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Zinswende und Inflation sorgen für Trendwende am Kreditmarkt

Die Sorge der Bankmanager in Deutschland vor einem Rückgang im Neugeschäft und steigenden Kreditausfällen steigt.


Überblick

  • Was Kreditinstitute für 2023 als Folge des Ukraine-Krieges erwarten
  • Mit welchen Maßnahmen Banken auf steigende Kreditrisiken reagieren
  • Warum Corona die Digitalisierung weiter beschleunigt

Nach einem zuletzt kräftigen Wachstum im Kreditgeschäft bremsen die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, die sich deutlich eintrübende Konjunktur, die Rekordinflation sowie die im Juli von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitete Zinswende das Kreditneugeschäft zunehmend aus. Wie die „Kreditmarktstudie 2023“, für die EY 120 Kreditmanager von Banken und Sparkassen befragt hat, ergab, erwarten 67 Prozent der Führungskräfte, dass sich die Nachfrage von Unternehmen und Verbrauchern nach Darlehen und Finanzierungen in den kommenden zwölf Monaten deutlich abschwächen wird. 

Download Kreditmarktstudie 2023: Rekordinflation und Zinswende – Trendumkehr setzt ein

Die seit Jahresbeginn im Zuge der Zinswende kräftig gestiegenen Kreditzinsen, insbesondere im Immobiliensektor, dürften ebenfalls wesentlich dazu beitragen, dass sich die Nachfrage kurz- bis mittelfristig deutlich abschwächt. Zudem rechnen 86 Prozent der Befragten mit steigenden Finanzierungskosten, 20 Prozent erwarten sogar einen deutlichen Anstieg.

Neugeschäft
der befragten Bankmanager rechnen mit einem Rückgang der Neukreditvergabe in den kommenden zwölf Monaten.

Steigende Kreditausfälle erwartet

Angesichts der schwierigen Marktbedingungen wie der Zinsentwicklung und der Rekordinflation hält die große Mehrheit der Befragten (86 Prozent) künftig auch Kreditausfälle für mehr oder weniger wahrscheinlich. Die Inflation (73 Prozent), die Zinsentwicklung (68 Prozent) und Lieferkettenengpässe (58 Prozent) werden als größte externe Herausforderungen für die Unternehmenskunden genannt.

Die deutliche Mehrzahl der befragten Bankmanager (67 Prozent) rechnet kurz- bis mittelfristig mit Kreditausfällen aufgrund steigender Energiepreise.

Kreditausfälle
halten Kreditausfälle für wahrscheinlich oder eher wahrscheinlich.

Schärfere Kreditvergabestandards

Die Rekordinflation im Euroraum sorgt auch dafür, dass die Institute bei der Prüfung neuer Kreditnehmer genauer hinschauen und ihre Kreditrichtlinien verschärfen. Den größten Wert legen die Häuser auf höhere Dokumentations- und Sicherheitsanforderungen (76 Prozent). Weitere 64 Prozent wollen die Kreditnebenkosten erhöhen, dies ist ein deutliches Plus gegenüber dem Vorjahr. Indes erwarten nur noch 23 Prozent, dass angesichts des eingetrübten wirtschaftlichen Umfeldes und der drohenden Rezession strengere Covenants in die Kreditverträge aufgenommen werden. 2021 waren es noch 40 Prozent.

 

Zudem sehen 54 Prozent der Befragten zeitverzögerte Insolvenzen infolge der Corona-Pandemie. Zum einen stehen noch Rückzahlungen von Corona-Hilfsdarlehen aus, zum anderen hat sich die wirtschaftliche Lage infolge des Ukraine-Krieges deutlich verschlechtert.

 

40 Prozent erwarten erhöhte Kreditausfälle aufgrund von Lieferkettenstörungen. Folglich wollen 78 Prozent der Institute Lieferkettenabhängigkeiten künftig mit berücksichtigen. 51 Prozent tun dies bereits.

Insolvenzen
der befragten Banking Professionals rechnet mit zeitverzögerten Insolvenzen aufgrund der Corona-Pandemie.

NPL-Quoten dürften nur leicht steigen

Trotz der höheren Wahrscheinlichkeit für Kreditausfälle erwartet die Mehrzahl der Befragten (63 Prozent) nur einen leichten Anstieg der Quoten von Non Performing Loans (NPL; notleidende Kredite) in ihren Kreditvolumina. 22 Prozent rechnen damit, dass die Rekordinflation keinen Einfluss auf die NPL-Quoten haben wird.

Grund dafür sind die Forbearance-Maßnahmen, zu denen die meisten Institute greifen: 68 Prozent erklären, ihr Institut nutze am häufigsten Stundungen, wenn Kapitaldienste nicht bedient werden. 43 Prozent nennen hier Laufzeitveränderungen, 40 Prozent eine Anpassung der Zins- und Tilgungsleistungen. Diese Forbearance-Maßnahmen sind klassisch, aber sie lösen das Problem nicht, sondern schieben es nur zeitlich auf.

Diese Forbearance-Maßnahmen sind klassisch, aber sie lösen das Problem nicht, sondern schieben es nur zeitlich auf.

Hürden bei Umsetzung von ESG-Kriterien

Die Bedeutung einer nachhaltigen Neuausrichtung für die Kreditwirtschaft wächst – Kunden und Stakeholder legen vermehrt Wert darauf. Um die EU-Kriterien zum Schutz der Umwelt, der sozialen Gerechtigkeit und der guten Unternehmensführung (Environmental, Social, Governance, kurz: ESG) zu erfüllen, sind von den Unternehmen erhebliche Investitionen erforderlich, die teilweise finanziert werden müssen. Auch Banken und Sparkassen sind gefordert, ihre Prozesse anhand der ESG-Kriterien neu auszurichten und Kapitalströme in die Finanzierung nachhaltiger Projekte zu lenken.

Entsprechend rechnen jeweils knapp 60 Prozent der befragten Banking Professionals mittel- bis langfristig mit einer Zunahme des Kreditvergabevolumens aufgrund der steigenden Relevanz der Nachhaltigkeitskriterien. 17 Prozent erwarten, dass das Volumen der Kreditvergabe kurzfristig steigt.

Ein Großteil der Institute befindet sich mit der Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Kreditvergabeprozess allerdings erst in der Planungsphase (4  Prozent) oder in der Umsetzung (25 Prozent), wobei die Häuser überwiegend ohne externe Unterstützung agieren. Bei 41 Prozent gab es noch keine Veränderung bei der Kreditvergabe.

Nur bei 21 Prozent der Institute sind bisher die technologischen Möglichkeiten vorhanden, um aus Bestandskrediten ESG-Kriterien herauszufiltern. Bei 38 Prozent sind solche IT-Lösungen in der Umsetzung oder Planung.


Haupthindernis bleibt die veraltete IT-Infrastruktur der Häuser. Die bestehenden Systeme neu aufzusetzen erfordert Investitionen in Millionenhöhe, zu denen viele Banken momentan nicht in der Lage sind.


Corona-Krise als Transformationstreiber

Ein Haupthindernis der eigenen Transformation bleibt die häufig noch veraltete IT-Landschaft innerhalb der Häuser, deren Modernisierung hohe Investitionen erfordert. In diesem Zusammenhang sehen die Befragten die Corona-Krise nicht nur als Belastung, sondern zunehmend auch als Chance, die eigene Digitalisierung voranzutreiben: 44 Prozent schätzen die Bedeutung der Transformation des Kreditgeschäfts als mittelhoch ein, 32 Prozent sehen darin einen wesentlichen Erfolgsfaktor.

 

70 Prozent wollen vor allem in automatisierte Kreditprozesse investieren. Als Ziele für Investitionen werden Einsparungen von Ressourcen (53 Prozent) und die Stärkung der Wettbewerbsposition (46 Prozent) genannt. 55 Prozent wollen die Kosten der Transformation mit einer Ausweitung des Kreditgeschäftes finanzieren.

 

Viele Banken haben gerade erst mit der eigenen Transformation begonnen. Der Abbau von Risikopositionen bleibt mittel- bis langfristig aber eine enorme Herausforderung, auf die sich die deutsche Kreditwirtschaft konsequent vorbereiten sollte.


Der Abbau von Risikopositionen bleibt mittel- bis langfristig eine enorme Herausforderung, auf die sich die deutsche Kreditwirtschaft konsequent vorbereiten sollte. Auch hier ist eine konsequente Transformation und Digitalisierung die Voraussetzung, um die eigene Wettbewerbsposition und Rentabilität langfristig zu stärken.


Fazit

Nach der Corona-Pandemie beschäftigen sich die Banken 2023 verstärkt mit der Bewältigung der Auswirkungen des Ukraine-Krieges: Rekordinflation, Lieferkettenprobleme und Zinswende lassen die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen steigen und dämpfen das Neugeschäft. Weitere Topthemen der Branche bleiben die Umsetzung von ESG-Kriterien im Kreditgeschäft und die eigene digitale Transformation. Die Analyse von EY zeigt, dass die Mehrzahl der Institute damit gerade erst am Anfang steht.

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