Nun soll der EuGH entscheiden
In der Vergangenheit hat sich das BAG mehrmals mit der Frage beschäftigt, ob Teilzeitbeschäftige gegenüber Vollzeitbeschäftigten diskriminiert werden, weil ihnen keine Überstundenzuschläge gezahlt werden (so z. B. BAG, Urteil vom 23.03.2017, Az. 6 AZR 161/16 und BAG, Urteil vom 15.10.2021, Az. 6 AZR 253/19). Beide Urteile kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nun hat der 8. Senat durch ein Vorabentscheidungsersuchen die Frage der Diskriminierung an den EuGH weitergegeben (BAG, 28.10.2021, 8 AZR 370/20 [A], EuGH C-184/22).
Pflegekraft in Teilzeit
Die Klägerin ist als Pflegekraft bei der Beklagten in Teilzeit tätig. Die Arbeitszeit umfasst 40 Prozent der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten. Bei der Beklagten werden Arbeitszeitkonten geführt, wobei die geleisteten Arbeitszeiten der Klägerin aufgezeichnet werden, darunter auch angefallene Überstunden.
Manteltarifvertrag
Der einschlägige Manteltarifvertrag (MTV) sieht vor, dass Überstunden erst dann zuschlagspflichtig sind, wenn sie über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und soweit im jeweiligen Kalendermonat kein entsprechender Freizeitausgleich gewährt wurde. Alternativ sieht der MTV eine Zeitgutschrift im Arbeitszeitkonto vor.
Arbeitgeber zahlt keine Überstundenzuschläge
Der Klägerin wurden aufgrund dieser tarifvertraglichen Regelung keine Überstundenzuschläge für ihr Arbeitszeitguthaben von rund 129 Stunden ausbezahlt, da die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten nicht überschritten wurde. Die Überstunden wurden auch nicht dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Hierdurch sieht sich die Klägerin jedoch gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt, da diese bereits ab der ersten geleisteten Überstunde entsprechende Zuschläge erhalten.
Landesarbeitsgericht
Das Landesarbeitsgericht verurteilte den Arbeitgeber, dem Arbeitszeitkonto rund 39 Stunden gutzuschreiben. Die Forderung der Klägerin nach einer Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 (Entschädigung für die Verletzung des Gleichbehandlungsverbots) lehnt das Gericht dagegen ab.
8. Senat des BAG: keine Ungleichbehandlung
Der 8. Senat sieht gute Argumente dafür, dass darin, dass der hier gegenständliche Manteltarifvertrag die Zahlung von Entgeltzuschlägen für Überstunden erst ab einem Überschreiten der tarifvertraglich festgelegten Regelarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten vorsieht, keine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten liegen dürfte. Vielmehr verfolge die Regelung erkennbar das Ziel der Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer. Danach würden beide Beschäftigungsgruppen pro geleistete Arbeitsstunde und für die gleiche Anzahl geleisteter Arbeitsstunden das jeweils gleiche Entgelt erhalten.
Vorlage an den EuGH
Der EuGH wird nun zu entscheiden haben, ob eine nationale tarifvertragliche Regelung, die eine Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorsieht, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinausgehen, eine unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält.