Gute Langzeitentwicklung – aber starker Rückgang bei Frühphasenfinanzierungen
Trotz des deutlichen Rückgangs bei Finanzierungsrunden und -volumina sei die Langzeitentwicklung in Österreich positiv, so Haas: „In den letzten zehn Jahren hat das österreichische Start-up-Ökosystem wesentliche Professionalisierungsschritte erfahren und ist zunehmend mehr auf den Radar internationaler Investor:innen gekommen. Österreichs Start-up-Ökosystem punktet mit einer Förderlandschaft auf Top-Niveau und starken Strukturen im Frühphasenbereich. Daher ist es auch bedenklich, dass es gerade im Frühphasenbereich einen so starken Rückgang gegeben hat. Hier sollten die Alarmglocken schrillen“.
Die Anzahl der Finanzierungsrunden bis zu einer Million Euro ist im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich um ein Drittel von 57 auf 38 zurückgegangen. Das ist die niedrigste Anzahl seit 2019.
„Nicht nur bei Wachstumsrunden, auch im Frühphasenbereich ist aktuell deutliche Zurückhaltung zu spüren. Viele Investor:innen haben im Vorjahr Kapital bei ihren Portfolio-Unternehmen nachgeschossen, um ihnen einen Polster für ein sehr herausforderndes Umfeld zu geben. Bei neuen Investments ist auch im Frühphasenbereich die Handbremse angezogen. Das ist eine gefährliche Entwicklung und für das Ökosystem und den Wirtschafts- und Innovationsstandort Österreich, der unbedingt entgegengewirkt werden muss. Ein wichtiger Impuls wäre es, bessere Rahmenbedingungen für Investments von institutionellen und privaten Anleger:innen zu schaffen, beispielsweise über die Etablierung eines Dach-Fonds“, so Haas.
Trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen gibt es auch positive Entwicklungen und erste Anzeichen für eine Erholung des Start-up-Finanzierungsmarktes. Im Juni 2024 wurde mit einem Investitionsvolumen von 169 Millionen Euro der volumenstärkste Monat der letzten zwölf Monate verzeichnet. Die sechs größten Runden des Jahres wurden im Mai und Juni angekündigt. Diese Entwicklung kann ein Indikator sein, dass das Vertrauen der Investor:innen langsam zurückkehrt und das Interesse an vielversprechenden Start-ups wieder zunimmt. Es zeigt, dass Investor:innen bereit sind, wieder größere Summen zu investieren, wenn die Geschäftsmodelle stark sind und die Bedingungen stimmen. Dies gibt Hoffnung für eine leichte Verbesserung im zweiten Halbjahr und eine positive Dynamik ab 2025“, erläutert Haas.
Volumen pro Runde bleibt auf Vorjahresniveau – deutlicher Rückgang zu den Boom-Jahren
Das durchschnittliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentlicht wurde, pendelte sich mit 4,7 Millionen Euro auf dem Vorjahresniveau ein (4,6 Millionen Euro). In den beiden Boom-Jahren 2021 und 2022 lag das durchschnittliche Volumen deutlich höher bei 9,0 Millionen Euro bzw. 13,5 Millionen Euro. Im Jahr 2020 lag der Durchschnittswert deutlich niedriger bei 2,5 Millionen Euro.
Im ersten Halbjahr 2024 wurden sechs Abschlüsse mit einem Volumen von jeweils mehr als zehn Millionen Euro gezählt, genauso viele wie im Vorjahreszeitraum. Wie im Vorjahr gab es allerdings keinen Mega-Deal mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro. Auch in der Größenkategorie von 1,1 bis zehn Millionen Euro stellt sich das Ergebnis identisch zum Vorjahr dar: Hier wurden in den ersten sechs Monaten 2024 19 Abschlüsse gezählt, das sind genauso viele wie im Vorjahreszeitraum.
„Zwischen Anfang 2021 und Mitte 2022 wurden Finanzierungsrunden zu noch nie dagewesenen Bewertungen abgeschlossen. Im Langzeitvergleich sind diese drei Halbjahre als Sondereffekt einzuordnen. Mit dem geänderten Marktumfeld hat auch eine Konsolidierung stattgefunden, der überhitzte Wettbewerb ist merkbar abgekühlt. Damit sind auch die Bewertungen wieder deutlich zurückgegangen, was sich in kleineren Finanzierungsrunden widerspiegelt. Die Zeit des großen Risikos ist vorübergehend zu Ende, Investorengruppen finanzieren deutlich selektiver und mit weniger Kapitaleinsatz“, so Haas.
Größte Finanzierungsrunde des Halbjahres für Storyblok
Die größte Finanzierungsrunde im ersten Halbjahr 2024 schloss das Linzer Scale-up Storyblok mit rund 74 Millionen Euro ab. Dahinter folgen das Lieferketten-Scale-up Prewave mit 63 Millionen Euro und das Energy-Unternehmen enspired mit 26 Millionen Euro. Von den Start-ups mit den zehn größten Finanzierungsrunden des Jahres haben sieben ihren Sitz in Wien, zwei in Oberösterreich und eines in Tirol.
Wien bleibt Start-up-Hotspot – Oberösterreich bei Volumen klar auf Platz 2
Wien war auch im ersten Halbjahr 2024 wieder der Hotspot der österreichischen Start-up-Szene: Mit 41 Finanzierungsrunden vereinigten die Hauptstadt-Start-ups mehr als jede zweite hierzulande gezählte Finanzierungsrunde (59 %) auf sich und damit prozentual sogar geringfügig mehr als im Vorjahr, als sich der Marktanteil der Hauptstadt-Start-ups auf
58 Prozent belief. Auf Rang zwei folgt die Steiermark, wo neun Finanzierungsrunden gezählt wurden, vor Nieder- und Oberösterreich, dessen Start-ups es auf jeweils fünf Abschlüsse brachten.
Auch beim Finanzierungsvolumen liegt Wien klar an der Spitze: Gut drei von fünf hierzulande in Start-ups investierte Euro (62 %) wurden im ersten Halbjahr 2024 in Wiener Jungunternehmen investiert. In der Vorjahresperiode lag der Marktanteil bei
57 Prozent. Der Standort Oberösterreich belegt mit einem Marktanteil von 32 Prozent Rang zwei vor Tirol, dessen Start-ups es auf einen Marktanteil von drei Prozent bringen. Am stärksten gesunken ist der Marktanteil von Salzburg, der in der Vorjahresperiode dank eines Abschlusses von 75 Millionen Euro (Myflexbox) mit 22 Prozent ungewöhnlich hoch gewesen war.
Tech-Start-ups verzeichnen die meisten Deals
Die meisten Finanzierungsrunden wurden wie schon in den Vorjahren im Tech- und Softwarebereich abgeschlossen. Mit SaaS, Artificial Intelligence, Virtual Reality, Blockchain, Cloud, Cyber Security sowie Data Analytics umfasst dieser Bereich Start-ups mit neuen Technologien. 24 Finanzierungsrunden für Tech-Start-ups bedeuten zwar klar Rang eins, aber auch einen Rückgang um knapp ein Viertel. Der Bereich Health auf Rang zwei brachte es auf neun Abschlüsse, einen weniger als im ersten Halbjahr 2023. Start-ups aus dem Bereich Energy auf Rang 3 verzeichneten mit acht Abschlüssen hingegen sieben Deals mehr als im Vorjahreszeitraum.
Am stärksten gesunken gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 ist die Zahl der Finanzierungsrunden in den Bereichen e-commerce (minus 10), FinTech / InsurTech (minus 8) und Mobility (minus 7).
Noch eindeutiger sind die Kräfteverhältnisse beim Finanzierungsvolumen: Mehr als jeder zweite Euro Risikokapital (55 %) wurde im ersten Halbjahr in den Bereich Software & Analytics investiert, der mit Storyblok (74 Millionen Euro) und Prewave (63 Millionen Euro) auch die beiden Top-Deals beinhaltet.
Der Bereich Energy brachte es mit einem Zustrom an Investitionskapital von 44 Millionen Euro auf einen Marktanteil von 15 Prozent, nachdem er in der Vorjahresperiode noch leer ausgegangen war. Auf Rang drei folgt der Bereich Health (26 Millionen Euro) vor dem Bereich FinTech / InsurTech (23 Millionen Euro) und Hardware (22 Millionen Euro).
Mehr Investitionen für Start-ups im Bereich Nachhaltigkeit
Für Investorengruppen liegt der Fokus bei Investments in Start-ups klar auf den Themen Digitalisierung und neue Technologien. Als zweiter wesentlicher Bereich hat Nachhaltigkeit in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.
Im ersten Halbjahr 2024 hatten immerhin zwölf der insgesamt 70 registrierten Finanzierungsrunden (17 %) einen Bezug zum Querschnittsthema Nachhaltigkeit – in der Vorjahresperiode waren es 13 Prozent. Im Volumen lässt sich der Trend zu Investments in Start-ups mit Nachhaltigkeits-Fokus aber weniger ablesen: Das Gesamtvolumen belief sich auf nur 17 Millionen Euro bzw. sechs Prozent des insgesamt investierten Kapitals. Im Vorjahreszeitraum betrug diese Summe noch 64 Millionen Euro und lag bei einem Anteil von 17 Prozent.
„Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind die bestimmenden Themen der nächsten Jahre für alle Unternehmen. Start-ups können hier als Innovationstreiber eine essenzielle Funktion einnehmen. In Österreich will nach eigenen Angaben knapp ein Drittel der Start-ups Lösungen für die ökologische Transformation, den Kampf gegen den Klimawandel, die Dekarbonisierung oder Kreislaufwirtschaft bieten. Der Nährboden in Österreich für Green-Innovation-Start-ups ist sehr gut. Immer mehr Sustainability-Start-ups können Finanzierungsrunden abschließen, auch wenn die Volumina noch überschaubar sind. Ich bin überzeugt, dass sich dieser Trend weiter verstärken wird und Investorengruppen in den nächsten Jahren deutlich öfter und mehr investieren“, so Haas.