Knigge in der digitalen Investorenkommunikation
Videomeetings mit Livebildern ersetzten in den vergangenen Monaten den schon üblichen Webcast. Damit änderten sich auch die Art der Kommunikation und ihre Anforderungen. Weg vom persönlichen multidimensionalen Erlebnis und Eindruck, hin zu einem zweidimensionalen digitalen Medium mit neuen Herausforderungen und Do‘s und Dont’s. Zum Knigge der digitalen Kommunikation besonders in Videokonferenzen zählen nach Aussagen der befragten IROs: das Einschalten der Kamera, Maßnahmen zur Steigerung der Interaktion zum Beispiel über Live-Umfragen oder Chatfragen, professionelle Dresscodes und Bildhintergründe, eine funktionierende Technik und Pünktlichkeit. So zählen zu den am häufigsten verwendeten Kommentierungen im Jahr der Pandemie: „Könnt ihr mich alle hören?“, „Sie sind stumm geschaltet.“ oder „Ich werde meinen Bildschirm teilen.” 76 Prozent der IROs geben an, dass Investoren sehr offen für virtuelle Formate sind. 41 Prozent empfehlen für den Erstkontakt mit Investoren ein persönliches Treffen und darauffolgend digitale Formate. Lediglich 24 Prozent geben an, wieder zu persönlichen Formaten überzugehen, sobald es möglich ist.
Virtuelle Hauptversammlung und IR-Budget
Erstmals erlaubte die Gesetzgebung pandemiebedingt eine rein virtuelle Hauptversammlung (HV) für eine Ausnahmeperiode. Die überwiegende Mehrheit der Befragten hat positive Erfahrungen mit der virtuellen HV gemacht. Unternehmen sparten laut der befragten IROs Kosten und senkten zudem den sonst hohen organisatorischen Aufwand einer Präsenzveranstaltung. Besonders die HV ist ein großer Posten im IR-Gesamtbudget. Weiter wurden die direkt verfügbaren HV-Abstimmungsergebnisse positiv hervorgehoben. Als nachteilig wurden die geringe Interaktion mit Aktionären sowie technische Risiken und Herausforderungen empfunden. Die Mehrheit der IROs (77 Prozent) verfügt weiterhin über ein gleichbleibendes Budget, bei 17 Prozent ist es gesunken beziehungsweise bei 6 Prozent sogar gestiegen. Eine größere Gruppe von 32 Prozent der Befragten verfügt über ein IR-Budget (ohne Personalkosten) von 250.000 bis 500.000 Euro. Kleinere Unternehmen zwischen 100.000 und 250.000 Euro und große Unternehmen von 500.000 bis 700.000 Euro. Unternehmen der großen Auswahlindizes haben Etats von über einer Million Euro. Einsparungs- beziehungsweise zu hebende Effizienzpotentiale für mehr Reichweite sehen die meisten IROs in geringeren Reisekosten für Roadshows und durch virtuelle Hauptversammlungen.
Der Blick in die Zukunft zählt für Investoren weiterhin
Pandemiebedingt stiegen die Umsatz- und Gewinnwarnungen von börsennotierten Unternehmen 2020 auf ein Rekordniveau. Prognosen verloren in rasantem Tempo ihre Gültigkeit. Wer kennt die Formulierungen nicht: „Noch nie dagewesene Zeiten“ oder „New Normal“. Eine Guidance von Kennzahlen war nur noch schwer möglich. Die aktuelle Umfrage zeigt, dass die Guidance und die Analystenkonferenzen das wichtigste Medium beziehungsweise Format für vorausschauende Aussagen von Unternehmen sind. Auch der übliche Prognosehorizont von 12 Monaten verändert sich nicht. Der Umsatz, EBIT und EBITDA sind mit einer Aussage zur Dividendenpolitik die wichtigsten finanziellen Kennzahlen – auch in Zukunft. Als nichtfinanzielle Leistungsindikatoren werden von den IROs CO2-bezogene Informationen, der Energieverbrauch, das soziale Engagement und die Kunden und Mitarbeiterzufriedenheit genannt.
Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind auch im digitalen Umfeld die Basis
In der Krise und im zurückliegenden, virtuellen Kapitalmarktjahr haben sich gute Investor Relations wieder bewährt. Die IR-Funktion ist nahe am Geschehen ein wichtiger Anker in stürmischen Zeiten. Sehr schnell hat sich die Profession an die neuen Gegebenheiten angepasst und flexible, digitale Angebote für Investorenkommunikation geschnürt. Dass dies gut lief, liegt auch an den bereits geknüpften guten Beziehungen zu Investoren und Analysten. Grundlage dafür sind das aufgebaute Investorenvertrauen zu den Unternehmensorganen und Glaubwürdigkeit im IR-Erwartungsmanagement, die in einem zunehmend digitalen Umfeld immer wichtiger werden.
Positive Erfahrungen mit digitalen IR-Formaten werden den Mix an IR-Aktivitäten und den Finanz- und Roadshow-Kalender in Zukunft stark beeinflussen. Hier stehen der persönliche Kontakt und Eindruck im direkten Wettbewerb zur Reichweite und Flexibilität von digitalen Formaten. Eine Kombination aus digitalen und Präsenzformaten wird sich in Zukunft bilden, um von den Vorteilen beider Welten zu profitieren. Mit neuen Formaten sind auch neue Anforderungen des digitalen IR-Knigges für die Geschäftsleitung und die IR zu beachten. Wie die vorliegende Studie zeigt, gestalten IROs aktiv die Zukunft der Kapitalmarktkommunikation, schaffen Transparenz, bauen Vertrauen auf und sorgen für einen Mehrwert am Kapitalmarkt.