht.

Praxisfolgen

Mit dem Grundsatzurteil vom 13.12.2005 (C-446/03, „Marks & Spencer“) hatte der EuGH erstmalig das Konstrukt der finalen Verluste konzipiert. In den vergangenen Jahren wurde die ursprüngliche Konzeption stetig novelliert, indem sie sowohl Erweiterungen als auch Einschränkungen (auch auf Betriebsstättensachverhalte) erfuhr.

Auf den ersten Blick scheint das Urteil das Ende der finalen Verluste einzuleiten: Verluste ausländischer Betriebsstätten unter Berücksichtigung der abkommensrechtlichen Befreiungsmethode sind auch bei Finalität (etwa bei Schließung der Betriebsstätte) nicht im Stammhausstaat zu berücksichtigen.

Hingegen hatte der EuGH im Fall „Bevola/Trock“ – EuGH-Urteil vom 12.06.2018, C-650/16 – (neben früheren Fällen) einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit bejaht. Im damaligen Fall ging es um dänische Rechtsvorschriften, die es einer in Dänemark ansässigen Gesellschaft auch dann verwehrten, von ihrem steuerpflichtigen Gewinn Verluste abzuziehen, die ihrer in einem anderen Mitgliedstaat (hier Finnland) belegenen Betriebsstätte entstanden waren, wenn diese Verluste in diesem anderen Mitgliedstaat endgültig nicht mehr berücksichtigt werden konnten, sofern die in Dänemark ansässige Gesellschaft nicht eine Regelung der internationalen gemeinsamen Besteuerung (Option) gewählt hatte, was strengen Voraussetzungen unterlag. Dagegen hätte eine in Dänemark ansässige Gesellschaft diesen Abzug vornehmen können, wenn sich ihre Betriebsstätte in Dänemark befunden hätte.

Fraglich ist jedoch, warum ein Verzicht auf die Besteuerung aufgrund einer unilateral wirkenden nationalen (hier: dänischen) Vorschrift anders zu behandeln sein sollte als ein abkommensrechtlicher Verzicht. Unklar ist daneben, wie der EuGH einen Fall behandelt hätte, in dem eine im DBA selbst angelegte „Subject to tax“-Klausel einschlägig wäre. In diesem Fall würde Deutschland nämlich auch bilateral nicht auf sein Besteuerungsrecht verzichten.

Fazit

Angesichts der noch offenen Zweifelsfragen ist nicht auszuschließen, dass die vorliegende Entscheidung des EuGH noch nicht das Ende der finalen Verluste darstellt, sondern lediglich einen weiteren Zwischenschritt. Aus österreichischer Perspektive wäre zudem fraglich, ob der Gesetzgeber selbst bei tatsächlichem Entfall der Notwendigkeit der Berücksichtigung finaler Verluste von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würde, hat doch der VwGH bereits im Jahr 2011 entschieden und der Gesetzgeber in § 2 Abs. 8 EStG kodifiziert, dass bereits laufende Verluste auch im Anwendungsbereich der Befreiungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Österreich zu importieren sind.

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