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Wie Handelsunternehmen ihre Lieferketten jetzt resilient machen

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Die Dynamik von Lieferketten hat sich geändert und neue Faktoren spielen eine Rolle. Wie Unternehmen sich auf die Veränderung einstellen.


    Überblick

    • Veränderungen der Lieferkettenplanung durch die volatile weltpolitische Lage.
    • Transparente Lieferketten als erster Schritt für ein neues „End-to-End“-Verständnis.

    Über Jahrzehnte haben sich Unternehmen auf ein Thema fokussiert: immer günstiger und immer mehr zu produzieren, um die Nachfrage zu bedienen. Gewissermaßen über Nacht entstand erst durch Corona, dann durch die Suez-Kanal-Krise und später die Rezession bzw. Inflation eine Situation, die erhebliche Herausforderungen an das Lieferkettenmanagement stellt. Wie kann es einem Handels- und Konsumgüterunternehmen unter den aktuellen Bedingungen gelingen, lieferfähig zu bleiben?

    Herausforderungen: Zu hohe oder zu niedrige Bestände, unvorhersehbares Verhalten, neue Anforderungen

    Gerade in einem volatilen Umfeld mit unsicheren Aussichten ist eine der größten Herausforderung die Planung der Lagerbestände. Viele Unternehmen haben ihre Lagerkapazitäten erweitert und schon vor Monaten zusätzliche Waren geordert, um der Nachfrage gerecht zu werden. Jedoch sind inzwischen durch den Nachfrageeinbruch massive Ungleichgewichte entstanden - durch falsches Order-Timing ebenso wie durch unsichere Transportwege oder Störungen in den Bezugsregionen (z.B. Holz aus Russland oder chinesische Güter durch die No-Covid Policy). Das Resultat: zu hohe oder zu niedrige Bestände. Die Unternehmen müssen reagieren und für entscheidend mehr Resilienz sorgen.

     

     

    Aktuell sind die Prognose-Fähigkeiten von Unternehmen schlecht, historische Daten sind für eine solche Lage einfach nicht vorhanden.

     

     

    Ein berechenbarer Faktor war hingegen jahrelang der Kunde. Florierte die Wirtschaft, wurde eingekauft und konsumiert - ein Verhalten, das durch Daten gut berechenbar und dadurch vorhersehbar war. Viel wurde über gläserne Kunden gesprochen, insbesondere im E-Commerce. Doch unter den aktuellen Rahmenbedingungen sind solche Daten nahezu wertlos geworden. Das Einkaufsverhalten in einer Extremsituation wie einer Pandemie oder einer geopolitisch bedingten Rezession können sie nicht voraussagen. Also stehen die Unternehmen vor dem Problem, die richtigen Produkte zur richtigen Zeit in der passenden Stückzahl vorrätig zu haben, ohne sich auf bisherige Prognose-Methoden stützen zu können.

    Zu dem veränderten Einkaufsverhalten kommen neue Anforderungen, die an die Produkte gestellt werden. Früher wurden Wertschöpfungsketten mit Blick auf Zeit, Qualität und Kosten geplant. Doch das reicht heute nicht mehr aus. Kunden, aber auch Politik und große Teile der Gesellschaft fordern eine nachhaltige Herstellung sowie einen nachhaltigen Vertrieb von Produkten und Gütern.

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    Die richtigen Fragen stellen

    Diese Herausforderungen führen dazu, dass Handelsunternehmen Antworten auf folgende Fragen finden müssen:

    • Wie sorgen wir dafür, dass die Lieferketten resilient sind?
    • Wie schaffen wir Lieferketten, die auf kurzfristige Schwankungen reagieren können?
    • Wie stellen wir sicher, dass die Lieferkette den gesetzlichen und konsumenteninduzierten ESG-Anforderungen entspricht?
    • Wie gehen wir aktuell mit den Kostenexplosionen um?
    • Welche Transparenz- und Steuerungsanforderungen stellen sich in dieser veränderten Umwelt?

    Um diese Fragen beantworten zu können, müssen Unternehmen zunächst eines tun: die Lieferketten transparent gestalten – und zwar „End-to-End“. Die relevanten Prozesse müssen sowohl sicht- als auch nachverfolgbar und damit in jeder Phase dokumentierbar sein. Erst dann sind sowohl eine dezidierte Beurteilung des aktuellen Status quo als auch gezielte Gegenmaßnahmen möglich. In einem nächsten Schritt muss dann beurteilt und entschieden werden, ob und wo gegebenenfalls schnelle Maßnahmen, so genannte Quickfix-Lösungen erforderlich bzw. möglich sind – auch wenn diese eventuell eine langfristige Strategie zunächst konterkarieren.

    Gemeinsam Antworten finden

    Um die passenden Antworten zu finden, hilft der Blick von außen. Eine strategische Beratung kann aber nur funktionieren, wenn die individuelle Situation des jeweiligen Unternehmens genau analysiert wird. Es geht darum, Ansätze zu erarbeiten, die nicht nur auf dem Papier funktionieren – sondern schnell passende, umsetzbare Lösungen zu entwickeln statt strategische Konzepte auf dem Reißbrett oder schlimmstenfalls für die Schublade zu entwerfen, die von allen Entscheidungsträgern und Umsetzungsverantwortlichen mitgetragen werden. Lösungen, die aus einem tiefgreifenden Branchenverständnis kommen und auf belastbaren Daten basieren. Dabei spielen logistische und kommerzielle Aspekte ebenso eine Rolle wie ESG-Faktoren – und natürlich die technische Weiterentwicklung in Form der Digitalisierung, zum Beispiel in Gestalt von Digital Twins, die eine Simulation von Lösungen unter realen Bedingungen gewährleisten.

    Eine Strategie für erfolgreiche Lieferketten muss „actionable by design“ sein. Das bedeutet: Schon in der Konzeptionsphase müssen Ideen und Wege entwickelt werden, wie die Strategie auch unter wechselnden Herausforderungen schnell angepasst und umgesetzt werden kann. Unternehmen müssen sich dazu aus dem Griff starrer Lieferkettenstrukturen befreien, Szenarien analysieren und etwaige Störungen von vorneherein einkalkulieren. Dabei hilft datengestützte Transparenz in den Lieferketten – durch die ein dauerhaftes Umsteuern gelingen kann.

    Fazit

    Es braucht neben Quickfix-Initiativen vor allem langfristige Lösungen, die den Unternehmen eine Reaktion auf potenzielle Risikoszenarien ermöglichen. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, lineare Lieferketten, wie sie bislang dominieren, sukzessive durch vernetzte Ökosysteme mit einer deutlich höheren Flexibilität zu ersetzen. Und es gilt dem reinen Kostenaspekt einen weniger hohen Stellenwert zuzumessen - zugunsten einer holistischeren Betrachtungsweise. Damit lassen sich nicht nur Lieferketten resilienter machen, sondern auch gute Argumente für den Fall finden, dass tatsächlich die eine oder andere Ware mal nicht verfügbar sein sollte.

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