das symbol des euro in der nähe des eurotowers

Eine globale Perspektive: Wie es um den Status quo bei den IBORs steht

Verwandte Themen

Die Reform von IBOR-Zinssätzen (Interbank Offered Rates) zu risikofreien Alternativen stellt die Finanzbranche vor große Herausforderungen.


Überblick

  • Der LIBOR-Skandal zwang die EU zur Reform der Referenzzinsätze.
  • Die Umsetzung ist in vollem Gange: Risk Free Rates (RFRs) ersetzen immer mehr die herkömmlichen LIBOR-Werte.
  • Betroffene Unternehmen sollten bereits jetzt reagieren, um auch zukünftig der Entwicklung der IBOR-Umstellung folgen zu können.

Als im Jahr 2011 der Skandal um die Manipulation des LIBOR-Referenzzinssatzes (London Interbank Offered Rate) sowie weiterer Zinssätze durch zahlreiche Banken bekannt wurde, hat dies zu einem weltweiten Wandel der Referenzwerte geführt. Das Europäische Parlament hat als Reaktion auf diese Einflussnahme im Jahr 2016 die „Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden“, besser bekannt als EU-Benchmark-Verordnung, erlassen und führte somit die Reformierung der Referenzzinsätze herbei. Als wesentlich zuverlässiger und weniger manipulationsanfällig etablierten sich im Laufe der Reform die unter dem Namen Risk Free Rates (RFRs) bekannten alternativen Zinssätze. Seither ersetzen sie die ersten herkömmlichen LIBOR-Werte wie den in Großbritannien genutzten GBP LIBOR, in der Schweiz den CHF LIBOR und den in Japan genutzten YEN LIBOR. Doch noch immer werden IBOR-Zinssätze zur Preisbestimmung unterschiedlichster Finanzprodukte genutzt und müssen entsprechend den weltweit steigenden regulatorischen Ansprüchen reformiert oder ersetzt werden. Im Folgenden werden aktuelle Ereignisse sowie bevorstehende Umstellungen von IBOR-Referenzwerten auf RFR-Zinssätze zusammengestellt und wichtige Entwicklungen herausgearbeitet.

Umstellung der IBOR Referenzzinssaetze

Das Ende des USD LIBOR und seine Nachfolger

Mit der Einstellung des USD LIBOR erfolgt Ende Juni 2023 die am Volumen gemessen größte Umstellung im Rahmen der IBOR-Reform. Bereits Ende 2021 stellte der Administrator ICE Benchmark Administration (IBA) die Veröffentlichung des 1-Wochen- und des 2-Monats-Tenor ein. Im Zuge dessen haben der US-amerikanische Gesetzgeber, das Federal Reserve Board (FED Board), sowie das Alternative Reference Rates Committee (ARRC) Banken aufgefordert, auf den USD LIBOR für Neugeschäft zu verzichten und diesen lediglich in Ausnahmefällen zu verwenden.

Am 16. Dezember 2022 beschloss das FED Board den „Regulation Implementing the Adjustable Interest Rate (LIBOR) Act (Regulation ZZ)“, auch „Final Rule“ genannt, um eine Entscheidung über den gesetzlichen Nachfolger für den USD LIBOR zu treffen. Die Regelung bestimmt unter anderem die produktspezifische Nachfolge des USD LIBOR und die genaue Ausgestaltung des SOFR als „Board Selected Replacement“. Diese Nachfolger kommen zum Einsatz, sofern bis zum Umstellungsdatum am 30. Juni 2023 keine Fallback-Vereinbarung zwischen den Kontrahenten in USD-LIBOR-Finanzkontrakten, die der US-Rechtsprechung unterliegen, geschlossen wurde. Um das Zinsänderungsrisiko der bisherigen LIBOR-Laufzeiten entsprechend zu berücksichtigen und eine Forward-Looking-Zinsstrukturkurve zu ermöglichen, legte das FED Board fixe Tenor Spread Adjustments fest. Da der SOFR im Gegensatz zum LIBOR auf ausgeführten Übernachttransaktionen basiert, ist die laufzeitabhängige Zinsanpassung noch nicht einkalkuliert und muss entsprechend adjustiert werden.

Bei Konsumentenkrediten gilt es zu beachten, dass für einen Zeitraum von einem Jahr nach Wegfall des USD LIBOR der letztmalig festgesetzte USD-LIBOR-Tenor sowie der entsprechende vom FED Board bestimmte Nachfolger (Term SOFR + Tenor Spread Adjustment) linear interpoliert werden. Dies soll plötzliche Zinserhöhungen für die Konsumenten verhindern. Um dieses Vorgehen zu vereinfachen, wurde der Marktdaten- und Infrastruktur-anbieter Refinitiv mit der Berechnung und Veröffentlichung der interpolierten Zinssätze beauftragt. Diese werden als „USD IBOR Cash Fallbacks for Consumer“ entsprechend der gesetzlichen Vorgehensweise veröffentlicht.

gesetzliche nachfolger fuer den usd libor je betroffene finanzproduktkategorie gema final rule

Im September 2022 äußerte die FCA erste Überlegungen, eine synthetische Variante des USD LIBOR, analog zur GBP-Sterling- und zur JPN-Yen-Umstellung, zu entwickeln. Anschließend erfolgte eine Konsultation der Marktteilnehmer, um den Bedarf einer synthetischen Variante zu erfragen. Die FCA plant derzeit die Entwicklung eines synthetischen USD LIBOR mit den Laufzeiten 1, 3 und 6 Monate. Die Berechnung soll dabei durch die ICE Benchmark Administration (IBA) erfolgen und ersten Überlegungen zurfolge auf dem Term SOFR der CME Group und einem durch die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) festgelegten Adjustment Spread basieren. Dieser soll für eine begrenzte Dauer bis Ende September 2024 verfügbar sein.

Der CAD CDOR und die CORRA First Initiative

Der im kanadischen Währungsraum maßgeblich verwendete IBOR-Referenzzinssatz Canadian Dollar Offered Rate (CDOR) wird in Finanzkontrakten mit einem ausstehenden Volumen von 20 Billionen kanadischen Dollar referenziert. Davon entfallen rund 95 Prozent auf Derivate. Die eher untergeordnete Rolle, die der CDOR im globalen Gefüge der Referenzwerte einnimmt, zeigt sich bei der Betrachtung des CDOR-Gesamtvolumens: Es entspricht etwa 10 Prozent des USD-LIBOR-Volumens. Betroffene europäische Institute können auf ihren Erkenntnissen aus der laufenden USD-LIBOR-Transition aufbauen, sollten jedoch bei der Umstellung der Portfolios die nachfolgenden Schlüsseltermine der zweistufigen Umstellung bis zur kompletten Ablösung zum 28. Juni 2024 im Blick behalten. Der CDOR wird derzeit noch mit den Laufzeiten 1 Monat, 2 Monate und 3 Monate publiziert.

Die angekündigten Maßnahmen der kanadischen Arbeitsgruppe Canadian Alternative Reference Rate Working Group (CARR) zur Umstellung auf den alternativen Referenzzinssatz CORRA weisen große Parallelen zu den Ablösemaßnahmen beispielsweise des USD LIBOR auf. Eine davon, die „CORRA First Initiative“, appelliert an Broker und Dealer, den Handel von linearen wie auch von nichtlinearen Derivaten im Interbankbereich bereits im Januar respektive März 2023 nur noch auf CORRA zu basieren. Das Ziel: die Schaffung der notwendigen Liquidität im Markt bis zum offiziellen Neugeschäftsstopp für Derivate auf CDOR zum 30. Juni 2023. Dass diese Vorgehensweise sinnvoll ist, zeigen Zahlen des Marktdatenanbieters ClarusFT. Sie bestätigen, dass noch immer mehr als 60 Prozent des gehandelten Derivaterisikos, gemessen an der Kennzahl DV01, auf CDOR entfällt. 

cdor vs corral liquiditaet grafik

Betroffene Finanzinstitute können, sofern sie selbst wie auch ihre Kontrahenten dem ISDA-Fallback-Protokoll beigetreten sind, auf die Umstellung von Bestandsgeschäft mittels des bekannten Umstellungsansatzes „Alternativer Referenzzinssatz + Spread“ vertrauen. Die wesentliche Herausforderung für Institute besteht darin, die Systeme und Schnittstellen anzupassen.

Im Cash-Markt dagegen beginnen sowohl öffentliche als auch privatwirtschaftliche Emittenten schon jetzt damit, Anleihen und Kredite mit dem CORRA als Basis zu begeben. Empfehlungen für entsprechende Konventionen für Neugeschäft hat die Arbeitsgruppe ebenfalls veröffentlicht. Für die Umstellung des Bestandsgeschäfts empfiehlt sie den Instituten einen zweistufigen Fallback-Wasserfall-Ansatz zu verfolgen – auch hier wieder angelehnt an Empfehlungen aus der USD-LIBOR-Transition:

  1. Term CORRA + Credit Adjustment Spread
  2. CORRA Compounded in Arrears + Credit Adjustment Spread

Der Beschluss zur Veröffentlichung einer Term-Variante des CORRA folgt Vorbildern aus dem US-amerikanischen und dem europäischen Währungsraum. Dabei folgt auch die Ermittlung des Term CORRA einem bekannten Muster, denn es werden ausführbare Geld-/Brief-Quotes auf Zins-Futures (handelbar über Montreal Exchange) als Eingangsdaten herangezogen. Künftiger Benchmark Administrator wird die CanDeal Innovations Inc. werden, die möglicherweise bereits ab dem dritten Quartal 2023 den Term CORRA berechnen und zur Verwendung publizieren könnte. Die Nutzungsbedingungen stehen noch nicht final fest, sollen jedoch spätestens zum Marktstart im dritten Quartal 2023 konkretisiert sein. Dabei zeichnet sich ab, dass der Term CORRA in Darlehen, Trade-Finance-Produkten und zu Absicherungszwecken geschlossenen Derivaten genutzt werden kann. Meldungen von Marktteilnehmern des Interdealer-Bankenmarktes weisen bereits jetzt auf ihr nicht absicherbares Basisrisiko zwischen Term CORRA und CORRA Compounded hin. Eine Entscheidung, ob daher auch auf Dealer-Märkten der Derivatehandel mit Term CORRA als Basiswert zulässig sein wird, fällt vermutlich im Laufe des Jahres 2023. Der Term CORRA soll mit den Laufzeiten 1 Monat und 3 Monate publiziert werden.

Der PLN WIBOR wird durch den neuen WIRON-Referenzzinssatz abgelöst

Die polnische Benchmark-Reform, also der Wechsel der primären Zinsbenchmark vom bestehenden WIBOR-Zinssatz (Warsaw Interbank Offered Rate) auf den neuen WIRON-Zinssatz (Warsaw Interest Rate Overnight) schreitet voran: Seit dem 2. Dezember 2022 kann der WIRON als Referenzzinssatz in Finanzkontrakten verwendet werden.

Die polnische Finanzaufsicht ist der Ansicht, dass die polnische Benchmark-Reform nicht auf Unregelmäßigkeiten in Bezug auf den WIBOR zurückzuführen ist, sondern vielmehr dem globalen Trend entspricht, die bestehenden zukunftsgerichteten Zinssätze (auf der Grundlage von Quotierungen der Panel-Banken) mit rückwärtsgerichteten Zinssätzen, die auf tatsächlichen Übernachttransaktionen basieren (auch bekannt als risikofreie Zinssätze oder RFRs), zu ersetzen. Die Berechnungsmethodik für den WIRON ist dieselbe wie für den WIRD (Warsaw Deposit Market Index), eine von GPW Benchmark S.A. entwickelten und veröffentlichten Zins-Benchmark, und bleibt unverändert. Die Namensänderung erfolgte, da der neue Name besser die Merkmale einer auf Übernachttransaktionen basierenden Berechnungsmethodik spiegelt.

Die Expertenteams der Polnischen Nationalen Arbeitsgruppe für die EU-Benchmark-Verordnung haben Aufgaben und Meilensteine identifiziert, um sicherzustellen, dass der aktuelle WIBOR und der Warsaw Interbank Bid Rate (WIBID) ordnungsgemäß und sicher bis zum Jahr 2025 abgelöst werden können.

zeitplan fuer die umstellung auf wiron

Fazit

Die Umsetzung der Reform der IBOR-Referenzzinssätze ist bereits weit vorangeschritten und relevante Zinsumstellungen wie die des USD LIBOR oder des CAD CDOR sind gerade im Gange. Jedoch wird die Umsetzung die Finanzbranche und ihre Kunden auch in Zukunft weiterhin beschäftigen. Referenzzinssätze aus Nebenwährungen wie der polnische WIBOR, der schwedische STIBOR oder andere IBOR-Zinssätze sollten weiterhin von den Instituten beobachtet werden. Zudem ist die Zukunft des in Europa ansässigen Zinssatzes EURIBOR weiterhin offen. Es empfiehlt sich daher, bereits jetzt entsprechende Maßnahmen und Überwachungsorgane einzuführen, um auch zukünftig der Entwicklung der IBOR-Umstellung folgen zu können.

Mehr zum Thema

Eine globale Perspektive: Wie es um den Status quo bei den IBORs steht

Die Reform der IBOR-Referenzzinssätze läuft. Die Zinsumstellungen sind schon weit fortgeschritten. Lesen Sie hier, wie der Status quo ist.

Digitaler Euro – Was Banken bereits heute vorbereiten sollten

Lesen Sie im neuen EY-Whitepaper welche Chancen und Potenziale der digitale Euro für Banken und Zahlungsdienstleister birgt.

Zinswende und Inflation sorgen für Trendwende am Kreditmarkt

Inflation und Zinswende: Am deutschen Kreditmarkt deutet sich eine Trendwende an. Lesen Sie hier, wie sich die Branche darauf vorbereitet.

    Über diesen Artikel

    Autoren