Frachtschiff

Wie die Zollfunktion der Zukunft aussieht

Dank Digitalisierung gewinnt die Zollfunktion an Schlagkraft, Bedeutung und Wertschätzung.


Überblick
  • Die Zollfunktion der Zukunft hat zu Beginn des Tages die Auswertung der aktuellen Kennzahlen auf den Dashboards auf einen Blick zusammengefasst.
  • Digitale Lösungen tragen dazu bei, die globalen Zollfunktionen auf eine neue Ebene zu heben.

Die Zollfunktion der Zukunft beginnt den Tag mit einem Kaffee und der Auswertung der aktuellen Kennzahlen, die auf den Dashboards erscheinen. Wie steht es um den täglichen Arbeitsfortschritt bei der Stammdatenanlage für neue Artikel? Welche Fachabteilungen sind säumig bei den Zuarbeiten für Zollbewilligungen? Auf dem Dashboard ist außerdem abzulesen, in welchem Hafen sich Einfuhrwaren aufgrund von Zollbeschaumaßnahmen stauen – die betroffenen Produktionsbereiche wurden bereits automatisch in Kenntnis gesetzt und der Zollbeauftragte bemüht sich zusammen mit den Logistikdienstleistern und Zollagenten direkt um eine Freigabe.

Ab in die erste Reihe

Bisher führt die Zollfunktion in vielen Unternehmen – im Vergleich zur Unternehmenssteuerabteilung – ein Schattendasein in der zweiten oder dritten Reihe. Das steht im Widerspruch zur enormen Bedeutung, die der Zoll in international tätigen Unternehmen grundsätzlich hat. Allein die Höhe der global entrichteten Zollabgaben kann immens sein. Insbesondere das Ausnutzen von Freihandelsabkommen, besonderen Zollverfahren und Zollaussetzungen sowie die strategische Berücksichtigung von Zoll im Beschaffungswesen und die Planung von Lieferketten im Vertrieb schaffen entscheidende Wettbewerbsvorteile. Umso wichtiger sind die Erstellung von Standard-Messzahlen (KPI) für den Bereich Zoll und dessen Einbindung in Einkauf, Vertrieb und Unternehmensplanung, damit der Wertbeitrag der Zollfunktion sichtbar gemacht wird. Ebenso wichtig ist die Absicherung der ordnungsmäßigen Zollabwicklung durch ein aktiv gelebtes Tax CMS für den Bereich Zoll, da andernfalls bei wiederholten Verfehlungen die Aussetzung oder der Widerruf zollrechtlicher Vereinfachungen drohen kann, ohne die viele Unternehmen kritisch in ihrer Handlungs- bzw. Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt sind.

Grafik: Fleissiges Grossbritannien

Neue Aufgaben

In Zeiten von internem und externem Kostendruck und Fachkräftemangel kommen in nächster Zeit weitere Herausforderungen auf die Zollfunktionen zu, die im Unternehmen deren Prozessbeteiligung, eine weitere – mit Ressourceneinsatz verbundene – Verbesserung des internen Kontrollsystems und die Umstellung von Arbeitsabläufen auf ein digital kommunizierendes Umfeld erfordern. Dafür sorgen allein schon das Lieferkettengesetz, das Verbandssanktionengesetz, die EU-Grenzausgleichsabgabe, die weitere Umsetzung von Arbeitspaketen zur Digitalisierung von Zollabwicklungsprozessen nach dem Unionszollkodex und dem EU Action Plan oder auch neue Verbrauchsteuern (Plastiksteuer, Fleischsteuer, Sugar Tax, Fat Tax etc.). Künftig wird es daher noch drängender, der Zollabteilung durch kluge Arbeitsorganisation und Integration externer Partner den nötigen Freiraum zu verschaffen und mit digital unterstützen Workflows und effektivem Datenmanagement aufzurüsten, um das Aufgabenspektrum arbeitseffektiv und kosteneffizient abarbeiten zu können.

Customs Data Analytics

Startpunkt und gleichzeitig Basis der Digitalisierung im Zollbereich ist oft Customs Data Analytics, die Zolldatenanalyse. Hierbei geht es darum, aus vorhandenen Daten langfristig konkreten Mehrwert und Nutzen zu generieren, indem Auswertungen mit weniger Ressourceneinsatz schneller und vor allem öfter durchgeführt werden können. Neben der Identifizierung von Einsparpotenzialen können die Datenvalidierungen auch als effektives Kontrollinstrument im Rahmen des Tax CMS genutzt werden. Langfristig wird die Thematik jedoch insbesondere aufgrund der Möglichkeit der fundierten Entscheidungsunterstützung als strategisches Instrument essenziell werden, indem die Auswirkungen bestimmter Handlungsoptionen faktenbasiert simuliert werden.

Strategische Rolle

Auch Einkauf, Vertrieb und die Supply-Chain-Organisation, die Compliance-Funktion oder die Abteilung Unternehmensstrategie können die Zolldatenanalyse und die hierauf aufbauenden Simulationsmöglichkeiten nutzen, um eigene Zielstellungen besser zu erfüllen und das gesamte Unternehmensergebnis zu verbessern. In jedem Fall sorgt die Zolldatenanalyse dafür, die Zollfunktion über ihre operative Prägung und Compliance-Aufgaben hinaus zum strategischen Businesspartner weiterzuentwickeln, der agil zur Wertschöpfung des Unternehmens beitragen kann.

Single Point of Truth

Die Digitalisierung baut auf einer geeigneten Datenarchitektur und Data Governance auf. In der Zollabteilung stellt sich dabei regelmäßig die besondere Herausforderung der Datenverfügbarkeit. Im Idealfall landen die als zollrelevant identifizierten Daten aus sämtlichen Quellsystemen harmonisiert in einem Single Point of Truth (Data Warehouse), wobei die Qualität dieser Daten durch entsprechende Rahmenbedingungen zu sichern ist.

Mehrwert fürs Unternehmen

Die Möglichkeiten einer digitalisierten Zollfunktion sind vielfältig. Künstliche Intelligenz lässt sich beispielsweise für die Zolltarifierung und die voll automatisierte Zollanmeldung nutzen. Der Datenaustausch kann im Industrie- oder Logistik-Ökosystem mittels Blockchain authentifiziert werden. Simulationen können die Auswirkungen von Verrechnungspreisanpassungen auf die Zollbemessungsgrundlage bzw. die Zollpräferenzermittlung und daraus folgend die Zollkosten ermitteln. Digitalisierte Zoll- und Außenhandelsfunktionen erreichen günstigere Transaktionskosten (pro Zollanmeldung, pro Lieferantenerklärung etc.). Sie können schneller und auf der Basis objektiv belastbarer Daten auf Veränderungen der Rahmenbedingungen im Außenhandel reagieren (z. B. durch Simulation der Auswirkungen von Strafzöllen oder neuen Freihandelsabkommen und hieraus abgeleiteten Einkaufs- oder Vertriebsentscheidungen). Und weil Compliance-Überprüfungen datenbasiert durchgeführt werden und mit zunehmender Datentiefe auch komplexere Fehlermuster feststellen können, erleben digitalisierte Zollabteilungen weniger Überraschungen in Zollprüfungen.

Spezialisieren und delegieren

Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die Zollfunktion zwingend immer mehr Tätigkeiten an sich zieht, ganz im Gegenteil. Vielmehr geht es darum, dass die Zollfunktion ihre Rolle neu findet und sich insbesondere mit Strategie, komplexen Einzelfragestellungen, Regelsetzung und Regelkontrolle befasst. Einhergehend mit der Prozessstandardisierung, Datenverfügbarkeit und Datenqualität kann die Frage des „Make or Buy“ neu gestellt werden – oder anders formuliert: Welche Tätigkeiten sollen als Kernprozess im Unternehmen verbleiben und welche klar abgrenzbaren Tätigkeiten bzw. Prozesse lassen sich an spezialisierte Dienstleister ausgliedern, die eine hohe Prozessqualität garantieren und durch Skaleneffekte und Technologieeinsatz oft günstiger in die Unternehmensabläufe integriert werden können?

Fazit

Lösungen wie das EY Tax Audit Center (TAC) oder das EY Advanced Authorization Monitoring tragen über die Art und Weise der Zusammenarbeit dazu bei, die globalen Zollfunktionen auf eine neue Ebene zu heben. Komplexe Organisationen können dabei effizient und unter Einhaltung aller regulatorischen Anforderungen (u. a. Datenschutz, Länder mit zwingender lokaler Datenhaltung etc.) über Fachabteilungen, Business Units und Regionen hinweg zusammenarbeiten. Datenstände sind zentral und revisionssicher verfügbar, Statusfortschritte können überprüft und regelmäßige Berichte, Erinnerungen und Warnungen automatisiert generiert werden.

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