Im Kampf gegen den Klimawandel führt die EU einen Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) ein, der die Emissionen von Importwaren bepreist und Wettbewerbsverzerrungen verhindern soll. CBAM soll das Risiko minimieren, dass die Herstellung von energie- und emissionsintensiven Produkten in Länder abwandert, die den Kohlendioxidausstoß weniger oder gar nicht bepreisen („carbon leakage“). Da die CBAM-Berichtspflicht im Oktober 2023 beginnt, sollten potenziell betroffene Unternehmen zügig überprüfen, ob sie CBAM-pflichtige Waren einführen. In der Praxis zeigt sich, dass überraschend viele Unternehmen betroffen sind, etwa bei Metallwaren wie Schrauben, Muttern oder Stäben. Mit dem Einphasen von Polymeren und diversen organischen und anorganischen Chemikalien wird sich der Kreis betroffener Unternehmen noch deutlich ausweiten. Bei der Vorbereitung sollten Unternehmen ein besonderes Augenmerk auf die IT-Anforderungen und Datenverfügbarkeit richten.
Europäisches Registrierungssystem
Die EU-Kommission hat angekündigt, eine webbasierte Anwendung bereitzustellen, in der sich alle Zollanmelder und indirekten Vertreter betroffener Unternehmen registrieren müssen („CBAM registry“). Über diese Portallösung wird das Berichtswesen bzw. ab 2026 die jährliche CBAM-Anmeldung abgebildet. Auch der Erwerb und der (in Grenzen mögliche) Rückverkauf von Zertifikaten werden über diese webbasierte Lösung abgewickelt. Eine Endanwendersoftware wird insoweit nicht erforderlich sein.
Datenqualität
Auf Unternehmensseite ergeben sich zunächst IT-Anforderungen in Bezug auf die Verfügbarkeit und Qualität der Daten für das CBAM-Berichtswesen. Grundsätzlich werden diese Datenelemente später auch für die CBAM-Anmeldungen erforderlich sein, wobei Anpassungen an Dateninhalten und Datenstruktur durchaus möglich sind. Einfach strukturierte Unternehmen mit guter Datenkultur haben mit dem CBAM-Reporting zwar eine neue Meldepflicht zu erfüllen; diese wird jedoch keinen übermäßigen Prozess- und IT-Anpassungsaufwand verursachen. Anders gestaltet sich die Situation in komplexen Organisationen, in denen es eine Vielzahl von Datenquellen gibt und wo die Datenqualität nachgebessert werden muss. Problematisch gestaltet sich die Lage, wenn Zolldaten nicht vorliegen. Das kann auch zu operativen Prozessanpassungen führen.
Vorbereitungszeit
Konkret müssen die betroffenen Unternehmen zunächst die erforderlichen Datenelemente identifizieren (Datenquellen, Formate, Möglichkeiten der Extraktion, Automatisierungsmöglichkeiten etc.). Wichtig ist auch ein Verständnis darüber, wie Änderungen fortgeschrieben werden. Gerade Außenhandelsstammdaten wie Zolltarifnummern und der nichtpräferenzielle Ursprung sind in der Praxis nicht immer perfekt gepflegt. Die Erfahrung aus laufenden Projekten zeigt, dass die Vorbereitung der „CBAM data readiness“ zumindest in komplexeren Organisationen mehrere Monate in Anspruch nimmt. In diesem Kontext stellt sich schnell auch die Frage, ob die Erstellung und Abgabe der Berichte inhouse abgebildet oder an einen Berater delegiert wird.
Prozesseffizienz
Der Fokus von IT-Projekten wird sich zunächst darauf richten, die neue Berichtsanforderung so zu organisieren, dass Daten mit wenig manueller Intervention aus den Systemen bereitgestellt und bestenfalls auch automatisiert Qualitätskontrollen unterzogen werden. Dedizierte CBAM-Lösungen scheinen derzeit nicht angebracht. Vielmehr geht es darum, das bestehende Instrumentarium aus bestehenden Lösungen an die CBAM-Bedürfnisse anzupassen (z. B. Nutzung von RPA zur Datenextraktion, effiziente Datenanalyse mit den gängigen Tools, automatisierte Kontrollen mit SAP Tax Compliance oder ähnlichen Lösungen usw.). Unternehmen mit CBAM-pflichtigen Produkten, die ausschließlich mit Standardwerten operieren, können auf komplexe IT-Lösungen sicher verzichten.
Um Daten zwischen den Prozessbeteiligten gerade in komplexen Organisationen effizient für das CBAM-Berichtswesen auszutauschen, etabliert EY (wie andere Marktteilnehmer auch) derzeit eine Portallösung zur sicheren und effizienten Übergabe der berichtspflichtigen Informationen an EY. Dieser Prozess kommt insbesondere in Betracht, wenn EY für Kunden die Erstellung der CBAM-Berichte übernimmt.
In jedem Fall ist es wünschenswert, dass supranationale Organisationen wie die OECD gemeinsame Prinzipien vorantreiben, um international eine Harmonisierung der Datenstrukturen voranzutreiben, die in Zukunft von diversen Ländern mit eigenen Regelungen zum Grenzausgleich (Border Adjustment Mechanism) festgelegt werden.
Berechnung der Emissionen
IT-Lösungen zum Management von Emissionsdaten haben in den meisten Unternehmen ohnehin seit einiger Zeit Priorität. Sobald die Details zur Berechnung der tatsächlichen Emissionen („actual emissions“) durch CBAM-Begleitverordnungen verabschiedet sind, stellt sich die Frage, ob bestehende Datenmodelle genutzt werden können oder aufgrund einer abweichenden EU-Berechnungslogik eine weitere Ebene der Datenführung erforderlich ist. Das gilt erst recht, wenn weitere Staaten jenseits der EU einen Grenzausgleich einführen und es dabei keine abgestimmte Berechnungsmethode gibt. Entsprechende Überlegungen für einen Emissionsausgleichmechanismus gibt es beispielsweise im Vereinigten Königreich und in der Schweiz. Schließlich sollte es per IT möglich sein, die Daten effizient mit Geschäftspartnern auszutauschen und Nachweise bereitzustellen (ähnlich wie beim Lieferantenerklärungsmanagement im Zollwesen).
Neue Herausforderungen ab 2026
Komplexer werden die Prozessanforderungen in jedem Fall ab 2026, wenn vierteljährlich sichergestellt werden muss, dass Zollanmelder bzw. indirekte Vertreter eine hinreichende Anzahl von CBAM-Zertifikaten erworben haben. Hier besteht die Anforderung darin, Daten aus Einkauf, Logistik und Zollabwicklung mit Emissionsdaten zu verbinden, um den Bedarf an CBAM-Zertifikaten vorab zu ermitteln. Auch eine Prozessunterstützung zur Überwachung eingereichter Sicherheitsleistungen bietet sich an. Entsprechende Lösungen werden in den kommenden Monaten sicher durch verschiedene Anbieter konzipiert werden.
Organisatorische Verantwortlichkeiten
Spätestens beim Planen eines „CBAM data readiness“-Projekts und dem Skizzieren des zukünftigen Berichtsprozesses stellt sich die Frage, welche Unternehmensfunktion fachlich bzw. projektverantwortlich sein soll. In der Praxis zeigt sich, dass die Verantwortlichkeit meist in den Funktionen für Zoll/Außenhandel, Einkauf, Supply Chain, Regulatorik oder ESG verankert wird. Jeder Lösungsansatz birgt Vor- und Nachteile, die entsprechend den Gegebenheiten in der jeweiligen Organisation abgewogen werden müssen.
Mehrkosten abschätzen und Konsequenzen ziehen
Von grundsätzlicher Bedeutung ist eine quantitative Folgenabschätzung zu CBAM-Mehrkosten ab 2026. Entsprechende Simulationen bieten sich bei Unternehmen an, die in erheblichem Umfang CBAM-pflichtige Waren beziehen oder deren Herstellung in der EU durch die Änderungen beim Emissionshandel bzw. der Energiebesteuerung teurer wird. Diese Folgenabschätzungen bilden zugleich die Grundlage einer umfassenden strategischen Diskussion, die weit über die Zollfunktion hinausreichen sollte. EY hat hierzu eine auf Microsoft PowerBI basierende Analytics-Lösung im Einsatz.
Strategische Planung
Es geht um die Analyse und langfristige Planung von Lieferketten (strategische Einkaufs- und Vertriebsplanung) bzw. Produktionsstandorten, die umfassende Ermittlung des Emissionsfußabdrucks entlang der Wertschöpfungskette, die Analyse und Planung von Maßnahmen zur Emissionsreduktion und das Nutzen von Fördermitteln bzw. die Finanzierung von Maßnahmen im Allgemeinen. In diesem Zusammenhang wird es auch regelmäßig um Fragen der Gestaltung von Verträgen mit Lieferanten, Kunden und Dienstleistern gehen, insbesondere um die Bereitstellung von Nachweisen der tatsächlichen Emissionen bzw. der Zahlung von Emissionskosten im Herstellungsland.